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Coronavirus-Besucherlisten: Gastronomie-Gäste müssen bei falschen Kontaktdaten zahlen

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Corona-Kontaktzettel: Bei offenkundig falschen Angaben müssen Gastronomen aktiv werden.
Corona-Kontaktzettel: Bei offenkundig falschen Angaben müssen Gastronomen aktiv werden. © Leon Schmitt/Fuldaer Zeitung

Ein Coronavirus-Ausbruch in Fuldas Kneipenviertel und die darauf folgende schwierige Nachverfolgung der Kontaktpersonen haben Fragen aufgeworfen: Müssen Besucher in Kneipen und Restaurants ihren Personalausweis vorlegen, um ihre Kontaktdaten zu bestätigen? Und dürfen Polizisten Besucherlisten für strafrechtliche Ermittlungen nutzen? Bei falschen Angaben kann es künftig teuer werden.

Update vom 29. September, 18.45 Uhr: Besucher von Restaurants oder anderen Gastwirtschaften, die auf Corona-Besucherlisten falsche Angaben zu ihrer Person machen, müssen künftig mit einem Mindestbußgeld von 50 Euro rechnen. Das beschlossen die Ministerpräsidenten der Länder am Dienstag bei ihrer Videoschalte mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

Coronavirus-Besucherlisten in Restaurants und Gaststätten: Bußgeld bei falschen Angaben

Für die konkrete Umsetzung sind die Länder selbst verantwortlich - über entsprechende Änderungen in ihren Corona-Verordnungen und Bußgeldkatalogen. Offen blieb zunächst, wie die Bußgeldregel konkret angewandt werden soll, wenn beispielsweise durch Eintrag eines falschen Namens gar nicht klar ist, um wen es sich handelt.

Update vom 6. August, 19.52 Uhr: Laut der hessischen Corona-Verordnung dürfen die Kontaktdaten „ausschließlich zur Nachverfolgung von Infektionen“ verwendet werden. Allerdings wurde bekannt, dass die Polizei bereits Corona-Daten für andere strafrechtliche Ermittlungen angefordert hat. Solche Fälle gab es in Bayern, Hamburg und Rheinland-Pfalz. „Bislang wurden seitens der osthessischen Polizei keine Corona-Kontaktzettel sichergestellt“, erklärt das Polizeipräsidium in Fulda nun.

Corona-Daten: Dürfen Polizisten Gästelisten für Ermittlungen benutzen?

Auf die Frage unserer Zeitung, ob die Polizisten in Osthessen dies künftig in Erwägung ziehen könnten, heißt es: „Zur Aufklärung einer Straftat kann die Beschlagnahmung beziehungsweise die Sicherstellung von Gegenständen grundsätzlich nach den allgemeinen strafverfahrensrechtlichen Vorgaben der Strafprozessordnung erfolgen.“ Voraussetzung sei, dass die Sicherstellung für das Ermittlungsverfahren von Bedeutung ist. Die Entscheidung darüber fälle ein Ermittlungsrichter, bei Gefahr im Verzug könne dies auch die Staatsanwaltschaft anordnen.

Datenschützer: Die Nutzung der Daten ist nur für Corona-Nachverfolgung zulässig

Bei Datenschützer Michael Ronellenfitsch stößt die Nutzung von Corona-Daten durch die Polizei für strafrechtliche Ermittlungen auf deutliche Kritik: „Die Nutzung der Daten ist aus meiner Sicht ausschließlich zur Kontaktverfolgung im Rahmen des Infektionsschutzes zulässig.“ Auch unabhängig von der Rechtslage sei die Verwendung „äußerst problematisch“. Die Bevölkerung habe die gravierenden Beschränkungen in die informationelle Selbstbestimmung – also die Angabe von Daten bei Restaurantbesuchen – nur deshalb akzeptiert, weil sie davon ausgehen konnte, dass es sich um eine vorübergehende singuläre Maßnahme handele. Dieses Vertrauen dürfe jetzt nicht aufs Spiel gesetzt werden.

