Der Inzidenzwert für ganz Deutschland bleibt derweil weiter über der kritischen Marke von 50 und liegt im Moment bei 60,3. Am höchsten ist der Inzidenzwert weiterhin in Berlin (105,5), Hessen (80,4) und Bremen (74,6), am niedrigsten in Mecklenburg-Vorpommern (19,8), Sachsen-Anhalt (23,0) und Schleswig-Holstein (25,6).
Update vom 23. Oktober, 17.22 Uhr: Schleswig-Holsteins Oberverwaltungsgericht hat das sogenannte Beherbergungsverbot für Touristen aus Corona-Hotspots gekippt. Das Gericht in Schleswig stufte die Regelung am Freitag als rechtswidrig ein. Es erklärte die Regelung in einem Eilverfahren für außer Vollzug gesetzt, bis eine Entscheidung in der Hauptsache getroffen ist.
Update vom 23. Oktober, 16.53 Uhr: In einem Schlachthof in Ulm haben sich 39 Mitarbeiter mit dem Coronavirus infiziert. Durch die regelmäßigen Reihentestungen könne sich die Zahl fortlaufend ändern. Der Alb-Donau-Kreis kündigte entsprechende Quarantäne- und Infektionsschutzmaßnahmen an. Im gesamten Alb-Donau-Kreis liegt die Inzidenz - auch wegen des Schlachthofausbruchs - bei 118,7.
Update vom 23. Oktober, 15.42 Uhr: Panne beim Robert-Koch-Institut: Wegen einer technischen Störung ist es am Donnerstag zeitweise zu Datenlücken bei der Übermittlung von Corona-Infektionszahlen aus den Bundesländern gekommen. Durch einen Ausfall eines Webservers beim RKI am Donnerstagnachmittag seien knapp drei Stunden bis 17.30 Uhr Übermittlungen von den Gesundheitsämtern zu den zuständigen Landesbehörden und von denen zum RKI gestört gewesen, teilte die Bundesbehörde mit.
Anschließend habe der Server aber wieder funktioniert und es sei auch noch sehr viel übermittelt worden. „Es kann aber sein, wenn ein Gesundheitsamt es nicht nach 17.30 Uhr noch mal versucht hat, dass diese Daten dann heute fehlen.“ Die fehlenden Daten würden am Freitag automatisch im Laufe des Tages mit übermittelt und erschienen dann am Samstag in der Publikation. „Wie groß die Datenlücke ist, kann sich erst dann zeigen“, ergänzte RKI-Sprecherin Susanne Glasmacher. Am Freitag meldete das RKI 11.242 neue Corona-Fälle. Vieles deutet aber darauf hin, dass die Zahlen tatsächlich höher sind als gemeldet.
In Nordrhein-Westfalen beispielsweise lag die Zahl der nachgewiesenen Corona-Neuinfektionen am Donnerstag offenbar deutlich höher als vom RKI gemeldet. Nach Angaben des NRW-Gesundheitsministeriums gingen am Freitag bei elf Kreisen und kreisfreien Städten in NRW null Neuinfektionen in die RKI-Statistik ein. Betroffen waren auch Großstädte und Corona-Hotspots wie Dortmund, Duisburg und Wuppertal. Diese Gebiete gelten definitiv nicht als „coronafrei“. Die Zahlen könnten letztlich erst am Samstag in die Statistik einfließen, sagte ein Ministeriumssprecher.
Update vom 23. Oktober, 14.39 Uhr: Die Gesundheitsämter in Berlin sind am Limit. Im Kampf gegen das Coronavirus setzt die Hauptstadt jetzt auf eine neue Strategie: Für Corona-Infizierte und Kontaktpersonen soll eine Pflicht zur Isolation und Quarantäne ohne eine individuelle amtsärztliche Anordnung gelten.
Update vom 23. Oktober, 14.22 Uhr: Mehr Corona-Patienten liegen im Krankenhaus und müssen auf der Intensivstation behandelt werden. Von den 1.121 Corona-Patienten, werden 478 invasiv beatmet, wie aus Zahlen des Intensivregisters der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) hervorgeht. Zum Vergleich: Vor einer Woche waren es noch 690 Corona-Patienten. 7784 Intensivbetten sind demnach noch frei. Darüber hinaus steht eine „Notfallreserve“ von 12 717 Intensivbetten bereit, die innerhalb von sieben Tagen verfügbar wären.
