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Gurlitt-Fund keine 50 Millionen wert

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Robert Ketterer
Auktionshaus-Chef Robert Ketterer hält Gurlitts Bilder für weitaus weniger wertvoll als bisher angenommen. © picture alliance / dpa

München - Auktionshaus-Chef Robert Ketterer hält den Gurlitt-Fund für weniger wertvoll als bisher angenommen. Derweil wird die Kritik an den Behörden lauter.

Die bei dem Kunsthändlersohn Cornelius Gurlitt beschlagnahmte Kunstsammlung ist nach Einschätzung eines führenden Auktionshauses weniger als 50 Millionen Euro wert. Er schätze den Wert der mehr als 1400 Werke, von denen der größte Teil Papierarbeiten seien, auf bis zu 30 Millionen Euro, sagte der Münchner Auktionshauschef Robert Ketterer am Mittwoch der Nachrichtenagentur dpa. In Medien war über einen Wert von mehr als einer Milliarde Euro spekuliert worden. Die Behörden hatten nach Angaben der Staatsanwaltschaft bei Gurlitt bereits im Frühjahr 2012 fast 1300 ungerahmte und rund 120 gerahmte Bilder beschlagnahmt, darunter Werke von Picasso oder Chagall.

Bausback will in seinem Ministerium aufräumen

Bayerns Justizminister Winfried Bausback (CSU) will nach dem Kunstfund von München in seinem Ministerium aufräumen. Fünf Berichte über die Bildersammlung seien im Justizministerium angekommen, einige davon wurden nach Angaben Bausbacks von dem persönlichen Referenten seiner Amtsvorgängerin Beate Merk (CSU) abgezeichnet - ohne die Chefin zu informieren. Merk und ihr Nachfolger Bausback erfuhren nach eigenen Angaben erst aus den Medien von dem Fund. Künftig soll es eine regelmäßige Besprechung über wichtige laufende Verfahren geben.

Bausback bemängelte am Mittwoch die Aufarbeitung mutmaßlicher NS-Raubkunst: „An diesem Verlauf ist aus heutiger Sicht zu kritisieren, dass die Provenienzrecherche lange - zu lange - gedauert hat.“ Mehr als ein Jahr lang nur eine einzige Expertin mit der Begutachtung der Bilder zu beauftragen, sei deutlich zu wenig gewesen.

Nazi-Raubkunst: Werke aus dem Gurlitt-Fund

Laut Bausback müsse bei den gut 1400 in der Wohnung Gurlitts gefunden Bildern bei 977 die Herkunft geklärt werden. "Von den zu untersuchenden 977 Werken sind 384 Werke der sogenannten entarteten Kunst zuzurechnen", sagte Bausback. Diese Bilder seien in Museen beschlagnahmt worden. Bei 593 Werken sei zu prüfen, ob es sich um NS-Raubkunst handele.

Behörden wussten deutlich früher von der Bedeutung des Kunstfunds

Das bayerische Justizministerium hat deutlich früher als bisher bekannt Hinweise auf mögliche NS-Raubkunst beim Münchner Kunsthändler-Sohn Cornelius Gurlitt bekommen. Schon im November 2011 habe der Generalstaatsanwalt das Ministerium informiert, der dem Zoll aufgefallene Gurlitt könne womöglich NS-Raubkunst besitzen, sagte Bayerns Justizminister Winfried Bausback (CSU) am Mittwoch im Landtag. Gurlitt lehnt bislang Absprachen über eine Rückgabe eines Teils seiner Bilder ab.

Der Fund des gut 1400 Bilder umfassenden Kunstschatzes im Februar 2012 in Gurlitts Münchner Wohnung war erst zu Beginn diesen Monats durch einen "Focus"-Bericht bekannt geworden. Seither gibt es internationale Kritik an den deutschen Behörden, sie hätten die möglichen Erben der Besitzer angesichts der Bedeutung des Funds früher unterrichten müssen.

Mit dem Kunstausschuss des Landtags befasste sich erstmals die parlamentarische Ebene mit dem Fall. Bausback zufolge kontaktierte der Generalstaatsanwalt am 22. November 2011, also kurz nachdem Gurlitt dem Zoll aufgefallen war, das Justizministerium. In der Mitteilung habe es geheißen, Gurlitt könne über "NS-verfolgungsbezogene Bilder" verfügen, da dessen Vater im Nationalsozialismus in den Handel mit den Bildern involviert war. Auch sei das Ministerium über eine beabsichtigte Durchsuchung bei Gurlitt informiert worden. Bislang hatte es geheißen, das Justizministerium wurde erst nach dem Bilderfund 2012 informiert.

Bausback räumte das Versagen des Bunds und der bayerischen Landesregierung bei der Aufklärung der Herkunft der Bilder ein. Es sei zu kritisieren, dass die beteiligten Stellen nicht früher darauf hingewirkt hätten, dass die Herkunft der Bilder mit mehr Sachverständigen geprüft werde. "Gerade die Fragen der Provenienz sind der politische Sprengstoff dieses Fundes," sagte Bausback. "Bund und Länder hätten hier früher mehr Experten an die Provinienzrecherche setzen müssen."

Noch kein Termin mit Gurlitt vereinbart, um die Bilder zurückzugeben

Bei den etwa 300 Bildern, die Gurlitt rechtmäßig gehören, gelang bislang noch keine Rückgabe. Generalstaatsanwalt Christoph Strötz sagte in dem Kunstausschuss, die Behörden hätten Kontakt zu Gurlitt gesucht. Dieser habe sich bislang jedoch nicht dazu bereit erklärt, einen Termin zu vereinbaren, um "diese Bilder auch zurückzunehmen".

Die Vorsitzende der Regierungs-Taskforce zu dem Fall, Ingeborg Berggreen-Merkel, sagte, sie suche das Gespräch mit Gurlitt. "Wann, kann ich nicht sagen, das hängt auch an Herrn Gurlitt." Der bei den Ermittlungen federführende Augsburger Oberstaatsanwalt Reinhard Nemetz wehrte sich gegen den Vorwurf, die Öffentlichkeit zu spät unterrichtet zu haben. "Man kann es in dieser Angelegenheit niemandem Recht machen. Wir versuchen aber, es der Strafprozessordnung Recht zu machen," sagte Nemetz.

Der Kunstfund beeinflusste auch den Koalitionsvertrag der geplanten großen Koalition. Darin kündigen Union und SPD an, die Mittel für die Provenienzforschung zur Herkunft von NS-Raubkunst zu verstärken.

dpa

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