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Teurer Klimaschutz: Erwischt Baerbocks Plan die Armen eiskalt?

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Sie sei arrogant und unsozial: Im Benzinpreis-Streit muss Annalena Baerbock (Grüne) vor dem Parteitag viel einstecken. Ist die Kritik denn überhaupt berechtigt?

Hamburg/Berlin – Der Zoff um einen höheren Benzinpreis geht weiter: Wenige Monate vor der Bundestagswahl ist eine heftige Kontroverse über die sozialen Folgen des Klimaschutzes entbrannt. Mit deutlichen Worten wiesen die Grünen die Kritik an der von Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock* geforderten Spritpreis-Erhöhung* zurück. Eine Brandmarkung des grünen Konzepts als unsozial durch SPD und CDU sei „heuchlerisch“, sagte Vize-Chefin Ricarda Lang am Montag in der ARD-Sendung „Hart, aber fair“. Es sei „respektlos“, wenn „man die Leute verarscht“, die wenig Geld im Portemonnaie hätten.

Deutsche Politikerin:Annalena Charlotte Alma Baerbock (Grüne)
Geboren:15. Dezember 1980 (Alter: 40 Jahre) in Hannover
Privat:verheiratet, zwei Kinder, wohnhaft in Potsdam
Aktuelle Ämter:Bundesvorsitzende und Bundestagsabgeordnete

Seit einer Woche geht ein Aufschrei durch die Republik. Vordergründig ausgelöst wurde er von Baerbock. Die grüne Kanzlerkandidatin*, die im kommenden September Nachfolgerin von Bundeskanzlerin Angela Merkel* (CDU) werden will und bereits mit ihrem Vorstoß zu einem Tempolimit teilweise in die Kritik geraten war*, hatte zur Erreichung der deutschen Klimaziele eine Erhöhung des Benzinpreises um 16 Cent pro Liter bis 2023 ins Spiel gebracht.

Annalena Baerbock (Grüne): Höherer Preis für Benzin und Heizen – zahlen die Armen für den Klimaschutz?

Daraufhin war ein Sturm der Entrüstung losgebrochen. Die Linke warf der regierungsunerfahrenen Baerbock* vor, sie agiere „arrogant“ und „unsozial“, weil sie damit die kleinen Leute treffe, während ein höherer Benzinpreis die Superreichen in ihren Luxusautos nicht weiter stören würde. Und auch SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz warnte vor den sozialen Folgen*, wenn weiter ungebremst an der „Benzinpreisschraube“ gedreht werden würde. Das zeige, wie egal den Grünen die Nöte der Bürgerinnen und Bürger wären, äzte der Vizekanzler. Baerbock führe einen „Feldzug gegen Autofahrer“, der insbesondere Pendler im ländlichen Raum ausnehme, ergänzte CSU-Generalsekretär Markus Blume noch am Dienstagabend.

Ein SUV von Audi rast an einer Tankstelle vorbei. Im Hintergrund ist eine Tafel mit den Benzinpreisen zu sehen.
Fahrer von Luxusautos sollen höhere Benzinpreise bezahlen. Das fordert Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock (Grüne). © imago stock&people/Eibner

Der Streit eignet sich zum Wahlkampfschlager und wirft zugleich ein Licht auf eine berechtigte Frage: Wie teuer kann und darf Klimaschutz sein, der angeblich für immer mehr Deutsche wichtig wird*? Fakt ist: Das Tempo bei den Umweltmaßnahmen wird höher werden. Nach einer erfolgreichen Klage von Umweltverbänden vor dem Bundesverfassungsgericht musste die aktuelle Bundesregierung die Klimaschutzziele nachschärfen. Statt 55 Prozent der CO2-Emissionen müssen im Vergleich zu 1990 nun bis zum Jahr 2030 zwingend 65 Prozent eingespart werden.

Annalena Baerbock: Bündnis90/Die Grüne wollen Kosten für sozial Schwächere abfedern

Die vorgeschriebene Reduktion wird höhere Kosten auslösen und zwangsläufig die Treibhausgastreiber wie Autofahren, Heizen oder die Stromproduktion verteuern. Bereits die Große Koalition hat eine Erhöhung der Benzinpreise um 15 Cent bis 2025 vorgesehen. Das Problem: Da ärmere Haushalte im Vergleich zu reicheren nun prozentual gesehen einen höheren Anteil für die alltäglichen Dinge wie Benzin oder Strom aufbringen müssen, droht ihnen in der Tat in den kommenden Jahren eine zusätzliche Belastung, egal unter welcher Bundesregierung. Ob SPD, CDU, Grüne, FDP oder Linke – wenn eine künftige Koalition eine soziale Schieflage vermeiden will, muss sie zwangsläufig umsteuern.

Nach einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ haben die Grünen bislang als einzige Partei ein Konzept zur sozialen Abfederung der zu erwartenden Klimakosten vorgelegt. So soll laut dem Wahlprogramm* „Deutschland. Alles drin“, das am kommenden Wochenende auf einem Parteitag zur Abstimmung steht, ein Energiegeld klimafreundliches Verhalten belohnen und Menschen mit geringem Einkommen entlasten.

Die Idee: Wer wenig verdient, einen Kleinwagen fährt und eine kleine Wohnung beheizt, soll einen hohen Anteil an Energiegeld zurückbekommen. Berechnungen zufolge könnten die Rückzahlungen vielleicht sogar höher ausfallen als die geplanten Mehrkosten. Wer allerdings mit einem großen SUV durch die Gegend brettert und zu zweit eine riesige Villa bewohnt, zahlt drauf. Daneben soll, so das Konzept, Bahnfahren billiger gemacht und Leute zum Umstieg motiviert werden.

Bundestagswahlkampf: Kanzlerkandidaten von SPD und CDU schlachten Baerbocks Fehler knallhart aus

„Klimaschutz lässt sich sozial gestalten, man muss es nur wollen“, sagte Baerbock in der vergangenen Woche. Ihr Problem ist nur: Mit ihrem Konzept der sozialen Abfederung ist sie kaum durchgedrungen. Das kann sie aber kaum ihren politischen Gegner anlasten. Zu sehr hat sie in den vergangenen Tagen und Wochen in ihrem Auftreten eigene Fehler provoziert, mit denen sie eine inhaltliche Debatte selber torpedierte.

Erst leistete sie sich Ungenauigkeiten bei der Angabe von Nebeneinkünften*, dann schummelte sie bei ihrem Lebenslauf* – und verspielte damit ihr zwischenzeitliches Umfragehoch. Dass ihre Kontrahenten Olaf Scholz (SPD) und Armin Laschet (CDU) ihr angekratztes Image ausnutzen und ihr gleich den nächsten Umfrage-Dämpfer* verpassen, dürfte die 40-jährige Grüne eigentlich nicht überrascht haben. Immerhin ist Wahlkampf. * 24hamburg.de, merkur.de und auto24.de sind ein Angebot von IPPEN.MEDIA.

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