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Fratzen des Infernos

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Auch beim Ritt durch die Abgründe der Hölle zeigt sich die DEutsche Kammerphilharmonie sicher. - Foto: Julia Baier
Auch beim Ritt durch die Abgründe der Hölle zeigt sich die DEutsche Kammerphilharmonie sicher. - Foto: Julia Baier © -

Bremen - Von Wolfgang Denker. Ein Orchesterstück und ein Cellokonzert von Joseph Haydn, dann umgekehrt Gleiches von Luigi Boccherini: So symmetrisch ausgewogen zeigte sich das Programm in der Bremer Glocke, so ausgezirkelt die Interpretation der Deutschen Kammerphilharmonie und des Solisten Steven Isserlis.

Als Einstieg spielte das Orchester die Ouvertüre zu Haydns Oper „L‘isola disabitata“, die auf einem Libretto von Pietro Metastasio beruht. Dieses Libretto wurde übrigens zwischen 1753 und 1932 von immerhin 37 Komponisten vertont. Haydns einprägsame Ouvertüre wird von einem Largo eingeleitet, das in ein stürmisches Vivace assai übergeht. Die Kammerphilharmonie spielte das Stück unter Leitung von Florian Donderer sehr differenziert und klangschön.

Das bekannteste Werk des Abends war das erst 1961 in Prag wiederentdeckte Cellokonzert Nr. 1 C-Dur von Joseph Haydn, bei dem sich der Cellist Steven Isserlis als sehr einfühlsamer, stilsicherer Solist erwies. Isserlis bettete seinen schlanken Celloton perfekt in den Orchesterklang ein. Einige Einsätze versah er mit betont vollem Klang, aber meistens verstand er sich als primus inter pares. Das Adagio hätte vielleicht eine Spur schneller sein können, aber das Allegro molto sprühte dann wieder vor Lebendigkeit. Das Wechselspiel zwischen Cello und Orchester war von bestem Musikantentum geprägt.

Das Cellokonzert Nr. 7 G-Dur von Luigi Boccherini führte fast in die Welt der Kammermusik. Nur acht Streicher waren von der Kammerphilharmonie übriggeblieben. Das Herzstück des eher harmlosen, aber duftigen Werks ist ein wundervolles Adagio: Isserlis spielte es mit verinnerlichtem Ton und erzeugte eine tief-melancholische Stimmung. Das eher heitere Allegro schließlich bezauberte mit einem überraschenden, neckischen Schluss. Bei diesen beiden Cello-Konzerten war Isserlis zwar als Leiter angegeben, aber er musizierte meist verzückt lächelnd mit geschlossenen Augen. Musik und Interpret verschmolzen hier zu einer Einheit.

Von anderem Kaliber und eindeutig das „schwergewichtigste“ Werk des Abends war da Boccherinis Sinfonie Nr. 6 d-Moll, die den Beinamen „La Casa del Diavolo“ („Das Haus des Teufels“) trägt. Der Titel bezieht sich auf Don Juan, der zur Hölle, also in das Haus des Teufels, fahren muss. Den ersten Satz rückte die jetzt wieder von Florian Donderer geleitete Kammerphilharmonie fast in Schubert-Nähe. Das Andantino erklang so freundlich und verspielt, als gäbe es in der Hölle nur ganz liebe Teufelchen. Das änderte sich im Finale. Boccherini entfacht hier elementare Gewalten. Wie Blitze fahren die Orchester-Tutti in den Gesamtklang und beschwören fratzenartig das Inferno der Hölle. Donderer und die Kammerphilharmonie setzten diesen Satz mit aufwühlend dramatischem und stringentem Klang um. Ein eindrucksvolles Finale.

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