Doch die Ergebnisse aus München stießen auf großen Widerstand. So erklärte beispielsweise das schwedische Gesundheitsamt dem Zeitungsbericht zufolge, es gebe keine Beweise, dass Menschen bereits in der Inkubationszeit infektiös seien.
Das RKI soll zweimal mit der aus China stammenden Frau, die das Coronavirus zu Webasto gebracht hatte, telefoniert haben. Das Institut bemängelte, dass die Frau Symptome gehabt habe, diese jedoch nicht als typische Symptome für das Coronavirus* identifizieren konnte. Der Bericht aus München wurde daher als nicht sauber bewertet formuliert.
Lesen Sie auch: ZDF-Moderatorin Andrea Kiewel in Rage: Sie teilt gegen Corona-Experte Lauterbach aus
Jedoch, so legt es die New York Times dar, soll es dem RKI um etwas ganz anderes gegangen sein. Demnach ist eine zweite Gruppe - das RKI gemeinsam mit Experten vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) - zu ähnlichen Ergebnissen gekommen - jedoch mit einem feinen Unterschied in der Formulierung. So seien Patienten infektiös, bevor sie alle Symptome zeigen. Der Bericht des Münchner Forschungsteams wurde jedoch kurz vorher veröffentlicht.
Die New York Times berichtet weiter, dass Michael Hölscher daraufhin einen Anruf des Leiters des LGL, Andreas Zapf, erhalten haben soll. Dieser habe gesagt, dass man „in Berlin sehr verärgert über diese Veröffentlichung ist.“ Demnach hätte man sich gewünscht, dass der Bericht neu formuliert werde und die Namen der Münchner Experten durch die der zweiten Gruppe ersetzt werde. Michael Hölscher lehnte dies jedoch ab.
Dass kurz darauf, am 4. Februar 2020, in einer gemeinsamen Pressemeldung der Charité, der München Klinik Schwabing und des Instituts für Mikrobiologie der Bundeswehr darauf hingewiesen wurde, dass Infizierte mit schwachen Symptomen infektiös seien, blieb unberücksichtigt. Wie die „New York Times“ berichtete, habe das RKI auf mehrere Anfragen nicht reagiert.
Auch Slyvie Brand, Epidemiologin der WHO, widerlegte die Ergebnisse öffentlich. Auf Twitter schrieb sie: „Eine Studie, die behauptet, dass das Coronavirus von Menschen ohne Symptome übertragen werden kann, war falsch.“
Direktor des WHO-Nothilfekomitees, Dr. Michael Ryan, der sich auch zum Bericht über die Corona-Chronologie äußerte, sprach indes von einem Mythos. Und Maria van Kerkhove, Mitglied des WHO-Nothilfekomitees, sagte, dass man sich nicht sorgen müsse. Es passiere selten, sei aber möglich.
Im Lauf der Zeit kamen immer mehr Wissenschaftler zu den gleichen Ergebnissen wie das Forschungsteam aus München.
Die Frage, ob und inwiefern sich die Ausbreitung des Coronavirus hätte schneller eindämmen lassen, hätte man schon im Januar Maßnahmen aufgrund der Ergebnisse des Münchner Forschungsteams ergriffen, lässt sich rückblickend nur vermuten. Indes macht eine Studie auf die Auswirkungen von Großveranstaltungen in Corona-Zeiten aufmerksam.
Nach fast neun Monaten lässt sich eine Corona-Bilanz ziehen. So tödlich ist das Coronavirus in Deutschland, Europa und weltweit.
Gleichzeitig überrascht TV-Professor Lesch mit einer klaren Forderung bezüglich des Verhaltens in Corona-Zeiten an die Bundesregierung.(mbr)
*Merkur.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerks