Update, 14. September, 13.34 Uhr: Die Staatsanwaltschaft München II hat ein Ermittlungsverfahren gegen die mutmaßliche „Superspreaderin“ von Garmisch-Partenkirchen eingeleitet. Ermittelt werde wegen des Verdachts auf fahrlässige Körperverletzung, sagte Oberstaatsanwältin Andrea Mayer dem Münchner Merkur*. Ob die 26-jährige US-Amerikaner dem Nato-Truppenstatus unterliegt und daher das Verfahren später an eine Militärgerichtsbarkeit abgegeben werden müsse, könne zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht gesagt werden.
Update, 14. September, 13.23 Uhr: In einer aktuellen Pressekonferenz äußert sich Markus Söder zu dem Corona-Ausbruch in Garmisch-Partenkirchen: „Garmisch-Partenkirchen ist ein Musterbeispiel für Unvernunft. Dieser Leichtsinn muss Konsequenzen haben“, positioniert sich Söder mit Bezug auf die Geschehnisse vom vergangenen Wochenende klar.
Ursprünglicher Artikel, 14. September, 07.30 Uhr: Garmisch-Partenkirchen – Sogar Melanie Huml hatte Anton Speer am Sonntag (13. September) am Telefon. Die in Corona-Zeiten bestens bekannte bayerische Gesundheitsministerin (CSU) meldete sich in Garmisch-Partenkirchen. „Sie hat gefragt, ob wir Verstärkung brauchen, uns Hilfe angeboten, zum Beispiel durch eine mobile Teststation.“ Der Landrat lehnte ab. „Wir vertrauen unserem Roten Kreuz, das hat alles voll im Griff.“ Vor der Mannschaft des BRK habe er „allergrößten Respekt“.
Nach dem Überschreiten der Corona-Grenzwerte am Freitag (11. September) sind Garmisch-Partenkirchen* und der Landkreis in den Fokus auch überregionaler Medien gerückt. Sogar in der Tagesschau lief die Nachricht vom neuen Hotspot und der sogenannten Superspreaderin. Gemeint ist die 26-jährige Amerikanerin, die hochinfektiös am Nachtleben teilnahm, gegen eine Quarantäne-Verordnung verstieß und als Ursprung der in die Höhe geschnellten Zahl an Infizierten in der Region gilt.
Als Reaktion darauf verfassten die Mitglieder der Corona-Arbeitsgruppe des Landkreises nach einer Krisensitzung am frühen Freitagabend eine Allgemeinverfügung, die das Nachtleben im Markt Garmisch-Partenkirchen für die kommende Woche deutlich einschränken soll. Gastrobetriebe sind verpflichtet, ihre Lokale um 22 Uhr zu schließen. Zudem wurde die Kontaktbeschränkung auf fünf Personen verschärft, private Veranstaltungen sind auf 50 Personen in geschlossenen Räumen sowie 100 unter freiem Himmel limitiert.
Zu der US-Bürgerin gibt es mittlerweile deutlich mehr Erkenntnisse. In der Tat handelt es sich um eine Angestellte aus dem Edelweiss-Resort an der Zugspitzstraße. Die Frau ist eine Urlaubsrückkehrerin, hatte ihre Ferien in Griechenland verbracht. „Ende August ist sie zurückgekommen, ob sie sich dort schon angesteckt hatte, wissen wir aber nicht“, sagt Stephan Scharf, der Pressesprecher der Kreisbehörde.
Da sich ihr Gesundheitszustand offenbar spürbar verschlechterte, ging sie am 8. September zur Corona-Teststation in Garmisch-Partenkirchen. „Sie zeigte da bereits Symptome wie Halsschmerzen, deshalb wurde ihr gesagt, dass sie sich in Quarantäne begeben muss, bis das Testergebnis vorliegt“, betont Scharf. Diese Anweisung ignorierte die 26-Jährige wissentlich. Sie hatte sich bereits zuvor im Nachtleben in der Marktgemeinde vergnügt und tat dies offenbar noch am selben Abend wieder. Am nächsten Tag traf der Positiv-Befund ein.
