Einigen stößt auf, dass mutmaßliche Opfer sexueller Gewalt sich erst Jahre später zu Wort melden. Das Wort «Hexenjagd» fällt. Schließlich könne nach so langer Zeit meist niemand mehr beweisen, was war - und was nicht. Aussage gegen Aussage. Es gilt die Unschuldsvermutung. Eine falsche Verdächtigung kann Existenzen zerstören. Keine Frage, auch für Medien ist das Thema kein einfaches. Wann genießt das Persönlichkeitsrecht eines mutmaßlichen Täters größeren Schutz als Interesse an umfassender Berichterstattung? Immer wieder eine Gratwanderung.
Und die Frauen, die nun «Ich auch» sagen - sie müssen sich auch diese Fragen gefallen lassen: «Warum seid ihr damals nicht zur Polizei gegangen?» oder «Wieso habt ihr solange geschwiegen?»
Der Schauspieler Til Schweiger erinnert bei «Markus Lanz» an die «wahnsinnige Macht», die Wedel früher gehabt habe. Ein «Fernsehgott» sei er gewesen. «Wo soll diese Frau, die sowieso schon traumatisiert ist durch das, was man ihr angetan hat, wo soll sie den Mut hernehmen und gegen diesen Übermenschen auszusagen oder vorzugehen?», verteidigt er eine der Schauspielerinnen, die heute Vorwürfe erhebt. Gerichtsreporterin Gisela Friedrichsen versteht hingegen nicht, warum die Frauen den Fall nicht angezeigt haben. «Dann wäre Schluss gewesen», sagt sie.
Eine EU-weite Studie aus dem Jahr 2014 kommt zu dem Ergebnis, dass nur ein Bruchteil der Frauen, die sexuelle Gewalt erlebt haben, überhaupt zur Polizei geht oder sich bei anderen Organisation Hilfe sucht. Ein Grund dafür ist Scham. Andere Opfer glauben, schon selbst oder mit der Hilfe von Freunden oder Familie mit dem Vorfall fertig zu werden.
Wie wird man in 10 oder 20 Jahren auf diese Zeit zurückblicken? Als Deutschland darüber diskutierte, ob das denn wirklich alles sein müsse: die weibliche Anrede auf dem Sparkassen-Formular. Das dritte Geschlecht. Die Ehe für Alle. Das Gendersternchen in der Sprache («Lehrer*innen»), damit sich alle gemeint fühlt.
Ob sich noch jemand an das missglückte Kompliment erinnern wird, von dem sich eine Berliner Staatssekretärin angegriffen fühlte? Oder an das angeblich frauenfeindliche Gedicht von Eugen Gomringer an einer Hochschul-Fassade? Vieles wurde in der Diskussion um MeToo in einen Topf geworden. Was davon bleiben wird, könnte einmal Stoff für Doktorarbeiten werden.
Kolumne von Thomas Fischer bei Zeit Online
Hansjürgen Karge bei Anne Will
Weinstein-Artikel in der New York Times
EU-Studie zur Gewalt gegen Frauen
Mehrheit sieht keine Gleichberechtigung
Frauen und Männer in Deutschland sind uneins in der Frage, ob es eine Gleichberechtigung der Geschlechter gibt. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur mit 2036 Teilnehmern hervor.
Auf die Frage «Sind Frauen und Männer Ihrer Meinung nach in Deutschland gleichberechtigt?» antworteten nur 32 Prozent der Frauen mit Ja. Bei den Männern waren es dagegen 57 Prozent. 63 Prozent der Frauen antworteten dagegen mit «Nein» oder «eher Nein», bei den Männern waren es 39 Prozent.
Die Antworten auf die Gesamtbevölkerung bezogen ergeben folgendes Bild: 44 Prozent aller Erwachsenen in Deutschland sehen Frauen und Männer in der Gesellschaft als eher gleichberechtigt, 51 Prozent eher nicht. Der Rest machte jeweils keine Angabe oder antwortete mit «Weiß nicht».