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Teichunglück mit drei toten Kindern: Bürgermeister ordnet interne Untersuchung an

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Neukirchen bei Kassel: Nach Teichunglück - Bürgermeister ordnet interne Untersuchung an
Klemens Olbrich vor Gericht: rechts sein Verteidiger Karl-Christian Schelzke. Das Foto entstand am ersten Verhandlungstag. © Uwe Zucchi/dpa

Drei Kinder sind in einem Teich in Neukirchen bei Kassel ertrunken - der Bürgermeister wurde verurteilt. Der Bürgermeister ordnet eine interne Untersuchung an. Wer wusste vom Gefahrenpotential des Teichs?

Update vom Sonntag, 31.05.2020, 08.44 Uhr: Nach den Durchsuchungen in Neukirchen bei Kassel am 20. Mai hat Bürgermeister Klemens Olbrich eine hausinterne Ermittlung angeordnet. Vor dem Teichunglück, im Jahr 2014, gab es nach seinen Angaben definitiv eine Warnung zum erhöhten Gefahrenpotenzial des Teichs im Stadtteil Seigertshausen. Bei der Untersuchung gehe es aus seiner Sicht zentral darum, wer Zugriff auf die Risikoanalyse des Kommunalversicherers hatte und der unbekannte Hinweisgeber ist. Mittels sogenannter Metadaten seien Rückverfolgungen digital möglich, sagte uns Olbrich. 

Zu den Metadaten einer Computerdatei gehören der Name, die Zugriffsrechte und das Datum der letzten Änderung. Außerdem wird zu klären sein, welche Bedeutung das entdeckte Versicherungsschreiben hat, wer es falsch beurteilte und welche notwendige Absicherung des Teichs in Seigertshausen womöglich versäumt wurde. 

Teichunglück in Neukirchen bei Kassel: 

Update vom Montag, 25.05.2020, 18.55 Uhr: Nach Durchsuchen und Beschlagnahmungen im Zusammenhang mit dem Prozess um drei verunglückte Kinder in einem Teich in Seigertshausen im Schwalm-Eder-Kreis, äußerte sich der Beschuldigte, Bürgermeister Klemens Olbrich. Er nannte die Vorwürfe gegen ihn „absurd“. 

Im Kern geht es um ein Papier, in dem eine Versicherung 2014 auf eine erhöhte Gefahr durch das Gewässer in Neukirchen hingewiesen haben soll. Das Schreiben soll bei der Durchsuchung gefunden worden sein. Olbrich steht offenbar unter Verdacht, das Schriftstück vor dem Prozess unterdrückt zu haben. 

Teichunglück in Neukirchen bei Kassel: Olbrich bestreitet Anschuldigungen

„Das ist absurd“, sagte Klemens Olbrich der HNA am Freitag. Wer ihn kenne wisse, dass er kein Mensch sei, der andere animiert, Straftaten zu begehen.

Aus dem Rathaus Neukirchen und aus seinem eigenen Haus seien zahlreiche Dinge wie Laptops, Handys, USB-Sticks und vieles mehr abtransportiert worden, so Olbrich. 

Auch der Verteidiger von Olbrich, Karl-Christian Schelzke, will von dem Schreiben nichts gewusst haben: „Ich kann nur sagen, dass mir das angeblich aufgefundene Schreiben bislang nicht bekannt war. Da ich noch keine weiteren Informationen habe, ist mir eine Stellungnahme nicht möglich.“ 

Teichunglück in Neukirchen bei Kassel: Hausdurchsuchungen 

Update vom Mittwoch, 20.05.2020, 18.00 Uhr: Bei mehreren Hausdurchsuchungen ging es am Mittwoch um den Verdacht der uneidlichen Falschaussage und versuchte Strafvereitelung in Zusammenhang mit dem Teichprozess von Seigertshausen. 

Gestern Nachmittag teilte die Staatsanwaltschaft Marburg mit, dass Ermittler der Polizeipräsidien Nordhessen und Westhessen insgesamt acht Geschäftsräume und Wohnungen durchsucht haben. Wo genau, steht nicht in der Pressemitteilung, nur, dass es sieben Wohnungen oder Räume im Schwalm-Eder-Kreis waren, ein Objekt ist in Wiesbaden. 

Es gibt sechs Beschuldigte im Alter von 32 bis 77 Jahren. Die Tatverdächtigen sollen im Januar und Februar 2020 im Strafverfahren gegen Bürgermeister Klemens Olbrich wegen fahrlässiger Tötung in drei Fällen vor dem Amtsgericht in Treysa als Zeugen falsch ausgesagt 

Teichunglück in Neukirchen bei Kassel: Zeugen sollen Falschaussage gemacht haben

Damit hätten die Zeugen versucht, eine Verurteilung zu vereiteln. Ein Tatverdächtiger soll die Zeugen hierzu angestiftet haben. Olbrich war im Februar zu einer Geldstrafe unter Vorbehalt verurteilt worden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Im Kern geht es um ein Schreiben einer Versicherung an die Stadt Neukirchen aus dem Jahr 2014 mit brisantem Inhalt. 

Darin soll damals schon ausgeführt worden sein, dass die Teichanlage für Kinder als verkehrsgefährlich einzustufen und eine Einzäunung des Geländes empfehlenswert sei. In dem Jahr hatte es bauliche Veränderungen am Teichufer gegeben. Darauf beruhte der Vorwurf der Fahrlässigkeit in dem Prozess. 

Nun bestehe der Anfangsverdacht, dass die Beschuldigten von dieser Risikoanalyse wussten, dies aber in ihren Zeugenaussagen vor Gericht verschwiegen, und das trotz expliziter Nachfragen, ob Informationen über die mögliche Gefährlichkeit des Teiches durch Umbaumaßnahmen bekannt gewesen seien. 

Im Rahmen der Durchsuchung haben die Ermittler laut der Mitteilung zahlreiche Unterlagen und elektronische Datenträger sichergestellt. Diese Beweismittel müssten nun ausgewertet werden. Die Staatsanwaltschaft war nicht bereit, weitere Auskünfte zu geben.

Teichunglück in Neukirchen bei Kassel: Demo für Bürgermeister

Update vom Samstag, 29.02.2020, 18.18 Uhr: Nachdem drei Kinder 2016 in einem Dorfteich im nordhessischen Neukirchen bei Kassel ertrunken sind, wurde der Bürgermeister der Gemeinde, Klemens Olbrich (CDU), wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe auf Bewährung verurteilt. Der Vorwurf: Laut Gericht hatte er die Verkehrssicherungspflicht für den Teich verletzt, der erhebliches Gefahrenpotenzial aufweise. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Rund 150 Menschen haben nun in Schwalmstadt zur Unterstützung des Bürgermeisters der Gemeinde Neukirchen demonstriert. Es habe keine Vorkommnisse bei der Veranstaltung gegeben, sagte ein Polizeisprecher am Samstag (29.02.2020) der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Zu der Demonstration hatte der Stadtverordnetenvorsteher von Niedenstein, Erich Sommer (Freie Wählergemeinschaft), aufgerufen. Er betonte, es sei bei der Aktion nicht darum gegangen, das Gericht zu verunglimpfen oder anzugreifen - sondern den Bürgermeister moralisch zu unterstützen.

Neukirchen bei Kassel: Nach Urteil um Teichunglück - Bürgermeister geht in Berufung

Update vom Freitag, 28.02.2020, 17.09 Uhr: Der Teichprozess geht in die nächste Instanz. Er habe bereits am Montag (24.02.2020) nach der Urteilsverkündung Berufung eingelegt, sagte Karl-Christian Schelzke, der Verteidiger von Klemens Olbrich, im HNA* Gespräch: „In der Berufungsverhandlung am Landgericht Marburg erwarten wir einen Freispruch.“ Vor einer Woche hatte Amtsrichterin Mareike Pöllmann Neukirchens Bürgermeister wegen fahrlässiger Tötung in drei Fällen zu einer Geldstrafe auf Bewährung verurteilt. 

Olbrichs Verteidiger ist zuversichtlich, dass der Schöffenprozess im Frühsommer in Marburg verhandelt wird. Schelzke kündigte an, dass man bei der Verhandlung vor dem Landgericht die Rolle der Eltern der Kinder im Zusammenhang mit einer möglichen Aufsichtspflichtverletzung noch mehr in den Fokus rücken werde: „Wir werden viel stärker in die Sachverhaltsaufklärung gehen.“ 

Drei Tote bei Teichunglück in Neukirchen bei Kassel: Nach Urteil des Amtsgerichts - Bürgermeister geht in Berufung 

Die in dem Teich und der durchfließendem Grenzebach in Neukirchen-Seigertshausen bei Kassel zum Zeitpunkt des tragischen Unfalls vorhandenen Strömungsverhältnisse seien vom Amtsgericht Schwalmstadt im Urteil beispielsweise nicht ausreichend gewichtet worden, meint Schelzke und sagt, dass man bislang auch noch gar nicht wisse, wo die Kinder tatsächlich ins Wasser gefallen seien. 

Das Urteil sei am Leben vorbei entschieden worden, betont Olbrichs Verteidiger: „Kein Mensch hat in der Böschung des Teichs jemals eine Gefahrenstelle gesehen.“ In seiner Funktion als Geschäftsführer des Hessischen Städte- und Gemeindebunds sprach Karl-Christian Schelzke von einer großen Solidaritätswelle für Klemens Olbrich. 

Nach dem Urteil des Amtsgerichts in Schwalmstadt bei Kassel sei die Unsicherheit bei den Bürgermeistern in Hessen groß, weiß Schelzke: Alle warten jetzt auf ein neues Urteil.“ Der Hessische Städte- und Gemeindebund plant für seine Mitglieder Tagesseminare, um die Bürgermeister zu schulen, wie sie in ihren Kommunen zukünftig mit Gefahrenstellen umgehen müssen. Es gehe darum, Richtlinien zu finden, sagt Karl Christian Schelzke.

Nach Teichunglück in Neukirchen bei Kassel: Bürgermeister wegen wegen fahrlässiger Tötung verurteilt

Update, 20.02.2020, 15.53 Uhr: Überraschung im Prozess gegen Klemens Olbrich, Bürgermeister von Neukirchen bei Kassel, um die drei im Teich in Neukirchen Seigertshausen ertrunkenen Kinder. Das Amtsgericht verurteilte den Verwaltungschef wegen fahrlässiger Tötung in drei Fällen durch Unterlassung zu einer Geldstrafe in Höhe von 12.000 Euro, zahlbar in 100 Tagessätzen. 

Die Strafe wurde für zwei Jahre auf Bewährung ausgesetzt. Das Urteil ist noch nichts rechtskräftig. Olbrichs Verteidiger Karl-Christian Schelzke erklärte, dass er seinem Mandanten empfehle werde, in Berufung zu gehen.

Teichunglück in Neukirchen bei Kassel: Plädoyers wegen ertrunkener Kinder zwischen Freispruch und Geldstrafe

Angeklagt ist Klemens Olbrich (CDU), Bürgermeister von Neukirchen bei Kassel, wegen fahrlässiger Tötung. Der Strafrahmen reicht dabei von einer Geldstrafe bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe. Das Urteil soll am Donnerstag um 14 Uhr gesprochen werden.

Im Prozess um den Tod von drei in einem Dorfteich ertrunkenen Kindern sind vor dem Amtsgericht im nordhessischen Schwalmstadt die Plädoyers gehalten worden. Die Forderungen in den Schlussvorträgen reichten von Freispruch bis zu einer Geldstrafe von 9000 Euro. Die Staatsanwaltschaft hielt eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 100 Euro für angemessen.

Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft hätte Olbrich den bis zu knapp zwei Meter tiefen Teich in Neukirchen-Seigertshausen bei Kassel absichern müssen, in dem im Juni 2016 zwei Jungen (5 und 9) und ein Mädchen (8) ertranken. Nur eines der Kinder konnte schwimmen. Die Familie verlor drei ihrer seinerzeit sechs Kinder.

Teichunglück in Neukirchen bei Kassel: Amtskollegen stärken Bürgermeister Olbrich den Rücken 

Update, 24.01.2020, 06.34 Uhr: Auch am zweiten Verhandlungstag gegen Klemens Olbrich, Bürgermeister von Neukirchen bei Kassel, wegen fahrlässiger Tötung ist der große Saal im Amtsgericht von Treysa voll besetzt. Das Interesse überregionaler Medien hält sich diesmal in Grenzen, dafür stärken sechs Amtskollegen aus dem Schwalm-Eder-Kreis und zahlreiche Neukirchener dem Angeklagten den Rücken.

