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Kommunikation und Geduld

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„Die Räumlichkeiten im Gasthaus Horstmann sind beengt, veraltet und entsprechen nicht modernem Standard“ schreibt die Samtgemeindebürgermeisterin in einer Stellungnahme.
„Die Räumlichkeiten im Gasthaus Horstmann sind beengt, veraltet und entsprechen nicht modernem Standard“ schreibt die Samtgemeindebürgermeisterin in einer Stellungnahme. © Kristina Stecklein

Wietzen - von Kristina Stecklein. In Wietzen herrscht Chaos – entgegen aller Meinungen und Gerüchte liegt der Grund jedoch weniger im Gasthaus Horstmann, welches aktuell von zirka 27 Flüchtlingen bewohnt wird, als in der Kommunikation. Seit einigen Tagen haben der Landkreis Nienburg, die Samtgemeinde Marklohe sowie das Gasthaus selbst mit schweren Vorwürfen zu kämpfen: Die Flüchtlinge seien dort unter menschenunwürdigen Zuständen untergebracht.

Das Gasthaus Horstmann in Wietzen dient bereits seit einigen Monaten als Unterbringung für Flüchtlinge. „Erst war das Ganze überschaubar“, erinnert sich Marklohes Samtgemeindebürgermeisterin Dr. Inge Bast-Kemmerer. „Dann kamen 20 Personen auf einmal. Die Familien mussten kurzfristig untergebracht werden und deshalb wurde zunächst das ein oder andere Zimmer bei Frau Horstmann angemietet“, sagt sie. „In der Samtgemeinde Marklohe hatten wir wenig Zuweisungen“, fügt Fritz Jansen, Vertreter der Samtgemeindebürgermeisterin, an und betont, dass jetzt auch Marklohe als Gemeinde etwas machen müsse.

Bei einem Rundgang im Gasthaus wird deutlich: Es ist definitiv kein Fünf-Sterne-Hotel. Die Kochzeile ist alt und hat ihre besten Zeiten vermutlich in einem anderen Jahrtausend gehabt. Die Einrichtung erinnert an den klassischen Biedermeierstil – im Flur ist es dunkel, einzelne Etagenbetten sind provisorisch in den Zimmern aufgestellt. „Es handelt sich in diesem Fall um Notmöbilierung“, erklärt Bast-Kemmerer. In einer Stellungnahme veröffentlicht die Samtgemeinde Marklohe, sie sei sich bewusst, dass „die Räumlichkeiten im Gasthaus Horstmann beengt und veraltet sind und nicht dem modernen Standard entsprechen.“ Nichtsdestotrotz müsse die Gemeinde aufgrund des nicht sofort verfügbaren Wohnraums auf solche Gemeinschaftsunterkünfte zurück greifen. Die Alternative sei „die Unterbringung in öffentlichen Gebäuden, zum Beispiel Sporthallen, wo die Menschen ganz ohne Privatsphäre leben müssten.“ Jede Wohnung, die der Samtgemeinde angeboten wird, muss vorab renoviert werden. „Manchmal muss Teppich oder eine Leitung verlegt werden“, erklärt Bast-Kemmerer. „Es gibt eine ganze Reihe leerer Wohnungen. Leider wird uns nicht jede angeboten. Die Vermieter haben außerdem bestimmte Wünsche – sie wollen beispielsweise eher Familien oder eine bestimmte Nationalität haben“, fügt Jansen an. Diese „Wünsche“ müssten letztlich auch erfüllt werden, da die Menschen letzten Endes integriert werden sollen – und das auch längerfristig. „Die Chemie sollte deshalb schon stimmen“, gibt die Samtgemeindebürgermeisterin zu verstehen. Die Wohnungen werden außerdem zu ortsüblichen Mietpreisen von der Samtgemeinde bezogen.

Hanadi Yassine, ehrenamtliche Übersetzerin, weiß allerdings, dass sich die Flüchtlinge im Gasthaus nicht wohl fühlen. Zwei Bewohner hätten es keine zwei Tage ausgehalten und haben daraufhin Zuflucht bei anderen Familien und Freunden gesucht. Es sei letztlich viel zu eng und die Gerüche, die beispielsweise aus der Toilette kommen, extrem unhygienisch. Zudem müssten sich die Menschen, unabhängig von Alter, Geschlecht und Nationalität ein Zimmer teilen. Auch hier betont die Samtgemeindebürgermeisterin, dass die Alternative eine Sporthalle sei, die deutlich weniger Privatsphäre zulasse. „Wir müssen den angebotenen Wohnraum in Anspruch nehmen“, erklärt Bast-Kemmerer. Dabei stand die dauerhafte Unterbringung der Menschen im Gasthaus nie zur Debatte. „Wir kümmern uns zuerst um die Vermittlung von Familien oder schwangeren Frauen, dann werden Alleinstehende umquartiert“, sagt sie. Dies sei der Grund, wieso manche Flüchtlinge länger im Gasthaus untergebracht seien, als andere.

Auffällig ist, dass die Räumlichkeiten beim Rundgang viel sauberer als zuvor erscheinen. Ein Mann zeigt auf zwei weitere Mitbewohner, die mit ihm aufgeräumt haben sollen. „Ich habe ihnen gesagt, dass sie ihre Räume selbst sauber halten müssen“, gibt die Wirtin des Gasthauses, Brigitte Horstmann, zu.

In einem der letzten Zimmer liegt schließlich ein junger Mann im Bett, der offensichtlich krank ist und Schmerzen hat. Auf die Frage, wie lange er sich schon in diesem Zustand befindet, antwortet ein anderer Jugendlicher im gebrochenen Englisch: „Vier Monate“ und streckt dabei vier Finger in die Luft. Schließlich stellt Hanadi Yassine klar, dass es sich nicht um vier Monate, sondern um vier Tage handeln muss. Doch auch da sind sich Brigitte Horstmann und Walter Seegers von der Flüchtlingshilfe Wietzen uneinig. Einen Tag zuvor soll der junge Mann noch fit ausgesehen haben. Diese Aussage unterstützt auch Marklohes Samtgemeindebürgermeisterin, die am selbigen Tag den Deutschkurs der Flüchtlinge besucht hat. Einen Krankenwagen möchte der kranke Mann allerdings nicht rufen lassen.

Es wird schnell deutlich: Hier fehlt es an erfolgreicher Kommunikation. In naher Zukunft wird es eine zuständige Person geben – zumindest was Verwaltung und Organisation betrifft – die sich um die alleinige Sachbearbeitung in solchen Angelegenheiten kümmern kann. Zudem soll das Gasthaus ab Ende April beziehungsweise Anfang Mai komplett angemietet werden, sodass die Miete insgesamt weitaus günstiger wird, als bislang. In wenigen Tagen werden vier weitere Wohnung für den Bezug der Familien fertig. Neben erfolgreicher Kommunikation ist demnach ein weiterer Aspekt wichtig – die Geduld.

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