Update vom 26. Juli, 15.06 Uhr: Dehoga-Präsident Gerald Kink und Sozial- und Integrationsminister Kai Klose appellieren an die Bürgerinnen und Bürger, die Pflicht, bei Besuchen in Restaurants persönliche Angaben zu machen, ernst zu nehmen: „Geben Sie bitte Name, Anschrift und Telefonnummer korrekt an. Das ist ein wichtiger Baustein, um im Falle einer Infektion die Kontaktpersonen zügig ermitteln und informieren zu können. Es schützt nicht nur andere, sondern stellt auch sicher, dass Sie selbst im Fall des Falles zeitnah über ein Infektionsrisiko informiert werden können.“ Alle Maßnahmen, so der Minister in einer Pressemitteilung des Sozialministeriums weiter, setzen auf die Vernunft und Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger. Die Landesregierung vertraue darauf, dass diese ein eigenes und gemeinsames Interesse haben, die Nachverfolgung von Infektionsketten zu ermöglichen.

Stellvertretend für die hessischen Gastronomen, die zur Mitwirkung bei der Aufnahme der Kontaktdaten in ihren Betrieben verpflichtet sind, bittet der Präsident des Hotel- und Gastronomieverbandes Dehoga Hessen, Gerald Kink, die Gäste um ihre Mithilfe: „Machen Sie es uns nicht unnötig schwer und helfen Sie solidarisch der Gemeinschaft. Seine Kontaktdaten zu hinterlassen ist nicht gleich der ‚Untergang des Abendlandes‘, aber dient im Infektionsfall unser aller Gesundheit.“ Gleichzeitig ermahne er alle Kolleginnen und Kollegen zur Einhaltung der Corona-Regeln.

Wie lange sind die Daten gespeichert?

Wie das Hessische Sozialministerum bekannt gab, sind die erfassten personenbezogenen Daten für die Dauer eines Monats ab Beginn des Besuchs geschützt vor Einsichtnahme durch Dritte und werden nach Ablauf der Frist sicher und datenschutzkonform gelöscht. Die Gesundheitsbehörden erhalten diese Daten nicht automatisch, sondern nur auf Anforderung, wenn dies zur Nachverfolgung von Infektionsketten erforderlich ist.

Die Bestimmungen der Artikel 13 (Informationspflicht), 15 (Auskunftsrecht), 18 (Recht auf Einschränkung der Verarbeitung) und 20 (Recht auf Datenübertragbarkeit) der Datenschutz-Grundverordnung finden keine Anwendung; die Gäste sind über diese Beschränkungen zu informieren.

Knifflige Fragen um Coronavirus-Kontaktzettel: Darf ein Wirt die Personalausweise kontrollieren?

Erstmeldung vom 23. Juli, 16.34 Uhr: Fulda - Vor wenigen Tagen haben Corona-Fälle im Schöppchen in Fulda Aufsehen erregt. Eine mit dem Coronavirus infizierte Person hatte sich in der Kneipe im Bermudadreieck aufgehalten. Anschließend wurden zwei Mitarbeiter und vier Besucher positiv auf Covid-19 getestet. Vom Landkreis Fulda gab es in Folge der Corona-Fälle im Kneipenviertel heftige Kritik. Etwa ein Drittel der Kontaktzettel seien unleserlich oder vorsätzlich falsch ausgefüllt worden, was die Nachverfolgung der Kontaktpersonen enorm erschwert habe.

Eine Herausforderung sind die Kontaktzettel, die zur Nachverfolgung bei Coronavirus-Fällen dienen, nicht nur für das Gesundheitsamt in Fulda, sondern auch für die Kneipen selbst. Oft sei gar nicht ersichtlich, ob Name oder Telefonnummer richtig oder falsch seien, hat Windmühlen-Wirt Frank Götte in einem Gespräch mit der Fuldaer Zeitung gesagt*. „Da haben wir keinen Kontrollmechanismus, und den Ausweis dürfen wir uns nicht zeigen lassen“, so der Wirt.