Laut DIVI-Präsident Uwe Janssen ist eine Überlastung der intensivmedizinischen Kapazitäten derzeit nicht zu erwarten, berichtet die Nachrichtenagentur dpa. Es gebe derzeit ausreichend Betten und medizinisches Gerät. Engpass werde - wie in jedem Winter - das fehlende Pflegepersonal.
Update vom 23. Oktober, 7.27 Uhr: Es ist der zweite Tag in Folge, an dem in Deutschland die registrierten Corona-Neuinfektionen die Marke von 11.000 überschreiten: Wie das Robert-Koch-Institut (RKI) am Freitagmorgen mitteilte, wurden am Vortag 11.242 neue Fälle erfasst - 45 weniger als am Mittwoch, als der bisherige Höchstwert für Deutschland ermittelt worden war. RKI-Leiter Lothar Wieler hatte die Pandemie-Lage hierzulande am Donnerstag als „sehr ernst“ eingestuft.
Wo ist die kritische Schwelle? Der Vorsitzende des Weltärztebundes hat sich bei der Frage jetzt auf eine Zahl festgelegt: „Bei 20.000 Neuinfektionen am Tag gerät die Lage außer Kontrolle“, sagte Frank Ulrich Montgomery der Rheinischen Post (Freitagsausgabe). „Dann wäre es für Gesundheitsämter nicht mehr möglich, die Infektionsketten nachzuverfolgen und zu unterbrechen. Dann droht uns ein zweiter Lockdown, weil sich das Virus anders nicht mehr bremsen lässt.“
Montgomery begrüßte dabei den aktuellen lokalen Lockdown im besonders betroffenen Landkreis Berchtesgadener Land. „So sollten bundesweit alle Orte mit solchen Inzidenzwerten reagieren“, sagte der frühere Präsident der Bundesärztekammer.
Die Verbandschefin der Ärzte im öffentlichen Gesundheitsdienst, Ute Teichert, sieht derzeit keinen Kontrollverlust der Gesundheitsämter, auch wenn es sicherlich die Problematik gäbe, „dass wir nicht mehr hinterherkommen mit der Personalsituation“. Das sagte Teichert am Donnerstagabend in den „Tagesthemen“ der ARD.
Auf die Frage, ob man sich bei der Kontaktnachverfolgung von der Verfolgung jedes einzelnen Falls verabschieden sollte, um lieber lokalen Häufungen nachzugehen und so die großen Infektionsketten zu brechen, sagte Teichert: „Tatsächlich wäre es gut, wenn man auf die Cluster vorwiegend gucken würde. Das würde aber bedeuten, dass man insgesamt einen Strategiewechsel in der Gesellschaft bräuchte.“
Das müsse man sich gut überlegen, und das müssten alle mittragen. Denn das bedeute im Endeffekt, dass man sich in Quarantäne begeben müsse, bloß weil man bei einem Cluster dabei war. Wenn man dies wolle, müssten dafür auch die rechtlichen Grundlagen geschaffen werden, so Teichert. „Ich glaube, dass das insgesamt schwierig wird.“
Update vom 22. Oktober, 22.50 Uhr: Die Zahl der Corona-Toten in Deutschland steigt offenbar wieder.
Laut Erhebungen der Johns Hopkins Universität wurden an diesem Donnerstag in der Bundesrepublik 17 neue Todesfälle im Zusammenhang mit dem Coronavirus gemeldet.
Konkret: Morgens, Stand 9.08 Uhr, waren es demnach nach 9911 Covid-19-Todesfälle insgesamt, Stand 22.35 Uhr dann 9928.
Update vom 22. Oktober, 20.40 Uhr: Die Covid-19-Lage in Deutschland ist ernst. Ein Virologe warnt jetzt wegen Corona vor überfüllten Krankenhäusern und fehlendem Personal. Und nicht nur das.
Update vom 22. Oktober, 19 Uhr: Immer wieder rücken sie in der Corona-Pandemie in Deutschland in den Fokus: Altersheime.
Die Sorge, dass sich gerade dort, wo Risikogruppen leben, reihenweise Menschen mit der Coronavirus infizieren, ist groß. Immer wieder gibt es Covid-19-Ausbrüche in Pflegeheimen.
Der jüngste Fall: im schwäbischen Mössingen nahe der Universitätsstadt Tübingen. Konkret: Zwölf Bewohner und fünf Mitarbeiter sind dort in einem Altersheim positiv auf das heimtückische Coronavirus getestet worden, wie das Haus mitteilte. Weiter hieß es, dass alle Betroffenen keine oder kaum Symptome zeigten.
