Absichtserklärungen lösen noch keine Klimakrise, müssen auch die vom eigenen Erfolg begeisterten Aktivisten einräumen: «Eine Debatte verringert noch nicht den CO2-Austoß», sagt etwa Jakob Blasel, Klimaaktivist aus Kiel und Mitinitiator des Dortmunder Sommerkongresses. Nachbesserungsbedarf sieht der Protestforscher Rucht auch an anderer Stelle: Es fehle dem losen, dezentralen Bündnis an klaren Verantwortlichkeiten und gewählten Delegierten, Entscheidungsabläufe seien auch nach mehreren Monaten des Bestehens «diffus und intransparent», kritisiert Rucht. Solange diese Fragen nicht klar geregelt seien, bleibe es «ein auf Improvisation beruhendes Zuruf-System», das auf Dauer nicht legitim sei.
Was hat die Bewegung so stark gemacht?
Die Auseinandersetzung um den Hambacher Forst, der Dieselskandal, internationale Klimagipfel und seit Jahren andauernde Debatten in Politik und Wissenschaft - der Boden für die Forderungen sei bereitet gewesen, sagt Rucht. «Darauf konnten die jungen Protestierenden aufsatteln und sich mit der ungewöhnlichen Figur Greta Thunberg und als junge Protestgeneration medial gut darstellen», so Rucht. Anders als etwa 68er-Studenten setzen sie dabei nicht auf scharfe Lagerbildung, sondern präsentieren sich «friedlich, nett, ohne Aggressivität.» Jugendforscher Hurrelmann ergänzt, dass sich eine Politisierung der nach 2000 Geborenen bereits angebahnt habe. Im Unterschied zu den Generationen davor hätten diese Jugendlichen in Zeiten guter Konjunktur und Fachkräftemangels das Signal erhalten, am Arbeitsmarkt gebraucht zu werden. «Damit haben sie den Rücken frei und können sich um das Gemeinwohl kümmern», glaubt Hurrelmann.
Was wird nun aus der Bewegung?
«Fridays for Future hat das Potenzial, sich mittelfristig zu etablieren, es gibt aber keine Garantie, ob es gelingt, dem drohenden Burn-Out zu entgehen», sagt Rucht. Das mediale Interesse werde abflauen, auch auf der Straße lasse der Zulauf inzwischen sichtbar nach. «Aber auch dann kann es auf kleinerer Flamme weitergehen», so der Experte. Die Bewegung dürfe sich allerdings nicht im freitäglichen Streikritual erschöpfen, sondern müsse Position beziehen zu Themen jenseits der Klimakrise, etwa zur Frage, wie Demokratie oder Wirtschaft gestaltet sein sollen. «Doch je konkreter politische Vorstellungen formuliert werden, desto stärker die Gefahr offener Auseinandersetzung», sagt Rucht. Konflikt drohe auch, wenn möglicherweise über eine härtere Gangart beim Einsatz von Mitteln des zivilen Ungehorsams oder über vertiefte Allianzen mit etablierten Akteuren der Klimapolitik gesprochen werden müsse - alles Fragen, die sicher auch beim Kongress in Dortmund eine Rolle spielen dürften.
Fridays for Future Forderungen
Experten des Instituts für Protest und Bewegungsforschung zu Fridays for Future