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„Todespfleger“-Prozess: Sechs Menschen sind tot - vor Gericht zeigte er keine Regung

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Sechs Morde? Grzegorz W. (38) schweigt
Sechs Morde? Grzegorz W. (38) schweigt © Sigi Jantz

Der „Todespfleger von Ottobrunn“ soll seine Opfer mit Insulinspritzen getötet haben. Im Gerichtssaal zeigt er keine Regung.

München - Seine größte Sorge ist das Mittagessen. Ob er denn wohl rechtzeitig etwas bekommt? Darum drehen sich die Gedanken von Grzegorz W. (38), der sechs Menschen ermordet haben soll. Richterin Elisabeth Ehrl erzählt dieses verschrobene Detail gestern am Landgericht mit einem milden Lächeln. Doch den Prozess führt sie knallhart: Lebenslange Haft droht Grzegorz W. – als Pflegehelfer soll er Senioren Insulin verabreicht haben. 

Aus widerlichen Motiven heraus: Teilweise war W. nachts genervt, wenn er aufstehen musste, wenn es den Pflegepatienten schlecht ging. Oder weil er sich durch Kritik gekränkt fühlte. Oder weil er Angst vor Vertragsstrafen hatte. So wirft es ihm, die mehr als 30-seitige Anklageschrift vor, die gestern fast zwei Stunden lang am Landgericht verlesen wurde. Sie lautet auf sechsfachen Mord und dreifachen versuchten Mord.

Todespfleger von Ottobrunn: Anklagter schweigt

Doch der Todespfleger sitzt nur stoisch auf der Anklagebank. Er regt sich nicht, er sagt auch nichts. Sein Gesicht ist aufgedunsen. Der Bauch beult sich unter dem gestreiften Shirt, darüber schwabbelt eine hellblaue Strickjacke. „Der Mandant möchte derzeit keine Angaben machen“, sagen seine Verteidiger Birgit Schwerdt und Alexander Eckstein.

Laut Gesetz ist das erlaubt: Angeklagte müssen sich nicht zum Tatvorwurf äußern. Doch die Vorwürfe sprechen für sich: „Krasse Eigensucht“ und „rücksichtsloses Gewinnstreben“ wirft die Staatsanwaltschaft dem Polen vor. Er soll seine Opfer drangsaliert und bestohlen haben. Teilweise zur Vollzeit-Pflege war er den betagten Menschen zugeteilt. Doch als sie ihm lästig wurden, soll er einen perfiden Plan verfolgt haben – und spritzte ihnen das Insulin, damit sie akut behandlungsbedürftig werden und in einer Klinik versorgt werden müssen. 

Todespfleger von Ottobrunn: Pfleger saß bereits im Gefängnis

Selbst Diabetiker, wusste W. um die potenziell tödliche Wirkung der Spritzen. Teilweise benachrichtigte er sogar die Angehörigen, die gestern fassungslos im Gerichtssaal saßen. Denn am Ende starben sechs Menschen – mutmaßlich durch die wulstigen Hände des Mannes, der gestern eisern schweigt.

Zwischen dem 12. April 2017 bis zum 12. Februar 2018 hatte W. als Pflegekraft in mehreren Haushalten gearbeitet. Eine Agentur hatte ihn dorthin vermittelt. Seine Vorgeschichte wurde dort nie geprüft: Wegen Betruges saß W. bereits sieben Jahre in Polen im Knast

Pflege-Experte Claus Fussek
Pflege-Experte Claus Fussek © Sigi Jantz

Als er freikam, machte er einen 120-Stunden-Kurs und wurde sofort als Pflegehelfer nach Deutschland geschickt. „Alle wissen, es ist ein grauer Markt“, sagt Pflege-Experte Claus Fussek – auch er ist geschockt. Denn schon mit 13 Jahren war Grzegorz W. kriminell. Hätten die Angehörigen das gewusst? Vermutlich hätten sie den Mann nie in ihr Haus gelassen. Die Taten hat er im Polizei-Verhör bereits gestanden. Der Prozess dauert bis Mai 2020. 

In Essen ist es während einer Urteilsverkündung zu einer gewaltsamen Situation gekommen. Zwei verfeindete arabische Großfamilien gingen aufeinander los.

Außerdem: Eine Krankenschwester wird verdächtigt, mehrere Frühchen mit Morphium vergiftet zu haben.

Andreas Thieme

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