Update vom 22. Oktober, 12.59 Uhr: Das RKI, das an diesem Donnerstag eine PK zur Corona-Lage gab (siehe vorheriges Update), empfiehlt das Tragen von Masken ausdrücklich. Nun äußert der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, Zweifel an ihrem Nutzen - zumindest von Alltagsmasken.
Er sei von ihnen nicht überzeugt, „weil es auch keine tatsächliche wissenschaftliche Evidenz darüber gibt, dass die tatsächlich hilfreich sind“, sagte er im ZDF-Talk von Markus Lanz vom Mittwochabend. „Schon gar nicht im Selbstschutz und wahrscheinlich auch nur ganz wenig im Schutz, andere anzustecken.“ Im Zusammenhang mit der Maskenpflicht sprach der Mediziner an einer Stelle von einem „Vermummungsgebot“.
Der SPD*-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach bezeichnete das in einem Tweet als „unentschuldbar“ für den „ranghöchsten deutschen Ärztefunktionär“. „Aus meiner Sicht ein Rücktrittsgrund, wenn er das nicht sofort zurücknimmt“, schrieb er.
Reinhardt sagte, er glaube, dass man den Mund-Nasen-Schutz tragen könne, wo man den Abstand nicht wahren könne, etwa im öffentlichen Nahverkehr oder in Räumlichkeiten, wo man notwendigerweise eng beieinander sei. Zum Tragen an der frischen Luft sagte er: „Ich glaube, dass das wenig bringen wird.“ An einigen Orten wurde die Maskenpflicht auch auf viel frequentierten öffentlichen Straßen und Plätzen angeordnet, an denen es nicht genug Raum zum Abstandhalten für alle gibt.
Update vom 22. Oktober, 11.34 Uhr: RKI-Präsident Lothar Wieler hat in der Corona-PK von diesem Donnerstag* (siehe die Updates von 9.59 Uhr an) vor allem zwei Appelle ausgesprochen: An die Gesundheitsämter den, trotz der derzeitigen teilweisen Überforderung durchzuhalten. Die Überforderungen einiger Gesundheitsämter seien „ernst und besorgniserregend“, sagte er in Berlin, aber man müsse jede Anstrengung auch unter diesen Umständen aufrechterhalten und dürfe nicht aufgeben, sondern weitermachen „nach bestem Wissen und Gewissen“.
Wielers zweiter Appell zielte auf das Verhalten jedes Einzelnen. Denn der aktuelle Anstieg der Infektionszahlen hänge vorwiegend mit Ansteckungen im privaten Bereich zusammen. Ausbrüche in Verkehrsmitteln oder nach Übernachtungen dagegen spielten keine so große Rolle oder kämen eher selten vor. In privaten Haushalten aber nehme die Anzahl der Ausbrüche deutlich zu. „Ansteckungen in Schulen (...) sind zwar bisher nicht sehr häufig und wesentlich seltener, als wir das zum Beispiel von Influenzaausbrüchen kennen, aber klar ist, je stärker die Fallzahlen steigen, desto höher werden auch Schulen betroffen sein“, sagte Wieler.
Update vom 22. Oktober, 11.04 Uhr: Zum Schluss der Corona-PK in Berlin verweist Wieler erneut auf die weiter zu verfolgende Strategie gegen Corona ( „Eindämmung, Schutz, Milderung“) und resümiert: „Mehr als diesen Werkzeugkasten haben wir nicht. Den müssen wir anwenden und eben auf einen Impfstoff warten - der schon ein Game-Changer wäre.“ Empfiehlt der RKI-Chef nun ausdrücklich Masken im öffentlichen Bereich?, lautet eine letzte Journalisten-Nachfrage. Ja, überall dort, wo Menschen zusammenkommen, antwortet Wieler und betont: „Insbesondere im Innenbereich.“
Update vom 22. Oktober, 10.54 Uhr: Ein Datenjournalist vom Südwestrundfunk weist darauf hin, dass die Methode des RKI, nach „Quellclustern“ (auch Superspreader-Events genannt, Anm. d. Red.) zu suchen, nicht funktionieren könnte. „Es gelingt natürlich nicht immer“, räumt Wieler ein. Man verfolge zwei Stränge, „nach hinten schauen - aber auch nach vorne schauen“.