Die junge Frau ist bekanntlich nicht die einzige Angestellte des Edelweiss-Hotels, die nun mit dem Covid-19-Errger infiziert ist. Bis Samstag waren es bereits 24 Mitarbeiter. Dieser Anstieg veranlasste auch die US-Behörden in Bayern zum Handeln. Am Freitag wurden medizinisches Personal sowie Equipment vom medizinischen Zentrum in Landstuhl (Pfalz) per Hubschrauber nach Garmisch-Partenkirchen transportiert. „Die Betroffenen befinden sich jetzt alle in Quarantäne“, betont Speer. Insgesamt 70 Mitarbeiter des Hotel-Komplexes seien mittlerweile abgestrichen und in Isolation. Die Unterkunft wird ab dem heutigen Montag laut Informationen der US Army Garrison Bavaria zudem für vorerst 14 Tage geschlossen.
Speer hat keinerlei Verständnis für das Auftreten der Urlaubsrückkehrerin. „Ich bin sehr verärgert“, stellt der Landrat klar. Mittlerweile ist auch bekannt, dass eine Freundin der 26-Jährigen ebenfalls über Symptome klagte, an besagtem Abend aber „Gott sei Dank nicht mitgegangen ist“, sagt Speer.
Inwieweit die US-Amerikanerin nun von den deutschen Behörden zur Rechenschaft gezogen werden kann, muss geklärt werden. Als Angestellte einer Einrichtung der US-Streitkräfte droht ihr möglicherweise von deutscher Seite kein Ungemach. „Das befürchte ich“, sagt Bürgermeisterin Elisabeth Koch (CSU). „Da gilt meines Wissens das Nato-Truppenstatut.“ Selbst Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) aber fordert klare Konsequenzen.* Ein Gedankengang, den Speer in vollem Maße unterstützt. „Aber wir müssen das erst juristisch prüfen lassen.“
Der Landrat machte sich am Samstag erst einmal ein Bild von der Situation am Testzentrum. Was er sah, nimmt er als positive Eindrücke dieses Wochenendes mit. „Es waren vor allem sehr viele junge Menschen da, die dem Aufruf zum Testen gefolgt sind.“ Imponiert hat ihm, dass auch die jüngere Generation sich sehr geduldig an der Teststation verhalten habe. Denn Wartezeiten seien nicht zu verhindern gewesen. „Der Andrang war groß, größer als wir angenommen hatten“, räumt Jörg Jovy, Sprecher des BRK im Landkreis, ein. „Die Station war allein am Samstag von 14.40 bis 21.30 Uhr geöffnet, die Wartezeiten betrugen schon mal eine Stunde, weil relativ viele keinen Termin vereinbart hatten.“ So konnten am Samstag rund 360 Abstriche genommen werden, am Sonntag kamen nochmals rund 350 hinzu. Ein Erfolg. Das BRK arbeitete in zwei Schichten mit ja acht Mitarbeitern.
Alle Betroffenen vereint nun die Hoffnung, dass sich die Positiv-Fälle in Grenzen halten werden. Mit den ersten Ergebnissen der Tests vom Samstag rechnet das Gesundheitsamt heute.
Klar ist mittlerweile, dass die Allgemeinverfügung zu den Einschränkungen in Garmisch-Partenkirchen seit Samstag in Kraft ist. Über die Art der Bekanntmachung war noch am Freitagabend eine Diskussion entbrannt. Landrat Speer hat für derlei Scharmützel wenig übrig. Am Samstag klärte er mit der oberbayerischen Regierungspräsidentin Maria Els ab, dass die Allgemeinverfügung von übergeordneter Stelle, in diesem Fall dem Gesundheitsministerium, Rechtswirksamkeit erlangt. Speer macht deutlich: „Wichtig war, dass wir etwas getan haben.“
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