Olbrich, dem Ehefrau und Sohn zur Seite stehen, ist spürbar betroffen von der Verhandlung. Angeklagt ist der 62-Jährige, der seit knapp 30 Jahren Bürgermeister in Neukirchen bei Kassel ist, weil am 18. Juni 2016 im Dorfteich des Stadtteils Seigertshausen drei fünf, acht und neun Jahre alte Geschwister ertrunken sind. Oberstaatsanwältin Kerstin Brinkmeier befand, der Weiher sei als Feuerlöschteich genutzt worden, der Bürgermeister hätte für seine Einzäunung sorgen müssen und habe gegen die Verkehrssicherungspflicht verstoßen.

Die Kinder seien zweifelsfrei ertrunken, Hinweise auf Gewaltanwendungen oder andere Ursachen hätten die Obduktionen am Rechtsmedizinischen Institut der Uni Gießen nicht ergeben, sagte dessen Leiter, Prof. Dr. Reinhard Dettmeyer, gestern als Gutachter aus. Alle Kinder zeigten die klassischen Ertrinkungszeichen.

Teichunglück in Neukirchen bei Kassel: So lief die Tragödie wahrscheinlich ab

Diese Einschätzung wurde auch von dem Homberger Kriminalbeamten untermauert, der im Juni 2016 die Ermittlungen in Neukirchen bei Kassel geleitet hatte. Der 57-jährige Leiter des K10-Dezernats bei der Kripo beschrieb das wahrscheinlichste Szenario: Demnach hat der fünfjährige Junge mit einem Kinder-Kescher mit orangefarbenem Griff am Wasser geangelt. Möglicherweise sei er dabei in den Teich gefallen oder er habe versucht, den entglittenen Kescher wieder zu greifen. Seine beiden älteren Geschwister hätten dann versucht, den Kleinen aus dem Wasser zu bergen, und seien dabei selbst hineingefallen.

An der vom Regen nassen, glatten und steilen Böschung hätten die älteren Kinder aber keinen Halt gefunden, seien wieder ins Wasser zurückgefallen und schließlich untergegangen. „Das ist die einzige plausible Erklärung für das tragische Unglück“, sagte der Kriminalbeamte aus.

Teichunglück in Neukirchen bei Kassel: Teich als Falle - Die Kinder „kamen da einfach nicht mehr raus“

„Man kommt da einfach nicht mehr raus“, sagte der Polizist. Diese Erfahrung hatten auch die beiden Männer gemacht, die den fünfjährigen Jungen aus dem Wasser geborgen hatten. Der Helfer konnte den Teich in Neukirchen bei Kassel mit dem Jungen auf den Armen erst verlassen, nachdem ihm eine Leiter als Tritthilfe hingeschoben worden war.

Die Beamten gehen davon aus, dass sich der Unfall nahe des kleinen Steges ereignet hat, der ins Wasser führt. An dieser Stelle, so der Zeuge, sei der Teich mit rund zwei Metern am tiefsten. Am gegenüberliegenden Ufer unterhalb der Grillhütte sei er wesentlich flacher und falle nur allmählich ab. Eine nennenswerte Strömung gebe es in dem Teich nicht.

Teichunglück in Neukirchen bei Kassel: Nächster Verhandlungstag  im Februar

Die Verhandlung wird am Donnerstag, 6. Februar, mit weiteren Zeugen fortgesetzt, darunter Ortsvorsteher und Magistratsmitglieder aus Neukirchen bei Kassel. Amtsrichterin Mareika Pöllmann hält es für möglich, dass dann schon plädiert werden kann.

Update, 09.01.2020, 14.15 Uhr: Es ist noch nahezu dunkel, als Klemens Olbrich das Amtsgericht im Schwalm-Eder-Kreis am Donnerstagfrüh betritt. Dreieinhalb Jahre nach der Tragödie in Seigertshausen ist er als Bürgermeister der Stadt Neukirchen der fahrlässigen Tötung der drei Kinder angeklagt. 

Bis sich die Türen zum Großen Verhandlungssaal für die Film- und Fotoreporter eine Stunde später gegen 9.10 Uhr schließen und wenig später der erste Verhandlungstag beginnt, muss der 62-Jährige einen Interview-Marathon bewältigen. Mit seinem prominenten Verteidiger Karl-Christian Schelzke, Geschäftsführender Direktor des Hessischen Städte- und Gemeindebundes, an der Seite, anwortet er auf die immer gleichen Fragen. 

Teichunglück in Neukirchen bei Kassel: Bürgermeister kann Schuldvorwurf nicht nachvollziehen

Ja, die Anspannung ist groß, ja, das alles belaste ihn, nie könne er den tragischen Tod der Kinder aus der Erinnerung löschen. Nein, den Schuldvorwurf könne er nicht nachvollziehen, niemals habe er sich vorstellen können, sich solch einer Anklage gegenüber zu sehen, sagte Klemens Olbrich, Bürgermeister von Neukirchen bei Kassel zum Schuldvorwurf. 

Während die Kameras klicken und surren, nehmen Zuschauer ihre Plätze ein. Olbrichs Ehefrau ist da, auch einige Wegbegleiter aus Neukirchen und eine Reihe von Bürgermeisterkollegen

Teichunglück in Neukirchen bei Kassel: Prozess gegen Bürgermeister könnte bundesweite Signalwirkung haben

Klar ist allen das Eine: Vom Verlauf des Prozesses geht eine bundesweite Signalwirkung aus – tragen Verwaltungschefs für solch tragische Ereignisse persönlich Verantwortung? Bei aller Gelassenheit, die Olbrich und Schelzke zur Schau tragen, ist die enorme Anspannung doch spürbar. 

Schelzke unterstreicht, dass man eine Einstellung des Verfahrens nicht akzeptieren werde – schon vorab hatte er klar Freispruch gefordert. Während sich vor dem Amtsgericht in Schwalmstadt bei Kassel drei Ordnungspolizisten darum kümmern, dass die zahlreichen Journalisten und Reporterteams ihre Fahrzeuge nicht im Halteverbot abstellen, trifft Polizei ein. 

Teichunglück in Neukirchen bei Kassel: Medieninteresse ist riesig, dass der Öffentlichkeit überschaubar

Ein Kripobeamter ist als Prozessbeobachter vor Ort. Das Interesse der Öffentlichkeit bleibt überschaubar, etwa ein Dutzend Zuhörer ohne Amtsfunktion ist schließlich in dem relativ kleinen Verhandlungsraum im Amtsgericht Schwalmstadt bei Kassel, als der auf fünf Tage anberaumte Prozess pünktlich um 9.15 Uhr beginnt.

Teichunglück in Neukirchen bei Kassel: Bürgermeister - "Werde das Geschehen nie vergessen" 

Die Anklage wird von Oberstaatsanwältin Kerstin Brinkmeier geführt. Wie angekündigt nimmt Bürgermeister Olbrich aus Neukirchen bei Kassel ausführlich Stellung, gibt seiner Trauer und Betroffenheit Ausdruck und bekennt, wie sehr ihn diese Tragödie belaste, „ich werde das Geschehen niemals vergessen“. Dann schildert er den Ablauf des Unglückstages aus seiner Perspektive, bis er an jenem Samstag gegen 22 Uhr informiert und zur Unglücksstelle gerufen wird. 

Teichunglück in Neukirchen bei Kassel: Bürgermeiser Olbrich schildert den Unglückstag aus seiner Perspektive

Dann berichtet er, was er dort mitansehen muss, die Bergung der Kinderleichen. Wer alles vor Ort ist, etwa auch der Landrat. Dann seinen eigenen Werdegang, seine Amtszeiten als Verwaltungschef in Neukirchen bei Kassel seit 1990. Und dass es den Seigertshäuser Teich seit wohl 200 Jahren gibt. Niemals habe ihn jemand auf nötige Sicherungsmaßnahmen hingewiesen, setzt ihn in Gegensatz zu klassischen Feuerlöschteichen wie in den Stadtteilen Hauptschwenda, Asterode oder Wincherode. 

