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Tierquälerei bei Milchhof nahe Flensburg: Video zeigt vermeintliche Missstände in Betrieb – wehrlose Kühe geschlagen

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Deutsches Tierschutzbüro veröffentlicht erschreckende verdeckte Recherche, die mutmaßliche Tierquälerei in einem Milchbetrieb bei Flensburg (Schleswig-Holstein) zeigt. In dem Video ist zu sehen, wie Kühe getreten und geschlagen werden.

Update vom 10. September 2020, 17:19 Uhr – Flensburg (Schleswig-Holstein): Auch der NDR* und Panorama3 berichteten im Juli 2020 von dem Milchbetrieb bei Flensburg. Nun distanziert sich der Sender mit einer Stellungnahme von der damaligen Berichterstattung und erklärt, dass sein Fernsehbeitrag ein „verzerrtes Bild der Wirklichkeit“ dargestellt hätte.

Stadt in Schleswig-HolsteinFlensburg
Fläche56,38 km²
Wetter19 °C, Wind aus W mit 19 km/h, 61 % Luftfeuchtigkeit
Bevölkerung85.942 (31. Dez. 2015)
Vorwahl0461
BürgermeisterinSimone Lange

Anlass der großen medialen Berichterstattung über den Milchbetrieb war ein Video des Deutschen Tierschutzbüros, welches Aufnahmen aus einem Milchviehbetrieb nahe Flensburg öffentlich machte. Der im Video dokumentierte Umgang mit Milchkühen legte die von 24hamburg.de* verwendeten Bezeichnungen „Horror“ und „Tierquälerei“ nach Auffassung der Redaktion trefflich nahe, da im Video Szenen auftauchen, in denen Kühen unter anderem ins Gesicht getreten wird. Auch die Echtheit des Videos wurde im Nachhinein von dem Landwirt bestätigt.

Der NDR gibt in seinem Nachbericht vom 8. September 2020 zu Bedenken, dass die Videoaufnahmen nur eine Momentaufnahme des Hofs zeigen und nicht die gesamte Realität im Betrieb abbilden würden. Der Sohn des Milchwirts, welcher im Video Kühe schlägt, entschuldigte sich später öffentlich für sein Verhalten: „Die Aufnahmen sind nicht schön anzusehen und es tut mir leid, dass so etwas passiert ist“. Nachträgliche Recherchen des Senders haben ergeben, dass eine Tierärztin den Hof wöchentlich besucht und die im Video gezeigten verletzten Kühe behandelt. Der Amtstierarzt Dr. Jaritz sehe „keine tierschutzrelevanten Sachverhalte“.

Auch die Molkerei schickte nach dem Aufsehen erregenden Video einen Kontrolleur für ein „unangekündigtes externes Audit“ in den Hof. Dabei wurde die Hygienequalität der Milch mit 13 von 14 Punkten bewertet. Die Milch kranker Kühe würde nicht weiter verwendet und aussortiert werden, erklärt der Landwirt. Auch 24hamburg.de berichtete in einem anderen Artikel ausführlicher* über den Fall. Darin wurde unter anderem Prof. Dr. Schallenberger, Vertrauensmann Tierschutz in der Landwirtschaft Schleswig-Holstein zitiert, der den Betrieb als „einen der überdurchschnittlichen Höfe“ bezeichnet.

Milchkühe dicht an dicht in einem Stall. Die Euter sind an eine Melkmaschine angeschlossen.
Versteckte Kameras dokumentieren mutmaßliche Tierquälerei in einem Flensburger Milchhof. © obs/Deutsches Tierschutzbüro e.V./dpa/picture alliance

Deutsches Tierschutzbüro: Video aus Milchbetrieb (Schleswig-Holstein) – Bilder zeigen getretene Kühe

Erstmeldung vom 1. Juli 2020, 11:42 Uhr: Flensburg – Ein kleiner, regionaler Milchbetrieb nahe Flensburg (Schleswig-Holstein) wirkt recht unscheinbar. Doch innerhalb kürzester Zeit verwandelt er sich zum Skandal-Betrieb, gegen den sogar die Staatsanwaltschaft ermittelt – ein immenser Imagewandel. Auslöser ist eine Undercover-Recherche des Deutschen Tierschutzbüros.

Dem Deutschen Tierschutzbüro wurden Videoaufnahmen aus besagtem Milchbetrieb in Wees bei Flensburg zugespielt. Die Tierschützer machten das Video daraufhin öffentlich. Die Bilder zeigen, wie die Kühe brutal misshandelt werden. Es ist erkennbar, wie Tieren ins Gesicht getreten wird. Sie werden mit Besenstielen geschlagen werden, weil sie sich nicht schnell genug in den Melkstand bewegen. Ein Mitarbeiter, offenbar der Sohn des Betreibers, schreit die Kühe an: „Meine Fresse, du behinderte Mistsau!“, „Mann, du dämliches Scheißvieh!“, „Gleich knallt das aber hier!“.

Teilweise humpeln die Kühe, bei einigen erkennt man Verletzungen. „Mehrere Mitarbeiter*innen gehen extrem grausam mit den Kühen um, der brutale Umgang ist jedoch offenbar völlig normal in dem angezeigten Betrieb und gehört zur Tagesordnung“ kritisiert Jan Peifer. Er ist Vorstandsvorsitzender beim Deutschen Tierschutzbüro.

Mutmaßliche Tierquälerei in Milchbetrieb in Schleswig-Holstein: Staatsanwaltschaft Flensburg ermittelt

Eigentlich handelt es sich bei dem Milchbetrieb um ein kleines, regionales Familienunternehmen mit nur wenigen hundert Tieren. Brutale Tierquälerei ist hier auf den ersten Blick vermutlich nicht zu erwarten. „Ein maximaler Kontrast, zu der uns immer wieder vorgegaukelten schönen Werbewelt der Milchindustrie“, verdeutlicht das Deutsche Tierschutzbüro.

Die Tierschützer wurden direkt aktiv und haben mit einer Strafanzeige gegen die Inhaber des Milchbetriebs reagiert. Die Staatsanwaltschaft Flensburg hat die Ermittlungen wegen Verdacht auf Verstoß gegen das Tierschutzgesetz bereits aufgenommen - „Nun müssen insbesondere die Aufnahmen, die die Tierquälerei zeigen sollen, ausgewertet und der Beschuldigte gehört werden“, sagte eine Sprecherin auf „Mopo“-Nachfrage.

Billig-Horrormilch aus Schleswig-Holstein im Supermarkt: Diese Marken stecken dahinter

Wie das Deutsche Tierschutzbüro informiert, wird die Milch des besagten Betriebs an die Firma „Deutsches Milchkontor“ (DMK) in Nordhackstedt (Schleswig-Holstein) geliefert - dies habe der DKM bereits schriftlich bestätigt. Hinter diesem Unternehmen verstecken sich bekannte Milchmarken, die in jedem Kühlregal bei Supermärkten zu finden sind: Milram, Humana und Alete. Tierschützer rufen daher die Verbraucher zum Boykott dieser Marken auf. Auf ähnliche Weise machen sich die Hamburger Vegan-Youtuber Gordon Prox und Aljosha Muttardi („Vegan ist ungesund“) für den Verzicht auf tierische Produkte stark.* Auch Foodwatch will Verbraucher darüber aufklären, was wirklich in Supermarkten-Produkten steckt.*

Der Deutsche Milchkontor könne sich nicht vorstellen, die Zusammenarbeit mit dem Skandal-Milchbetrieb bei Flensburg zu beenden. Dies erklärte das Unternehmen gegenüber dem Deutschen Tierschutzbüro mit der Begründung, dass sie bei eigenen Kontrollen im Milchbetrieb nichts zu beanstanden hätten. „Es ist doch klar, dass ein Landwirt niemals eine Kuh schlagen oder misshandeln wird, wenn gerade ein Kontrolleur neben ihm steht“, meint Jan Pfeifer. Das Video würde die tatsächlichen Zustände abbilden.

Blick auf ein Kühlregal mit Milchverpackungen in einem Rewe-Supermarkt.
Das Milchregal in einem deutschen Supermarkt. (24hamburg.de-Montage) © Nestor Bachmann/dpa/picture alliance

Milchbetrieb bei Flensburg: Missstände auch in anderen Höfen in Norddeutschland

Nach Auffassung des Deutschen Tierschutzbüros handele es sich bei den Zuständen, wie sie im beschriebenen Milchbetrieb dokumentiert worden sind, nicht um Einzelfälle. Mit ihrer der Undercover-Recherche „Das Leiden der Kühe – Geprügelt für Milch“ wollten die Tierschützer „aufzeigen, wie Kühe heutzutage gehalten werden und dass Milch alles andere als ein natürliches Produkt ist“. Die Nachricht, dass Puten-Küken in Niedersachsen eventuell „notgekeult“ werden könnten, hat ebenfalls schockiert.

Ähnliche Tierquälerei-Vorwürfe werden derzeit gegen einen weiteren norddeutschen Milchhof-Betreiber in Syke-Osterholz (Niedersachsen, nahe Bremen*) erhoben, darüber berichtet kreiszeitung.de.* Die öffentliche Debatte um Verbesserung der Zustände in der deutschen Nutztierhaltung und in Schlachtbetrieben wird außerdem durch die Coronavirus-Ausbrüche in mehreren deutschen Schlachthöfen*(24hamburg.de berichtete) angekurbelt, die sogar bei Markus Lanz (ZDF) thematisiert werden.*

Selbst ehemalige Vertreter der Fleischindustrie stehen der Branche zusehens kritisch gegenüber: ein Ex-Metzger packte kürzlich mit erschreckenden Details über die Wurstverarbeitung aus. Tierschützer von PETA grillten einen Hund auf offener Straße, um Fleischesser zu provozieren. *24hamburg.de, nordbuzz.de und kreiszeitung.de sind Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerkes

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