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Offen praktizierte Kirchturmpolitik

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Ihre Tage sind nun wohl endgültig gezählt: Die Oberschule in Heemsen.
Ihre Tage sind nun wohl endgültig gezählt: Die Oberschule in Heemsen. © Kurt Henschel

Nienburg - von Leif Rullhusen. Wer ein Praxisbeispiel für den Begriff „Kirchturmpolitik“ sucht, wäre bei der Sitzung des Nienburger Stadtrates am Dienstag voll auf seine Kosten gekommen.

„Ich kämpfe für ‚meine‘ Kinder und ‚meinen‘ Kirchturm“, ging Holtorfs Ortsbürgermeisterin Cornelia Feske (SPD) mit diesem, zumeist negativ belasteten Begriff ganz offen um. Ihr „Kirchturm“ war in diesem Fall die Oberschule in Heemsen. Viele Eltern aus Holtorf schicken ihre Kinder aufgrund der Nähe und gewachsener Strukturen traditionell nach Heemsen.

Deren drohende Schließung war das am heftigsten diskutierte Thema des Abends. Dabei hatte die Realität die politische Debatte zu dem Zeitpunkt eigentlich bereits überholt. Den Vorschlag von Hedda Freese (Grüne) und Jens Borcherding (WG), den betreffenden Punkt deshalb von der Tagesordnung zu streichen, lehnte die Mehrheit der Ratsfrauen und -herren allerdings ab.

 Also war die vom Landkreis beschlossene Schließung der Heemser Schule und der Versuch der Samtgemeinde, diese mit einer eigenen Schulträgerschaft auszuhebeln, Kernpunkt einer hitzigen Auseinandersetzung. Um die Samtgemeinde Heemsen bei ihrem Vorhaben zu unterstützten stand nämlich die Einrichtung von Schulbezirken auf der Tagesordnung des Stadtrates. Die soll gewährleisten, dass Schüler der Grundschule am Bach in Nienburgs Norden – sofern sie anschließend eine Oberschule besuchen wollen – nach Heemsen müssen. Das war Voraussetzung für den Antrag der Schulträgerschaft Heemsens bei der Landesschulbehörde. Nur hatte die ausgerechnet wenige Stunden zuvor mitgeteilt, dass sie den Antrag Heemsens auf eine eigene Schulträgerschaft ablehnt.

Die Einrichtung eines entsprechenden Schulbezirks ist damit quasi gegenstandslos. Beschlossen wurde sie mit einer SPD/CDU-Mehrheit dennoch. „Wir sollten Heemsen nicht im Regen stehen lassen und der Gemeinde die Möglichkeit geben, Rechtsmittel einzulegen“, begründete Bürgermeister Henning Onkes seine Unterstützung für die Einrichtung eines Schulbezirks. Grundsätzlich seien die Sozialdemokraten gegen die Einrichtung von Schulbezirken, in diesem Fall sei das aber unumgänglich, erklärte Feske. Das sah SPD-Parteikollege Rolf Warnecke allerdings anders. „Gegen diesen Zwang, eine bestimmte Schule besuchen zu müssen, habe ich 40 Jahre lang gekämpft“, betonte Warnecke. Hedda Freese fand es zudem unverständlich, einen Schulbezirk einzurichten, der außerhalb des Stadtgebietes liegt. „Wer heute sagt, er ist gegen Schulbezirke, schließt Heemsen“, mahnte dagegen Heiner Werner (FDP). Jens Borcherding sah die Stadt im Falle der Einrichtung von Schulbezirken dagegen als „Steigbügelhalter für einen Rechtsstreit“ für den Fall dass Heemsen gegen die Entscheidung der Landesschulbehörde klagen sollte.

Eine vom Elternrat der Grundschule am Bach intern durchgeführte Elternbefragung, die die Eltern am Dienstag dem Rat vorlegten, ergab ein deutliches Votum für den Erhalt der Oberschule in Heemsen. Kritik gab es seitens der Politik aber an der Art der Fragestellung. Die Formulierung zielte allein auf den Erhalt der Schule ab. Eltern, die gegen die Einrichtung von Schulbezirken sind, hätten sich explizit gegen den Fortbestand der Heemser Oberschule aussprechen müssen.

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