Der Zi-Vorsitzende Dominik von Stillfried fordert in der FAZ mehr Transparenz: „In einigen Ländern oder Impfzentren liegen insgesamt fast vier Millionen Dosen ungenutzt herum. Weil es keine Sendungsverfolgung wie bei der Post gibt, weiß niemand, wo der Impfstoff wirklich ist.“ Seine Forderung: „Bund und Länder müssen Klarheit über den Verbleib schaffen und dann dafür sorgen, dass die Dosen möglichst schnell verimpft werden.“
Mit einem „intelligenten Einsatz der Lagerbestände“ müsse es möglich sein, dass die Praxen mehr Dosen erhalten könnten, „ohne dass die Zentren weniger impfen würden. Das würde einen Impfturbo zünden, den wir angesichts der dritten Welle dringend brauchen.“ Zi-Berechnungen zufolge müsse es in dieser Woche machbar sein, 3,5 Millionen Impfwillige in den Praxen zu impfen. Dafür müsste aber die Priorisierung umgekehrt werden: Bislang lag der Wert der gelieferten Vakzine etwa bei einem Drittel - auch weil den 433 Impfzentren dank eines Corona-Gipfel-Beschlusses wöchentlich 2,25 Millionen Einheiten zustehen.
Bis zum 18. Juli könnten bei einer Verteilung zugunsten der Praxis laut von Stillfried alle impfwilligen und impffähigen Deutschen erstmals geimpft sein. Ein bundesweiter vollständiger Schutz sei demnach bis zum 8. August erreichbar.
Auch Andreas Gassen plädiert für eine andere Taktik bei der Verteilung - ihm geht es vor allem um die Herkunft der an die Praxis gelieferten Dosen. „Den Praxen werden in den kommenden Wochen viel weniger BioNTech-Dosen* zugewiesen als versprochen, weil der Impfstoff offensichtlich vorrangig an die Impfzentren geht“, moniert der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) in der Neuen Osnabrücker Zeitung: „Aber das wird so nicht aufgehen.“
Denn an die Praxen werde nun mehr Astrazeneca-Impfstoff* verteilt. Für Gassen ein Fehler mit schwerwiegenden Folgen: „Wenn die Impfzentren komplett den vergleichsweise unproblematischen Impfstoff erhalten, die Praxen aber den umstrittenen, der zumal den unter 60-Jährigen nicht gespritzt werden darf, wird die Impfkampagne massiv ins Stocken geraten. Das darf nicht passieren.“
So mancher Arzt befürchtet darüberhinaus, das in der Öffentlichkeit wegen seltenen, aber tödlichen Nebenwirkungen in Verruf geratene Vakzin nur schwer an die Frau oder den Mann zu bekommen. „Durch die negative Berichterstattung habe ich das Gefühl, dass ich meinen Patienten saures Bier anbiete. Ich befürchte, dass die Dosen liegen bleiben könnten“, warnt die Berliner Ärztin Irmgard Landgraf laut Welt. Die Folge: „Wir Hausärzte werden dadurch massiv in unserer Arbeit eingeschränkt.“
HNO-Arzt Christian Lübbers aus dem oberbayerischen Weilheim sieht das anders: „Es gibt immer noch genug Patienten, die sich mit Astrazeneca impfen lassen würden.“ Ein Vorteil für die Praxen seien in diesem Zusammenhang die individuellen Beratungsmöglichkeiten.
Es wird also deutlich: Bei der Impfstoff-Verteilung gibt es noch Luft nach oben. Ein Gerangel um den Schutz vor Sars-CoV-2 ist längst entbrannt. Auch Privatärzte würden gerne ihren Teil zur Beschleunigung der Impfkampagne beitragen. Allerdings schiebt das Bundesgesundheitsministerium* dem einen Riegel vor. In einer Allgemeinverfügung heißt es, dass „Impfstoffe gegen Covid-19 ausschließlich an die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Arztpraxen abzugeben“ seien.
Das soll sich aber bald ändern. Christoph Gepp vom Privatärztlichen Bundesverband verdeutlichte laut FAZ: „Unseren Patienten zuliebe würden wir gern impfen, auch wenn die Vergütung in keinem Verhältnis zum bürokratische Aufwand steht.“ Klagen seien vorbereitet, es habe bereits ein Gespräch mit Gesundheitsminister Jens Spahn gegeben. Dem Bericht zufolge bestätigte ein Ministeriumssprecher, dass künftig auch die Privatärzte mit Impfstoff bedacht werden sollen. (mg) *merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA