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Der Abstand, den man zum Denken braucht

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Bremen - Von Jan-Paul Koopmann. In der Galerie K’ wird Kunst zerstört. Einige von den Künstler selbst, andere dokumentieren den Schaden nur – aber zu Bruch geht überall was in den Arbeiten der zum Sommerfest am Samstag eröffnenden Interims-Ausstellung. Doch dafür, dass das Thema schon ziemlich knallt, muss man mitunter doch sehr genau hinsehen, um die Schäden zu besichtigen.

Beim Ruß- und Wachsfleck an der Wand ist die Sache noch ziemlich klar. Sofia Duchovny hat ein Bild verbrannt, direkt hier an der Galeriewand. Verbrennen dürfte die wohl eindringlichste Art sein, Kunst zu verschrotten – so nah an der Urgewalt und der dazugehörigen Angst. Das gilt gerade auch im Kontext Kunst, wo das verbrannte Buch für viel mehr steht als nur für verkokeltes Papier. Es ist schon ein paar Jahre her, aber dennoch unvergessen, wie das italienische „CAM“-Museum Teile seiner Sammlung verbrannte, um auf existenzbedrohende Geldprobleme hinzuweisen. Doch bevor jemand unruhig wird: Duchovny hat nichts von Sibylle Springer angezündet: Deren zwei neue Arbeiten hängen unbeschadet nebenan.

Zerstört aber wird auch hier – in einem selbst wieder schöpferischen Prozess. Man kennt es aus älteren Arbeiten der Künstlerin: das Übermalen historisch gewordener Gemälde mit Acryl. Hier trifft es zwei Rokoko-Damen, die unter wässrigen Flecken und bemerkenswert vielschichtigen Farbattacken zwar noch einigermaßen erkennbar sind, sich aber doch mindestens ihrer Altehrwürdigkeit beraubt zeigen. Schaden hat das Material genommen, zu dem Springer eben auch Teile der Abbildung degradiert – ihren Gehalt aber haben sie wie im Schlaglicht pointiert erhalten.

So viel jedenfalls ist klar: Der Ausstellung und ihrem Kurator Radek Krolczyk geht es nun wirklich nicht darum, einfach irgendwas kaputt zu schlagen. Bei Ulli Bomans’ Müllkollagen scheint auf den ersten Blick sogar das Gegenteil passiert zu sein. Da hängen mit seiner Serie „Snippets“ Straßenfunde eng verschachtelt an der Wand. Sie stammen aus je einer Stadt – Los Angeles, New York, Detroit, Lissabon – und erzählen deren Geschichte. Oder zumindest je eine davon. Los Angeles etwa steht im Zeichen der Kulturindustrie: Fetzen alter Konzertplakate, Lautsprecherkabel und Preisschilder. Aus der Ferne grüßt Hollywood mit ein paar Oscars im Kleinstformat, noch eingeschweißt und mit Barcode drauf: „Made in Ningbo, China“. Was hier zerknittert und buchstäblich weggeworfen wurde, ist Kunst, weil es jemand aufgehoben und arrangiert hat. Aber ist das nicht immer so? Vielleicht ist es diese Antithese, die die Ausstellung so interessant macht: Zerstörung als ein Umsortieren des Materials.

Ein unerwartet versöhnlicher Gedanke, der auch in Jessica Buhlmanns Arbeiten schlummert: Über chaotisch in Öl gemusterten Glas-Untergründen schweben klar definierte Formen in grellen Farben, meist lösen scharfe Kanten und geschwungene Rundungen einander ab. Sie scheinen einem Prinzip zu folgen, das von außen zwar nicht durchschaubar ist, aber doch ordnend wirkt.

Insgesamt stellt sich das K’-Interim auffallend ruhig dar, trotz des Zerstörungsthemas. Vielleicht, weil es den Abstand wahrt, den man zum Denken braucht. Es wäre verlockend gewesen, Sofia Duchovny das Wachsbild Samstag auf der Vernissage in Brand stecken zu lassen. Aber nein, sagt der Kurator, dem es nicht um den Knalleffekt geht. Das wäre, wie im Asia-Imbiss Flambiertes zu bestellen: „Mit ‘Ah’ und ‘Oh’ und dann ist es vorbei.“ Da ist es doch spannender, ganz unaufgeregt durch die Trümmer zu spazieren.

Ausstellung bis 9. September, Sommerfest und Eröffnung: Samstag, 18 Uhr, Galerie K’, Alexanderstr. 9b, Bremen.

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