Deshalb gehe das RKI von Superspreader-Events aus, und „entscheidend“ sei dabei, „dass wir keine Situation schaffen, wo überhaupt ein Quellcluster entstehen kann“. Das RKI sei bei der Identifikation von Superspreader-Events darauf angewiesen, dass sich infizierte Menschen daran erinnern, wo sie gewesen sind - in dem Zusammenhang lobt Wieler den Vorschlag von Virologe Christian Drosten für ein „Kontakt-Tagebuch“.
Update vom 22. Oktober, 10.41 Uhr: Als eine Handelsblatt-Reporterin nach der Herdenimmunität fragt, erklärt Wieler dem Konzept eine vehemente Absage: „Das ist ja in manchen Ländern versucht worden - und gescheitert. Es gibt niemanden, der sich ernsthaft damit befasst und es weiterverfolgt. Weil wir dabei einfach viele schwere Verläufe hätten. Wir haben in der Bevölkerung aktuell eben keine Immunität.“
Update vom 22. Oktober, 10.31 Uhr: Während der Fragerunde der anwesenden Journalisten hakt eine dpa-Mitarbeiterin wegen der aktuell etwa 20 Städten und Landkreisen in Deutschland nach, die gerade „den Infektionsschutz nicht mehr gewährleisten können“. „Natürlich ist das besorgniserregend“, antwortet Wieler. Doch die drei Strategie-Pfeiler im Kampf gegen Corona (Eindämmung, Schutz und Milderung) liefen parallel. „Die Gesundheitsämter leisten so viel sie können“, so Wieler.
Manche Staaten dagegen hätten die Kontaktnachverfolgung bereits sogar eingestellt, führt Wieler aus: „Es ist nicht befriedigend, wenn man es nicht schafft - der entscheidende Punkt sei aber, „dass wir nicht aufgeben dürfen. Sondern weiter machen nach bestem Wissen und Gewissen. Manche deutschen Gesundheitsämter kämen aktuell zwar „an ihre Grenzen“, trotzdem leisteten mit jeder Infektionskette, die sie rückverfolgen und eindämmen können, noch Wichtiges.
Update vom 22. Oktober, 10.12 Uhr: Was treibt die Pandemie? Das RKI schlussfolgert laut Wieler aktuell: „Das Virus verbreitet sich im privaten Umfeld, in der Familie Aber wie kommt es in einen Haushalt?“ Es gäbe einen klaren Zusammenhang mit privaten Feiern. „Das Risiko bei privaten Treffen mit mehr als zehn Personen ist besonders hoch“, sagt Wieler.
Update vom 22. Oktober, 10.08 Uhr: Es werden wieder mehr Covid-19-Patienten in Kliniken eingeliefert, informiert Wieler. Aktuell befänden sich 943 Sars-CoV-2 Infizierte in Deutschland auf der Intensivstation - „die Zahl hat sich in den vergangenen 14 Tagen verdoppelt“. Es versterben auch wieder mehr Infizierte. „Wir müssen davon ausgehen, dass die schweren Fälle zunehmen und es auch wieder mehr Tote gibt“, so Wieler.
Update vom 22. Oktober, 10.03 Uhr: RKI-Präsident Lothar Wieler bedankt sich zu Beginn der PK bei allen, die sich an die „AHA+L-Regeln“ gehalten und damit Infektionen verhindert haben - „aber es müssen noch mehr mitmachen“, appelliert Wieler. Das Infektionsgeschehen in Deutschland nehme „rasant“ zu, aber noch habe man eine Chance, es zu verlangsamen. Das Virus könne sich ohne Maßnahmen sogar „unkontrolliert“ ausbreiten, warnt er.
Update vom 22. Oktober, 9.59 Uhr: Angesichts des neuen Höchstwerts an Neuinfektionen gibt ab 10 Uhr eine Pressekonferenz in Berlin.
Update vom 22. Oktober, 8.20 Uhr: Die Zahl der Corona-Tests pro Woche schwankt seit Anfang September nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) zwischen 1,1 und 1,2 Millionen. Seit zwei Wochen steigt der Probenrückstau erneut an. Einige Labore wiesen auf Lieferschwierigkeiten für Arbeitsmaterialien hin. Die Positivrate ist von 0,75 auf 3,63 Prozent gestiegen.
Mit Blick auf die Fallzahlen will das RKI am Donnerstag in einem Presse-Briefing über die Lage der Corona-Pandemie in Deutschland informieren. Die RKI-Webseite ist momentan (8.20 Uhr) allerdings nicht erreichbar. Das RKI-Dashboard, auf dem das Infektionsgeschehen abzulesen, ist funktioniert.
