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Corona-Intensivpflegerin rüttelt uns auf: „Ich heule mittlerweile jeden Tag“

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Marie Krzykalla arbeitet als Gesundheits-und Krankenpflegerin in einer Berliner Klinik.
Marie Krzykalla arbeitet als Gesundheits-und Krankenpflegerin in einer Berliner Klinik. © Privat/Marie Krzykalla

Es ist ein Einblick in den bitteren Klinikalltag in Coronavirus-Zeiten: Pflegerin Marie Krzykalla berichtet über die Qualen von Patienten und ihren Kollegen.

Berlin - Marie Krzykalla bemüht sich jeden Tag mit ihren Kolleginnen und Kollegen um das Leben von Corona-Patienten. Sie ist Gesundheits-und Krankenpflegerin auf einer Berliner Intensivstation*. In der ersten Reihe im Kampf gegen das Virus. 

Umso enttäuschender war ein Erlebnis, das sie 25-Jährige jüngst in einem Supermarkt hatte. Dieser Rückschlag hat sie so sehr beschäftigt, dass sie sich nun mit einem Facebook-Beitrag an die Öffentlichkeit wandte. Mittlerweile wurde er von Tausenden geteilt. Viele danken ihr und bekunden ihren Respekt. Ob ihre Sätze auch die Uneinsichtigen aufrütteln werden? 

Bittere Begegnung in einem Supermarkt wühlt Corona-Krankenpflegerin innerlich auf

Krzykalla schreibt, dass ihr ein anderer Kunde im Supermarkt zu nah gekommen sei. Freundlich bat sie ihn darum, den vorgegebenen Mindestabstand zu wahren. „Dieser Coronakram geht mir auf den Sack“, pflaumte er zurück. Geduldig versuchte Marie Krzykalla ihm zu erklären, dass sie auf einer Intensivstation arbeite und die Situation dort wirklich ernst ist. Doch auch von diesen Erfahrungen aus erster Hand ließ sich der Mann nicht beeindrucken: „Ich kann ja nichts dafür, dass sie da arbeiten. Gucken Sie nach vorne, da haben Sie Ihren Abstand“, patzte er weiter. 

In diesem Moment war Marie Krzykalla erstmal „baff“, doch daheim öffnete sie Facebook und arbeitete die Situation auf. Es sind Worte, die nahe gehen - und zum Nachdenken anregen. Sie verfasste die Zeilen nicht nur für sich, sondern für alle Mitarbeiter im Gesundheitswesen. 

Lesen Sie auch: RKI-PK: Ansteckungsrate wieder gefährlich gestiegen*

Coronavirus: „Es sterben jeden Tag Menschen nach langer Zeit Quälerei im Krankenhaus“

Für alle, die jetzt sagen, die Zahlen gehen runter etc., denen muss ich klar entgegnen: es ist schlimm. Es sterben jeden Tag Menschen nach schlimmen Verläufen und langer Zeit Quälerei im Krankenhaus. Die Kolleg*innen (Ärzt*innen und Pflegekräfte) stehen in voller Montur stundenlang an den Betten und versuchen wirklich alles, um die Menschen durchzubringen. Wenn man in einem Coronazimmer ist, bist du eingewickelt mit Schutzkleidung. Darunter schwitzt du, kriegst schlecht Luft, kannst dich nicht mal kratzen, wenn was juckt. Du kannst stundenlang nicht aus der Kleidung raus, kannst nichts trinken, nicht auf Toilette. Stundenlang. Dabei musst du dich die ganze Zeit konzentrieren, darfst keine Fehler machen. Stellst deine eigenen Bedürfnisse komplett hinten an.“

Die Begegnung im Supermarkt hat sie emotional aufgewühlt  - zumal es nicht die erste dieser Art war: „Ich heule mittlerweile jeden Tag nach solchen Begegnungen.“ Ihr sei es unbegreiflich, wieso sie und ihre Kollegen sich für Menschen wie dem ignoranten Kunden im Supermarkt zerreißen müssen. Ihre Schilderung der Situation auf der Intensivstation sei keine Übertreibung, sondern „bittere Realität“. 

Berliner Pflegerin hat deutliche Corona-Botschaft an Ungeduldige und Ignoranten: „Reißt euch zusammen!“

Gerne würde sie mit Menschen tauschen, denen jetzt langweilig sei und die sich über „Lagerkoller“ beschweren. „Ich wünschte mir, ich wäre in dieser Situation. Stattdessen muss ich und viele andere ins Krankenhaus und meine Gesundheit aufs Spiel setzen.“

Am Ende hat sie noch eine deutliche Botschaft: „Reißt euch zusammen!“ Ein wichtiger Aufruf in Tagen, in denen die Rufe nach Lockerungen stetig lauter werden* - und die Disziplin bei der Einhaltung der Corona-Schutzmaßnahmen abnimmt*.

Angesichts des eindringlichen Facebook-Posts der Intensivpflegerin ist es besonders unfassbar, dass der Berliner Virologe Christian Drosten Morddrohungen wegen seiner Empfehlung zu Coronavirus-Maßnahmen erhält. In einem Interview mit dem britischen Guardian erzählt Drosten, dass er für viele Deutsche der „böse Kerl“ sei, der die Wirtschaft kaputt mache, weil die Läden geschlossen bleiben würden. Doch nicht die Morddrohungen, sondern andere Mails besorgter Bürger halten den Virologen nachts wach.

Jetzt befassen sich Mediziner und Forscher mit einer neuen Beobachtung zu Komplikationen: Immer mehr Menschen leiden auch unter Blutgerinnseln.

afp

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