Das Gewässer in Neukirchen-Seigertshausen bei Kassel aber sei ein Freizeitteich, an dem seit Jahrzehnten gesellige Spiele und Veranstaltungen ablaufen. Nichtsdestotrotz empfinde er selbstverständlich als dreifacher Vater für die Eltern der zu Tode gekommenen Kinder tiefes Mitgefühl.

Update, 09.01.2020, 12.30 Uhr: Vor dem Treysaer Amtsgericht hat am Donnerstagvormittag der Prozess gegen den Bürgermeister von Neukirchen (Schwalm-Eder-Kreis), Klemens Olbrich, begonnen.

Teichunglück in Neukirchen bei Kassel: Staatsanwaltschaft wirft Bürgermeister fahrlässige Tötung vor

Die Staatsanwaltschaft wirft ihm fahrlässige Tötung vor, nachdem am 18. Juni 2016 im Dorfteich in Neukirchen-Seigertshausen bei Kassel drei Kinder ertrunken waren, Geschwister im Alter von fünf, acht und neun Jahren. 

Oberstaatsanwältin Kerstin Brinkmeier wirft dem 62-Jährigen, der seit fast 30 Jahren Bürgermeister der Stadt Neukirchen ist, vor, seine Verkehrssicherheitspflicht missachtet zu haben. 

Teichunglück in Neukirchen bei Kassel: Staatsanwaltschaft - Feuerlöschteich hätte mit Zaun gesichert werden müssen

Der Feuerlöschteich in Neukirchen-Seigertshausen bei Kassel hätte als erkennbare Gefahrenquelle mit einem 1,25 Meter hohen Zaun umgeben seien müssen. Olbrich habe um die Gefahr, die von dem Teich ausgeht gewusst, sie sei vorhersehbar gewesen, sagte Brinkmeier in ihrer Anklage. Olbrich und sein Verteidiger, Karl-Christian Schelzke, bestritten, dass es sich bei dem Gewässer um einen Feuerlöschteich handele. 

In Neukirchen ertrinken drei Kinder in einem Teich. Bürgermeister Klemens Olbrich steht nun wegen fahrlässiger Tötung vor Gericht.
Teich in Neukirchen-Seigertshausen: Hier sind 2016 drei Kinder ertrunken. © Katja Rudolph

Teichunglück in Neukirchen bei Kassel: Teich dient als Freizeitanlage im Schwalm-Eder-Kreis

Der über 200 Jahre alte Teich in Neukirchen-Seigertshausen bei Kassel diene heute in erster Linie als Freizeitanlage und Erholungsstätte und nur im Brandfall als Löschwasserreservoir. Für derartige Teiche aber, von denen es allein im Schwalm-Eder-Kreis zahlreiche andere gebe, sei eine Umzäunung nicht vorgeschrieben. 

Teichunglück in Neukirchen bei Kassel: Bürgermeister ist tief betroffen

Eine Forderung, diesen Teich in Neukirchen-Seigertshausen bei Kassel entsprechend zu schützen, sei noch nie geäußert worden, weder von den städtischen Gremien, noch aus der Bevölkerung im Schwalm-Eder-Kreis. Gleichwohl zeigte sich der Bürgermeister in einer sehr persönlichen Einlassung betroffen und traurig über den Tod der Kinder. „Ich werde diesen Tag nie vergessen“, sagte er auf Befragen von Richterin Pöllmann. 

Teichunglück in Neukirchen bei Kassel: Wie weit geht die Verantwortung von Bürgermeistern? 

Olbrich kannte die Familie persönlich, hatte der Mutter selbst zur Geburt eines ihrer insgesamt sechs Kinder gratuliert und die Familie in Neukirchen bei Kassel willkommen geheißen. Das Verfahren wird von drei anderen Bürgermeistern aus dem Landkreis verfolgt, denn es könnte von grundsätzlicher Bedeutung dafür sein, wie weit die persönliche Verantwortung eines Verwaltungschefs für die Sicherheit in seiner Kommune geht. 