Update vom 22. Oktober, 6.43 Uhr: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte bei einer Videokonferenz des CDU-Präsidiums Ende September nach Angaben aus Teilnehmerkreisen vor einem deutlichen Anstieg der Corona-Infektionen gewarnt. Es zu Weihnachten 19.200 Neuinfektionen pro Tag geben, wurde Merkel zitiert. Die Verbandschefin der Ärzte im öffentlichen Gesundheitsdienst hält das Merkel-Szenario von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) für realistisch.
„Als die Bundeskanzlerin vor einigen Wochen von 19.200 Neuinfektionen an einem Tag gesprochen hat, habe ich eine solche Entwicklung zunächst für unwahrscheinlich gehalten“, sagte die Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, Ute Teichert, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Donnerstag). „Aber so wie die Dinge derzeit verlaufen, halte ich das inzwischen für eine realistische Einschätzung.“
Update vom 22. Oktober, 5 Uhr: Es sind erschreckende Zahlen, die das Robert-Koch-Institut (RKI) nun gemeldet hat. Nachdem am vergangenen Freitag (16. Oktober) mit rund 7830 Neuinfektionen ein neuer Höchstwert für Deutschland gemeldet worden war, spitzt sich die Lage nun weiter zu. Wie das RKI am Donnerstag erklärt, wurden in den vergangenen 24 Stunden 11.287 Menschen positiv auf das Coronavirus getestet (Mittwochmorgen: 7595). Das entspricht der höchsten, jemals in Deutschland verzeichneten Zahl an Corona-Neuinfektionen innerhalb von 24 Stunden. 30 weitere Menschen starben binnen 24 Stunden (Mittwochmorgen: 39 Todesfälle).
Update vom 21. Oktober, 21.49 Uhr: Neue Angaben vom Robert-Koch-Institut. Die Reproduktionszahl lag in Deutschland laut Lagebericht vom Mittwoch bei 1,09 (Vortag: 1,25). Das bedeutet, dass zehn Infizierte knapp elf weitere Menschen anstecken. Der R-Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen etwa eineinhalb Wochen zuvor ab.
Wie außerdem aus den Angaben des RKI hervorgeht, steigt die Zahl der Corona-Hotspots weiterhin. 133 der 401 deutschen Stadt- und Landkreise überschreiten die Inzidenzmarke von 50 (Vortag: 129). Mit dem Landkreis Wittmund (Niedersachsen) gibt es momentan nur noch einen Kreis, wo es in den letzten sieben Tagen keinen Corona-Fall gab. Am prekärsten ist die Lage im Moment im Berchtesgadener Land.
LK Berchtesgadener Land: 262,4 Fälle pro 100.000 Einwohner
SK Delmenhorst: 205,0
SK Berlin-Neukölln: 187,8
SK Berlin-Mitte: 161,5
LK Sankt Wendel: 137,9
SK Solingen: 137,5
LK Bitburg-Prüm: 135,3
SK Herne: 133,6
LK Erzgebirgskreis: 131,7
LK Weiden in der Oberpfalz: 131,0
Erstmeldung vom 21. Oktober, 17 Uhr: Berlin - Nun ist also eingetreten, was Virologen befürchteten. Nachdem sich die Corona-Lage in Europa ab September kontinuierlich verschlimmerte, sah es in Deutschland noch relativ entspannt aus. Experten warnten allerdings schon damals*, die Bundesrepublik hinke in puncto Infektionsgeschehen schlicht ein paar Wochen hinterher. Nun, Mitte Oktober, ist klar, dass sich die mahnenden Worte als richtig erwiesen.
Am Mittwochmorgen meldete das Robert-Koch-Institut* 7.595 Neuinfektionen binnen 24 Stunden, was dem zweithöchsten Wert seit Ausbruch der Pandemie entspricht (am 17. Oktober gab es 7.830 neue Fälle). „Aktuell ist ein beschleunigter Anstieg der Übertragungen in der Bevölkerung in Deutschland zu beobachten“, schreibt das RKI dazu in seinem Lagebericht. Die Situation ist also ernst. Das wurde auch daran deutlich, dass ganz Deutschland am Mittwoch (21. Oktober) die kritische Marke von 50 Fälle pro 100.000 Einwohnern überschritt (51,3) und damit flächendeckend als Hotspot gilt.
Dabei liegt die sogenannte Inzidenz* gar nicht in allen Bundesländern über 50. Besonders schwer von der Pandemie betroffene Gebiete wie Berlin oder Bremen ziehen den Deutschlandschnitt jedoch nach oben.
