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Vier Angeklagte können mit Freispruch rechnen

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Nienburg / Verden -  von Wiebke Bruns. Für Montag wird ein erstes Urteil in dem Prozess um einen Mordversuch im Dezember 2014 in Nienburg erwartet. Vier der fünf Angeklagten aus Nienburg und Hoya können sicher mit einem Freispruch rechnen.

Das Verfahren gegen die zwei 52 Jahre alten Männer und ihre 25 und 33 Jahre alten Söhne wurde am Dienstagnachmittag von dem Verfahren gegen den mutmaßlichen Schützen abgetrennt. Der Prozess gegen den Garbsener geht gesondert weiter.

Den vier Angeklagten ist eine Tatbeteiligung nicht nachzuweisen. Die Anklage stützt sich auf die Aussage des fünften Angeklagten. Dieser ebenfalls 33-Jährige aus Garbsen hatte zunächst gestanden, die beiden Schüsse am Abend des 7. Dezember abgefeuert zu haben. Er hatte ausgesagt, im Auftrag des 52-Jährigen aus Hoya gehandelt zu haben. Die anderen drei Angeklagten seien in die Planungen involviert gewesen. Später hatte der gebürtige Rumäne sein Geständnis widerrufen.

Als Motiv nimmt die Staatsanwaltschaft Verden an, dass es eine Tat zur Wiederherstellung der Ehre war. Diese sei durch eine Affäre des türkischstämmigen Opfers mit der Ehefrau des 33 Jahre alten Angeklagten aus Nienburg verletzt worden. Zwar soll das Ehepaar nach jesidisch-islamischer Tradition zum Tatzeitpunkt bereits geschieden gewesen sein, was laut einem Sachverständigen aber nicht von Bedeutung ist.

In einem ethnologisch-psychologischen Gutachten erklärte der als Sachverständige an dem Prozess beteiligte Professor Dr. Dr. Jan Ilhan Kizilhan die Hintergründe der Yeziden, deren religiösen Regeln sowie patriarchale Strukturen. „Die Verletzung der Ehre wird als Angriff oder Beleidigung der gesamten Familie betrachtet“, erklärte Kizilhan. Eine Ehrverletzung werde als Verletzung der Körperlichkeit verstanden und mit einem Angriff auf die Körperlichkeit des Ehrverletzers ausgeglichen.

Ausführlich erklärte er in dem hochinteressanten Gutachten Familienstrukturen und die Bedeutung von Gerüchten und Ehrverletzungen sowie welche Folgen dies für die betroffenen Familienmitglieder hat.

Es handele sich bei den vier Angeklagten um eine Großfamilie, deren Mitglieder teilweise yezidisch und teilweise moslemisch seien. Die Affäre könnte, nachdem diese außerhalb der Familie bekanntgeworden war, von den Angeklagten aus patriarchalischer Sicht als „Demütigung, Kränkung und Ehrverletzung“ verstanden worden sein. In patriarchalischen Gesellschaften würden alle Ehrverletzer bestraft, somit sei dann auch für die Frau weiterhin von einer Gefährdungslage auszugehen. Im konkreten Fall gelte dies nur, wenn sich die Angeklagten und ihre Familie diesem patriarchalischen Denk- und Verhaltensmuster verpflichtet fühlen. Das steht aber nicht sicher fest.

Eine sichere Stellungnahme zu deren individueller Religionsgebundenheit und Moralvorstellungen konnte der Sachverständige nicht abgeben. Denn die Angeklagten haben nicht nur in dem Prozess beharrlich geschwiegen, sondern auch eine Begutachtung durch ihn abgelehnt. Insofern waren die Ausführungen des Sachverständigen interessant, haben aber für den Prozess nichts gebracht.

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