Teichunglück in Neukirchen bei Kassel: Verteidigung fordert Freispruch 

Verteidiger Karl-Christian Schelzke, ehemaliger Oberstaatsanwalt und heute geschäftsführender Direktor des Hessischen Städte- und Gemeindebundes, strebt daher auch einen klaren Freispruch für seinen Mandanten an. Im Verlauf des Vormittags haben die Eltern der Kinder als Zeugen ausgesagt, was für emotionale Momente in der Verhandlung sorgte. Mit der Anhörung weiterer Zeugen wird das Verfahren in Schwalmstadt bei Kassel gegen 12 Uhr fortgesetzt.

Erstmeldung, 08.01.2020, 17.21 Uhr: Unter großem Medieninteresse beginnt am Donnerstag der Prozess gegen Klemens Olbrich, Bürgermeister von Neukirchen bei Kassel. Neukirchen liegt im nordhessischen Schwalm-Eder-Kreis. Für das Verfahren vor dem Treysaer Amtsgericht sind fünf Verhandlungstage angesetzt, es wird sich somit bis zum 5. März hinziehen.

Geschwister ertrinken im Teich im Schwalm-Eder-Kreis

Es geht um das Unglück im Juni 2016, als drei Geschwister im Teich in Seigertshausen ertranken wie die HNA* berichtet. Rathauschef Olbrich (62) ist der fahrlässigen Tötung angeklagt. Der Vorwurf lautet, dass er nicht für eine Einzäunung des Gewässers als mögliche Gefahrenquelle gesorgt habe.

Klemens Olbrich, Bürgermeister von Neukirchen.
Klemens Olbrich, Bürgermeister von Neukirchen. © Anne Quehl

Schwalm-Eder-Kreis: Bürgermeister Olbrich verfolgen die Bilder bis heute

Die Deutsche Presseagentur zitiert Olbrich so: „Das belastet mich. Die Bilder werden mir Zeit meines Lebens nicht mehr aus dem Kopf gehen.“ Er sei am Abend sofort zum Unglücksort in Neukirchen-Seigertshausen geeilt und sah die Folgen: drei in einer Garage aufgebahrte Kinderleichen. Einsatzkräfte hatten die leblosen Körper erst mal dorthin gebracht. Bei den Opfern handelte es sich um die fünf, acht und neun Jahre alten Kinder einer in der Nähe wohnenden Familie aus dem Schwalm-Eder-Kreis. 

Der elf Jahre alte Bruder hatte seine spielenden Geschwister am Abend gesucht und nach Hause holen wollen. Als er das Unglück sah, alarmierte er Nachbarn und diese dann die Rettungskräfte. Laut den Ermittlern konnten der fünfjährige Junge und seine achtjährige Schwester nicht schwimmen. 

Der Neunjährige konnte schwimmen, er kam in dem trüben, 40 Meter breiten und ein bis zwei Meter tiefen Teich dennoch ums Leben. Die Familie verlor drei ihrer seinerzeit sechs Kinder.

Video: Tragödie im Schwalm-Eder-Kreis - Drei Geschwister in Teich ertrunken

Neukirchen im Schwalm-Eder-Kreis und das Teichunglück – Zuständigkeit der Schuldfrage wird nun aufgearbeitet

Am Tag danach traten die Eltern am Unglücksort in Neukirchen-Seigertshausen öffentlich nicht in Erscheinung. Auch später hielten sie sich in den Medien zurück. Olbrich äußerte sich, nachdem er länger nichts sagen wollte, bereitwillig zum Fall und seine Sicht der Dinge. Für den ersten Prozesstag im Schwalm-Eder-Kreis hat sein Anwalt eine umfangreiche Einlassung seines Mandanten in Aussicht gestellt.

Nach langem juristischen Hick-Hack um die Zuständigkeit wird die Schuldfrage nun am Amtsgericht in Treysa aufgearbeitet, Verteidiger Karl-Christian Schelzke beschreibt seine Erwartung mit einem Wort: „Freispruch.“* Kein Mensch habe zuvor in dem Teich eine potenzielle Gefahrenquelle gesehen. 

Teichunglück in Neukirchen – Gibt es einen Schuldigen?

„Es gibt Schicksale, für die es keinen Schuldigen gibt. In unserer Vollkasko-Mentalität nehmen wir Deutschen an, man könne immer einen Schuldigen finden“ – das sagt Verteidiger Karl-Christian Schelzke über die Tragödie. in Neukirchen-Seigertshausen. 