Coronavirus-Kontaktzettel: Muss ich in der Kneipe meinen Personalausweis vorzeigen?

Ein anderer Gastronom hatte sich nach der Veröffentlichung des Textes bei unserer Zeitung gemeldet. Es sei nicht richtig, dass Mitarbeiter der Gastronomie kein Recht hätten, Ausweise zu kontrollieren. Vielmehr müssten sie ihrer Pflicht nach der Corona-Verordnung nachkommen und die Richtigkeit der Kontaktdaten sicherstellen.

Was stimmt nun? Dürfen Wirte Ausweise kontrollieren, um die Kontaktdaten auf Corona-Zettel zu überprüfen oder nicht? Eine Anfrage bei der Stadt Fulda ergibt folgende Antwort: „Die Vorlage eines Ausweises sieht die Corona-Kontakt- und Betriebsbeschränkungsverordnung nicht vor. Ob im Einzelfall der Gastwirt ergänzend einen Ausweis vorlegen lässt, um die Identität der Person zu kontrollieren beziehungsweise festzustellen, obliegt der Entscheidung des Gaststättenbetreibers im Rahmen seines Hausrechtes.“

Dehoga Hessen: Gastronomen haben nicht das Recht, Identitäten festzustellen

Ein Wirt darf also von seinem Hausrecht Gebrauch machen, wenn er die Korrektheit von Kontaktdaten anzweifelt? Der Hotel- und Gastronomieverband (Dehoga) Hessen sieht das anders. „Gastronomen haben nicht das Recht, sich Ausweise zeigen zu lassen“, sagt Hauptgeschäftsführer Julius Wagner im Gespräch mit unserer Zeitung.

Der Dehoga hat für das Gastgewerbe in Hessen wichtige Fragen zur Gästedatenerfassung beantwortet und an Gastronomen kommuniziert. Die Frage „‚Hafte‘ ich dafür, dass Gäste ihre korrekte Anschrift angeben?“ hat der Dehoga ausführlich beantwortet (siehe Infokasten).

„Haftet“ der Gastronom dafür, dass Gäste ihre korrekte Anschrift angeben?

Sie sind verpflichtet, die Vorgabe der Gästedatenerfassung umzusetzen. Sie haben hier eine Mitwirkungspflicht, das bedeutet: Sie müssen die Kontaktdaten aufnehmen beziehungsweise von den Gästen die dafür vorgesehenen Datenerfassungsbögen ausfüllen lassen.

Eine Ordnungswidrigkeit, die Bußgelder nach sich ziehen kann, begehen Sie, wenn Sie „grob fahrlässig“ oder willentlich gegen eine der Auflagen verstoßen. Das bedeutet, Sie müssen alles Erforderliche und Ihnen Zumutbare getan haben, um Ihre Mitwirkungspflicht zu erfüllen.

Im Klartext: Wenn Sie die Daten Ihrer Gäste gar nicht erfassen, verstoßen Sie willentlich gegen die Auflage. Wenn Sie falsche Daten aufnehmen, obwohl Sie das hätten richtig machen können, ist dies grob fahrlässig. 

Dass der „Kaiser von China“ oder „Daisy Duck“ Ihren Betrieb aufsucht, ist zum Beispiel augenfällig unwahrscheinlich. Wenn Sie solche Kreationen bemerken, handeln Sie sofort und bestehen Sie darauf, dass die „prominenten“ Gäste den Erfassungsbogen korrekt ausfüllen.

Schwieriger ist es bei ganz normalen bürgerlichen Namen... Eines ist allerdings ganz klar: Gastronomen sind nicht befugt, sich Ausweisdokumente oder ähnliches vorlegen zu lassen. Identitätsfeststellungen fallen in den Aufgabenbereich der staatlichen Organe!

Wenn Sie die Gäste per Aushang und mündlichem Hinweis über die Gästedatenerfassung aufgeklärt haben, und Ihnen nichts Ungewöhnliches bei den Daten auffällt, haben Sie Ihre Mitwirkungspflicht erfüllt und können nicht weiter belangt werden.

