Zudem drücke er sich sehr vorsichtig in den Medien aus. „Er geht verantwortungsvoll mit seinem Experten-Status um“, fasst die Chemikerin zusammen.
Nicht so Prof. Streeck. „MaiLab“ bezieht sich dabei unter anderem auf eine Aussage von Streeck bei Markus Lanz*. Dort hatte der Virologe in Bezug auf die Modellrechnungen zum Verlauf der Corona-Pandemie erklärt, dass nur ein Faktor in der mathematischen Rechung falsch sein müsse. „Dann fällt das alles zusammen wie ein Kartenhaus.“
Eine Aussage, die Nguyen-Kim besonders missfällt. „Das ist eine Verkürzung, die bei Laien das Vertrauen in die wichtige Arbeit von Epidemiologen und deren Modellrechnungen erschüttern kann“, erklärt sie. Zwar treffe man bei diesen Modellrechnungen noch einige Annahmen, doch dafür „macht man ja auch verschiedene Szenarien auf“.
Man verlasse sich nicht auf einzelne Parameter, sondern auf ganze Parameterbereiche. Damit eine Modellrechnung tatsächlich zusammenfällt wie ein Kartenhaus, „müssten die Parameter schon in einer völlig anderen Größenordnung liegen.“
Ähnliche Kritik äußert „maiLab“ in Bezug auf den Umgang mit der Heinsberg-Studie. Prof. Streeck gilt als Gesicht dessen. Diese Studie hatte die Sterblichkeitsrate durch das Coronavirus auf 0,37 Prozent ermittelt - und damit den Bereich vorangegangener Studien bestätigt. Der Tenor in den Medien als Reaktion auf diese Studie war jedoch, dass die Heinsberg-Studie Hoffnung auf eine Lockerung der Corona-Maßnahmen mache.
Wie passt das zusammen? Nguyen-Kim weiß es: „Gar nicht!“ Hier haben „What“ und „So What“ nichts miteinander zu tun, erklärt sie und betont: Die Kommunikation muss wissenschaftlich korrekt sein. Und so kommt „maiLab“ zum Schluss, dass Streeck zwar sauber in der Forschung ist, „in der Kommunikation ist er es leider nicht.“
Und Prof. Kekulé? Hierfür zieht Nguyen-Kim eine Aussage von Wissenschaftsjournalist Volker Stollorz (Leiter des Media Science Centers in Köln) hinzu. Dieser hatte gegenüber „radioeins“ verraten, dass Kekulé in den vergangenen Jahren zum Fortschritt der Virologie „nichts mehr beigetragen“ hat. Mehr noch: „Über Coronaviren hat er faktisch nie publiziert.“
Er nutze seine Autorität als Professor geschickt, um seine Meinung zu äußern und suche das Rampenlicht. Das sei natürlich lukrativ für Journalisten. „MaiLab“ möchte Prof. Kekulé dennoch die „virologische und epidemiologische Fachexpertise“ nicht absprechen: „Grundsätzlich finde ich nicht, dass man selbst an Corona forschen muss, um einer breiten Öffentlichkeit die wissenschaftlichen Grundlagen zu erklären.“
Nur dürfe man Medienpräsenz nicht automatisch gleichsetzen mit Kompetenz. Genau das geschehe aber in der breiten Masse. So fordert „maiLab“: „Je größer die Reichweite, desto verantwortlicher muss man mit seiner Wissenschafts-Kommunikation und seinem Expertenstatus umgehen.“
Diese Verantwortung sieht die Chemikerin bei Kekulé offenbar nicht. Zudem gebe es in seinen Aussagen einige Widersprüchlichkeiten. Bei den Recherchen für das Video habe ihr Team teilweise Probleme gehabt, „die wissenschaftliche Grundlage für seine sehr klaren Ansagen nachzuvollziehen“.
„MaiLabs“ Schluss: Wenn das „What“ schon nicht schlüssig ist, sollte man sehr vorsichtig sein, so klare „So What“-Aussagen zu treffen.
Dennoch ist sich Nguyen-Kim sicher, dass man mehr Fachleute in den Medien brauche. So gewinne man an Nachvollziehbarkeit und Verständnis für die nächsten Entscheidungen. „Ansonsten entsteht nur mehr Platz für Akteure, die es mit der wissenschaftlichen Korrektheit nicht so ernst nehmen“, betont sie.
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Ob Trump gegen Twitter oder Drosten gegen Bild. In der Corona-Krise zeigt sich eine ganz neue Qualität der Bedeutung sozialer Medien.