Wichtig für den Prozess ist, um was für eine Art von Teich es sich handelt. Klemens Olbrich, selbst Jurist und dienstältester Bürgermeister im Schwalm-Eder-Kreis, spricht von einem „Fischteich“ oder „Freizeitteich“, der keines Zaunes bedürfe. 

Teichunglück in Neukirchen: Badeteich oder Löschwasserrückhalteteich?

Schelzke nennt das Gewässer einen Badeteich, während er für die Staatsanwaltschaft einen „Löschwasserrückhalteteich“ darstellt*, für den Sicherungspflichten bestanden hätten. Für solche Wasserreservoirs für die Feuerwehr gibt es Vorschriften. Sie enthalten die Bestimmung, dass sie von einem 1,25 Meter hohen Zaun umgeben sein müssen.

Da so ein Unglück an vielen Orten hätte passieren können, sieht Rechtsanwalt Schelzke eine bundesweite Bedeutung des Falls, die über Neukirchen und den Schwalm-Eder-Kreis hinausgeht. „Viele Bürgermeister schauen gespannt auf das Verfahren und fragen sich, ob sie womöglich besser etwas einzäunen oder sichern sollten.“

Teichunglück in Neukirchen: Stellte der Teich eine Gefahr da?

Laut Strafgesetzbuch liegt der Strafrahmen für fahrlässige Tötung* bei einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder einer Geldstrafe. Schelzke, früher Oberstaatsanwalt in Frankfurt, ehemals Bürgermeister in Mühlheim am Main und aktuell Geschäftsführender Direktor des Hessischen Städte- und Gemeindebundes, gibt zudem zu bedenken: Der Bürgermeister aus dem Schwalm-Eder-Kreis hätte die Entscheidung zur Einzäunung des Teiches gar nicht allein fällen können. 

„Dafür wäre ein Beschluss des Magistrats erforderlich gewesen. Weil der Teich seit Ewigkeiten aber so liegt, ist es unwahrscheinlich, dass der Magistrat zugestimmt hätte.“ Zumal es nie Anhaltspunkte gegeben habe, dass der Teich in Neukirchen-Seigertshausen eine Gefahr darstelle. „Nie hat irgendjemand darauf hingewiesen“, so Schelzke.

Video: Drama um drei ertrunkene Kinder in einem Teich im Schwalm-Eder-Kreis

Teichunglück in Neukirchen: Prozessauftakt  - Zahlreiche Journalisten reisen an

Beobachter gehen davon aus, dass zahlreiche Journalisten den Prozess in Neukirchen im Schwalm-Eder-Kreis ab Donnerstag verfolgen werden. Informationen sind an alle großen Fernsehsender und Agenturen hinausgegangen. 

Start ist diesen Donnerstag um 9.15 Uhr, weiter geht es alle 14 Tage donnerstags bis zum 5. März – fünf Prozesstage lang. Ob Platz für nicht eigens zugelassene Zuschauer sein wird, wurde uns gestern trotz schriftlicher Anfrage nicht mitgeteilt.

Von Anne Quehl und Matthias Haass

Nicht der einzige Unglücksfall dieser Art:

Der Prozess gegen Neukirchens Bürgermeister Klemens Olbrich ist nicht der einzige, der die Gemüter erhitzt. In Göttingen hat ein Polizeibeamter eine 76-jährige Frau auf die Zahlung eines Schmerzensgeldes von 1500 Euro verklagt*. 

In Homberg/Efze im Schwalm-Eder-Kreis (Hessen) sind zwei Kinder beim Spielen in die Efze gefallen. Für eine Vierjährige konnten die Rettungskräfte nichts mehr tun.

Beinahe erneutes Teichunglück - dieses Mal in Ottrau

Eine Gefahr für Kinder stellt wohl der Kläranlangen-Teich in Ottrau* dar: Für drei Freunde wurde dieser zur Falle. Die Eltern sehen die Verwaltung in der Pflicht.

Am Auto eines Politikers ist ein Peilsender gefunden worden. Der aus dem Teichprozess bekannte Bürgermeister Klemens Olbrich zeigt sich bestürzt.

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