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Belästigt, verfolgt, begrapscht

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Ob verbal oder körperlich: Sexuelle Belästigungen gibt es an der Bremer Schlachte häufiger als der Polizei bekannt ist (Szene nachgestellt). Foto: PLEUSS
Ob verbal oder körperlich: Sexuelle Belästigungen gibt es an der Bremer Schlachte häufiger als der Polizei bekannt ist (Szene nachgestellt). © Foto: PLEUSS

Besonders in den Sommermonaten fallen in Bremen am Bummel-Boulevard Schlachte immer wieder Sprüche. Und nicht nur das: Frauen werden belästigt, verfolgt und begrapscht.

Bremen - Von Alina Pleuss. „Ey, Schnecke! Geiler Arsch, dreh Dich mal um!“, „Na, Süße, komm mal her zu mir!“ Kommentare, mit denen Frauen bedrängt werden. Besonders in den Sommermonaten fallen solche Sprüche in Bremen am Bummel-Boulevard Schlachte immer wieder. Und nicht nur das: Frauen werden belästigt, verfolgt und begrapscht. Nur die Polizei hat davon bisher wenig mitbekommen.

Schlachte in Bremen: Frauen werden belästigt

Gemeldete Fälle von sexueller Belästigung hat es laut Polizeisprecherin Franka Haedke in diesem Jahr bislang nur einen gegeben. Unsere wochenlange Recherche lässt allerdings ein anderes Bild erahnen.

„Ich wollte mit meinem Freund so gegen 20 Uhr nochmal raus. Ein kleiner Spaziergang an der Schlachte“, erzählt Lisa (27). Ihr Name ist ebenso wie der von anderen Betroffenen sowie Zeugen geändert, alle sind der Redaktion bekannt. „Nach kurzer Zeit hat mir ein angetrunkener Mann, der im Außenbereich einer Bar saß, hinterhergeschrien, dass ich einen hübschen Arsch hätte. Ich habe mich extrem unwohl gefühlt und wollte ab dem Zeitpunkt eigentlich nur noch nach Hause“, erzählt Lisa. Nachdem sie nicht darauf reagiert habe, sei der Mann wütend geworden. Er habe gerufen: „Na ja, habe auch schon bessere Ärsche gesehen!“

Für Lisa war das alles sehr unangenehm, wie sie sagt. „Das war nicht nur peinlich, das war ein Kommentar zu meinem Körper, um den ich nicht gebeten hatte“, erzählt sie noch immer betroffen. „Viele haben mich angeguckt, und ich habe mich schuldig gefühlt.“

Bremen: Szene mit Jugendlichen an der Schlachte

Doch Lisa ist nicht die einzige, auf die wir vor Ort gestoßen sind: Marie muss häufig an der Schlachte entlang – kein Vergnügen für sie. Auf den Stufen zur Weser habe sich seit zwei, drei Jahren im Sommer eine Szene mit mehreren Gruppen von männlichen Jugendlichen entwickelt, wie sie bisher am Hauptbahnhof zu finden war. Immer mal wieder wird sie auf dem Heimweg von der Arbeit verfolgt – wenn andere Passanten von vorn kommen, drehen die jungen Männer ab. „Kein schönes Gefühl“, sagt die 45-Jährige. Kleine Straßen an der Schlachte meidet sie inzwischen, geht Umwege.

„Sexuelle Belästigung ist an der Schlachte ein massives Problem.“

Ein Stammgast der Schlachte-Promenade erzählt: „Blöde Sprüche gibt es hier zuhauf. ,Hey, Schätzchen‘ oder ,Hey, Süße‘, das hörst Du hier ständig. Von körperlichen Übergriffen habe ich aber noch nichts mitbekommen. Ich denke, das ist die Ausnahme.“ Ein weiterer Stammgast hingegen sagt: „Sexuelle Belästigung ist an der Schlachte ein massives Problem.“ Zwei Passanten bestätigen das: „Wir haben schon viele Geschichten von Freundinnen gehört. Ihnen wurde hinterhergepfiffen oder sie bekamen unschöne Sprüche zu hören. Gerade, wenn man als Frau nachts alleine an der Schlachte unterwegs ist, muss man aufpassen“, sagt ein junger Mann. Tatjana berichtet sogar von einem körperlichen Übergriff: Ihr fasste ein Mann an der Schlachte ans Gesäß.

Polizei Bremen auch in Zivil an der Schlachte unterwegs

Was unternimmt die Polizei gegen die Belästigungen, wie beugt sie vor? „Die Polizei setzt auch Kräfte in Zivil im Bereich der Schlachte ein. Auch der Ordnungsdienst ist dort regelmäßig präsent und wird im eigenen Zuständigkeitsbereich tätig“, erklärt Pressesprecherin Haedke weiter. Aber: Auch dem Ordnungsdienst liegen laut Haedke hinsichtlich der geschilderten Vorfälle keine weiteren Beschwerden vor.

Der Leiter des neuen Ordnungsdienstes, Uwe Papencord, sagt, dass die Zuständigkeit in Fällen von Belästigungen gegen Frauen bei der Polizei liege. „Das ist kein Thema des Ordnungsdienstes, weil es sich bei Belästigung um eine Straftat handelt“, betont Papencord. Der Dienst ist bis 22 Uhr unterwegs. Laut Rose Gerdts-Schiffler, Pressesprecherin des Innensenators, ist der Ordnungsdienst unter anderem in den Bereichen Unordnungserscheinungen, Jugendschutz, aggressives Betteln und Verhalten von Gruppen, die in der Öffentlichkeit exzessiv Alkohol konsumieren, zuständig. Wer regelmäßig an der Schlachte unterwegs ist, sieht letztere häufig.

Papencord betont: „Wenn Hilfe gefragt ist, sind wir vom Ordnungsdienst die letzten, die das verweigern.“ Wenn ein Mitarbeiter sähe, wie eine Frau sexuell belästigt werde, könne er die Polizei verständigen. „Wir dürften den Mann auch solange festhalten. Aber das alles setzt ein entsprechendes Signal von der belästigten Person voraus“, erläutert er weiter.

Polizei Bremen reagiert auf Schwerpunkte

Die stellvertretende Abteilungsleiterin des Polizeikommissariats Mitte/West, Svenja Beckendorf, sagt auf Nachfrage: „Wir reagieren auf Schwerpunkte, die von uns verifiziert werden.“ Solange keine Anzeigen vorlägen, könne die Polizei nicht reagieren. Sie rät allen Frauen, die mit Belästigungen konfrontiert werden, zunächst deutlich zu sagen: „Nein, ich möchte das nicht, gehen Sie weg!“ Zudem sollten sich Frauen an andere Personen in der Umgebung wenden. Gerade an der Schlachte könne man in den Gastronomien um Hilfe bitten. Ansonsten sollten sich die Frauen direkt an die Polizei unter der Rufnummer 110 wenden. „Es entscheidet dann natürlich immer der Einzelfall, ob eine Straftat vorliegt“, sagt Beckendorf.

Marie wünscht sich, dass die Beamten in Zivil und in Uniform mehr Präsenz im Bereich der Schlachte zeigen. „Besonders abends“, betont die Bremerin.

Notruf Bremen

Der „Notruf Bremen – Psychologische Beratung bei sexueller Gewalt“ hatte 2017 das Projekt „Ist Luisa da?“ ins Leben gerufen. Mädchen und Frauen, die sich bedrängt fühlten, konnten mit dem Code das Barpersonal ansprechen und erhielten diskrete Hilfe. Die Angestellten riefen entweder ein Taxi oder brachten die Frauen in einen geschützten Nebenraum. Doch mit der Bremer „Luisa“-Kampagne ist vorerst Schluss.

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