Berlin: 84,3
Bremen: 76,3
Saarland: 66,9
Hessen: 64,5
Nordrhein-Westfalen: 62,2
Bayern: 50,9
Baden-Württemberg: 47,5
Hamburg: 40,2
Sachsen: 40,1
Rheinland-Pfalz: 39,2
Niedersachsen: 34,3
Brandenburg: 23,6
Thüringen: 22,6
Schleswig-Holstein: 19,0
Mecklenburg-Vorpommern: 17,0
Sachsen-Anhalt: 15,8
Interessant ist, dass der Osten des Landes weiterhin am wenigsten von Covid-19 betroffen ist. Die sogenannten „neuen Bundesländer“ befinden sich allesamt in der unteren Hälfte des Bundesdurchschnitts. Das war übrigens schon zu Beginn der Pandemie so, als der Osten sowohl in absoluten als auch relativen Zahlen besser da stand. Warum ist das so?
Einen einzelnen Grund für diese Entwicklung könne man nicht benennen, meinte Hajo Zeeb vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie in Bremen bereits im Mai gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. „Es kommen schon immer mehrere Aspekte zusammen.“
Das Virus könnte sich im Osten weniger schnell verbreitet haben, da die Menschen durchschnittlich älter und weniger mobil seien. Der Reiseverkehr im Osten ist nicht so sehr ausgelastet, die Bevölkerung sesshafter. Zudem ist Mecklenburg-Vorpommern oder Brandenburg schlicht weniger stark besiedelt als Nordrhein-Westfalen oder das Saarland. Ältere Menschen hätten zwar oft einen schwereren Krankheitsverlauf, erklärt Zeeb. „Aber wenn das Virus eben gar nicht erst eingetragen wird, dann wirkt das halt auch protektiv für die, die möglicherweise später klinisch schwerer betroffen wären.“
Starkbierfest, Karneval, Ischgl - mit den Brandbeschleunigern der Pandemie hatte der Osten kaum etwas zu tun. Karneval etwa ist in der ehemaligen DDR viel weniger verbreitet als in Bayern, Hessen oder NRW. Mittlerweile weiß man auch, dass sehr wenige Ostdeutsche nach Österreich in den Winterurlaub reisten. Vielmehr war es der Rest der Bundesrepublik, der das Virus vom Corona-Hotspot ins Land zurückbrachte. Ischgl sei „schon aus finanziellen Gründen kein typisches Ziel von Ostdeutschen“, meinte Sachsens Gesundheitsministerin Petra Köpping gegenüber der Zeit (Artikel hinter Bezahlschranke).
Warum die Zahlen auch jetzt vergleichsweise gering blieben, führt die SPD-Politikerin* indes auf Reiserückkehrer aus bestimmten Regionen zurück. „Die Zahlen gingen vor allem in Bundesländern mit vielen Rückkehrern aus der Türkei und dem Balkangebiet nach oben“, was durch Angaben vom Dresdner oder Leipziger Flughafen belegt werden würde. Im Westen waren Reiserückkehrer für einen Anstieg der Corona-Zahlen verantwortlich. Neben den klassischen Urlaubsländern wie Kroatien oder Spanien hatten damals auch viele Infektionen ihren Ursprung in Rumänien oder der Türkei. In Ostdeutschland gibt es nur wenige Menschen mit Migrationshintergrund in diesen Staaten.
Bislang ist der Osten mehr als ordentlich durch die Pandemie gekommen. Dass die Infektionszahlen im benachbarten Polen und Tschechien zuletzt rapide in die Höhe geschnellt waren, sollte allerdings Sorge bereiten. In Sachsen etwa gibt es insgesamt nur zwei Landkreise, in denen die Inzidenz über 50 liegt: Der Kreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge (57,8) und der Erzgebirgskreis (mit 131,7 der einzige Ost-Kreis unter den 15 am schwersten von Corona betroffenen Gebieten Deutschlands). Beide Kreise grenzen an Tschechien, wo laut WHO derzeit eine besorgniserregende 14-Tages-Inzidenz von 972 erreicht wird. (Stand der Daten: 21. Oktober, 17.30 Uhr).
Zusammenfassend gibt es keine klare Ursache für die niedrigen Fallzahlen in Ostdeutschland, sondern mehrere Faktoren, die ineinander greifen. Die Bevölkerung scheint es insgesamt aber in der eigenen Hand zu haben, dass die Werte im Westen vorerst nicht erreicht werden. (as) *Merkur.de und ruhr24.de sind Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerks