1. Startseite
  2. Kultur

Schauspieler Norbert Kentrup blickt auf 50 Jahre Theaterleben zurück

KommentareDrucken

-
7af158dc-0dfc-4905-b67e-2bc44e1b352d.jpg © -

Bremen - Von Frank Schümann. „Nach all dem Rummel, den man sein Leben lang veranstaltet hat, wie soll man da bescheiden sein?“ Norbert Kentrup schreibt diesen Satz gegen Ende seines Buches, das 50 Jahre Theaterleben zusammenfasst. „Der süße Geschmack von Freiheit“ heißt es (erschienen im Kellner Verlag), und dem viele Jahre in Bremen wirkenden Theatermann ist damit mehr als eine Autobiographie gelungen - es ist zugleich ein Buch, das viel über die Geschichte des deutschen Theaters erzählt.

Von den Umständen, dem man als junger Mensch im Theaterbetrieb ausgesetzt ist, und von den Schwierigkeiten, die eigenen Ideale auch im zunehmenden Alter umsetzen zu können. Vor allem spiegelt das Buch aber Kentrups Ansichten, Haltungen, Entwicklungen, erzählt auf zuweilen extrem persönliche, offene Art aus seinem Leben - dem „Ankommen, Untergehen und Auferstehen“, wie es im Klappentext treffend heißt.

Dem in seinen Jahren bei der „bremer shakespeare company“ oftmals so wuchtig und fordernd aufgetretenen Schauspieler gelingen dabei durchaus leise, berührende Töne. Der eingangs zitierte Satz stammt aus einem äußerst stillen Moment: Er schildert Kentrups Gedanken nach einem Herzinfarkt, den er vor neun Jahren erlitt, und bezieht sich auf die Frage, was noch geht, wenn nichts mehr ginge - Bescheidenheit sei nach diesem Leben schwierig, schreibt Kentrup.

Ein Leben, das reich war an Höhepunkten, immer aber auch geprägt von äußeren Kämpfen, innerem Reflektieren und dem Anspruch, es besser machen zu wollen. Der 1949 in Düsseldorf geborene Mime hat sich es sich und anderen nicht immer leicht gemacht, wie er in seinem Buch auch einräumt. Mit unbändigem Willen und großer Lebens- und Kampfeslust hat er immer wieder Herausforderungen angenommen - und dabei mit seinen Mitstreitern auch die freie Theaterszene der Bundesrepublik in den 80er-Jahren nachhaltig beeinflusst.

Nach seiner Ausbildung an der Essener Folkwang-Schule fing Kentrup am Bremer Theater an, in der Zeit des Bremer Stils unter Intendant Kurt Hübner: „Ich lief wie Alice im Wunderland durch das Theater und durfte in diesem Kreativurwald mitspielen, mitmachen, zuschauen.“ Er trainierte im Ballettsaal bei Hans Kresnik mit, intervenierte bei Hübner mit schlotternden Beinen wegen eines Jugendprojekts und stritt mit Rainer Werner Fassbinder, in dessen legendärer Uraufführung „Bremer Freiheit“ er besetzt war. „Mir war nicht klar, wie berühmt er war“, schreibt Kentrup, „und entsprechend verhielt ich mich normal, wie ein Hund oder ein Pferd, wenn die Queen kommt.“ Anschließend wechselte Kentrup ans Schauspiel Frankfurt, arbeitete wieder mit vielen Großen wie Dario Fo - und stellte endgültig fest, dass es etwas anderes geben müsse als das Staatschauspiel; zumindest für ihn.

Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Dagmar Papula gründete er seine erste freie Theatertruppe, die Mobile Rhein Main Theater GmbH, und nach einer Zwischenzeit auch eine zweite - die „bremer shakepeare company“. Kentrup beschreibt diese Entwicklung als großes Glück, als Fügung: „In Bremen kam etwas zusammen, was vorher nicht zu sehen, zu begreifen, zu denken war. Plötzlich fanden die richtigen Menschen am richtigen Ort ihren Platz.“ Es beginnt eine große Erfolgsgeschichte; Kentrup gilt in Bremen als „Frontmann“ und Gesicht der Truppe, die schon bald Stammgast im Fernsehen ist und in der ganzen Republik gastiert. Schon länger andauernde Spannungen führen 2001 zum Bruch. Kentrup gründet daraufhin mit „Shakespeare und Partner“ seine dritte freie Gruppe, wieder mit Dagmar Papula an seiner Seite. Zu diesem Zeitpunkt hat er bereits ein anderes Abenteuer hinter sich: als Ensemble-Mitglied des neuen Londoner Globe Theatres spielte er 64mal den Shylock in Shakespeares „Kaufmann von Venedig.“

„Der süße Geschmack von Freiheit“ ist die Innenansicht eines Theaterbesessenen, die als Autobiografie, aber auch als Reflexion über das Theater an sich zu lesen ist. Über allem steht schier unerschütterlich die Liebe zu seinem Beruf. „Wenn ich gutes Theater sehe, komme ich nach wie vor wie auf Wolken nach Hause“, schreibt er. „Theater, das ich nicht mag, bringt mich um.“

Zum Weiterlesen

Norbert Kentrup: „Der süße Geschmack von Freiheit“, Kellner Verlag, 18,90 Euro.

Auch interessant

Kommentare