Quelle: Dehoga Hessen

Zusammengefasst heißt es in dem FAQ, dass Gastronomen zwar einer so genannten Mitwirkungspflicht nachkommen müssten, ihr Aufgabenbereich allerdings bei der Identitätsfeststellung ende. „Dazu sind nur staatliche Behörden befugt - und das auch nur bei einem Verdacht oder konkretem Anlass“, sagt Jurist Julius Wagner.

Fantasie-Name auf Coronavirus-Kontaktzettel: Wirt sollte sofort handeln

Die Mitwirkungspflicht beinhaltet laut Dehoga Hessen, dass der Gastronom sicherstellt, dass seine Gäste die Datenerfassungsbögen ausfüllen. Wenn er die Daten seiner Gäste gar nicht erfasst, verstoße er willentlich gegen die Auflage, was ein Bußgeld nach sich ziehen kann. Außerdem begehe der Betreiber eine Ordnungswidrigkeit, wenn er falsche Daten aufnimmt, obwohl er das hätte richtig machen können.

Bermudadreieck, Fuldas Kneipenviertel in der Innenstadt.
Im Bermudadreieck, Fuldas Kneipenviertel, kam es zum Corona-Ausbruch. © Sabrina Mehler/Fuldaer Zeitung

„Dass der ‚Kaiser von China‘ oder ‚Daisy Duck‘ Ihren Betrieb aufsucht, ist zum Beispiel augenfällig unwahrscheinlich. Wenn Sie solche Kreationen bemerken, handeln Sie sofort und bestehen Sie darauf, dass die ‚prominenten‘ Gäste den Erfassungsbogen korrekt ausfüllen“, kommuniziert der Dehoga an die Gastronomen in Hessen. Bei „ganz normalen bürgerlichen Namen“ (wie Max Müller) sei es schwieriger. Laut Julius Wagner habe der Wirt in einem solchen Fall keinen Grund zu zweifeln.

Wer Corona-Kontaktzettel nicht ausfüllt, muss Kneipe verlassen

Was ist, wenn Gäste sich weigern, ihre Kontaktdaten zu hinterlassen? Dann muss der Gastronom von seinem Hausrecht Gebrauch machen und die Gäste bitten, zu gehen, teilt der Dehoga mit. Laut Jurist Wagner gelte das auch dann, wenn der ‚Kaiser von China‘ nach der Bitte, den Bogen korrekt auszufüllen, weiter auf seinen Fantasienamen besteht.

Die Polizei in Fulda stimmt dem Dehoga zu: „Bei offenkundig falschen Angaben (Pseudonymen, ‚Spaßnamen‘) ist auf die korrekte Angabe der personenbezogenen Daten hinzuwirken oder vom Hausrecht Gebrauch zu machen“, heißt es in einer schriftlichen Antwort des Polizeipräsidiums Osthessen. Bei der Erfragung der Identität könne sich der Hausrechtinhaber den Personalausweis nur freiwillig vorlegen lassen.

Video zu einem Restaurantbesuch während der Coronavirus-Einschränkungen:

Dehoga Hessen: Ohne Solidarität sind Kontaktzettel unbrauchbar

Der Dehoga-Hauptgeschäftsführer plädiert dafür, bei dem Einholen von Kontaktdaten auf eine digitale Lösung - etwa über QR-Codes - zu setzen. Damit wäre zumindest der Unleserlichkeit abgeholfen. Für Gäste, die vorsätzlich falsche Kontaktdaten angeben, hat Julius Wagner nicht viel übrig: „Die Menschen tun sich und ihren Mitmenschen keinen Gefallen.“ Ohne Solidarität sei ein solches Konzept unbrauchbar.

Lesen Sie hier: Coronavirus-Fall im Kindergarten in Ehrenberg*. Und: Zwischenresümee der Corona-Krise in Fulda*. Außerdem: Hessentag in Fulda: IHK und Dehoga sind zuversichtlich*. *Fuldaer Zeitung.de ist Teil des Ippen-Digital-Netzwerks.

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