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Weserburg zeigt verzweifelte Hausfrauen

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Cindy Sherman: Untitled. - Foto: Cindy Sherman / Metro Pictures, New York
Cindy Sherman: Untitled. © Cindy Sherman / Metro Pictures, New York

Bremen - Von Rolf Stein. Sich selbst zu fotografieren, ist keine Kunst. Jedenfalls nicht immer – und wahrscheinlich heute weniger denn je. Dank Smartphones, Selfie-Sticks und sozialer Medien hat sich die Menge fotografischer Selbstporträts explosionsartig vervielfacht. Dass die 1954 in New Jersey geborene Fotokünstlerin Cindy Sherman damit ursächlich zu tun hätte, lässt sich kaum behaupten. Auf Instagram ist sie derweil mittlerweile vertreten – mit Selbstporträts. Allerdings tragen diese die ganz eigene Handschrift der Künstlerin.

Damit sind sie zugleich ein Kommentar auf das, was in sozialen Netzwerken so üblich ist. Denn im Grunde findet dort die Verlängerung der gesellschaftlich ausgetragenen Konkurrenz mit digitalen Mitteln statt. Und in diesem Wettbewerb sind schließlich Rollen und Masken immer auch die Mittel der Wahl. Ausführlich lässt sich das ab Samstag in der Weserburg in Bremen nachvollziehen, wo bis zum 24. Februar 2019 eine Schau mit etwas mehr als 60 Arbeiten der Künstlerin seit den späten 70er-Jahren aus der Olbricht Collection zu begutachten ist.

Dass sie sich immer wieder mit Frauenrollen auseinandergesetzt hat, hat Sherman den Ruf einer feministischen Künstlerin eingetragen. Allerdings wird das ihrem Werk eben nur teilweise gerecht – und es ist die Frage, wie groß dieser Teil ist. Denn so wenig wie Sherman einfache Antworten auf die Fragen serviert, die sie verhandelt, so eindeutig geht es ihr darum, Gewissheiten zu stören. 

Am deutlichsten lässt sich das womöglich an ihren Clowns erkennen, einer Serie aus den frühen Nullerjahren, aus der drei Teile in Bremen zu sehen sind. Zwar hatte beispielsweise schon Stephen King in seinem 1986 veröffentlichten Roman „Es“ mit dem Clown Pennywise eine ausgesprochen sinistre Version dieser Narrenfigur geschaffen. Bei Sherman allerdings sind sie eben keine reinen Gruselfiguren, sondern wirken als allerdings hochästhetisierte Fotografien realer – und damit womöglich gar noch ein Stück bedrohlicher.

Verzweifelte Hausfrauen, hilflose Mädchen, hypersexualisierte Überfrauen

Im Kontext des Gesamtwerks Shermans stehen diese Clowns übrigens für eine Zäsur. Hier verwendet sie das erste Mal die Möglichkeiten digitaler Bildbearbeitung, die sie seither weidlich ausnutzt. Und die vielleicht auch ein Produktionsvolumen ermöglichen, dass es erlaubt, auch noch einen Kanal wie Instagram zu bespielen, wie man heute sagt. Etwas übrigens, was sie vor etwas mehr als zwei Jahren in einem Interview mit der „New York Times“ noch als „vulgär“ ablehnte.

Rollen haben Sherman schon früh beschäftigt, auch in ihrer Kunst. Die ältesten Arbeiten in der Bremer Ausstellung sind ihre „Untitled Film Stills“, zu Deutsch etwa: Unbetitelte Filmstandbilder. In ihnen sehen wir Frauen, besser: eine Frau, nämlich Sherman selbst, in unterschiedlichen Rollen. Die Schwarz-Weiß-Ästhetik dieser Bilder erinnert an eine Zeit, in der die Rollenverteilung wohl noch eindeutiger war. 

Gleichwohl sind in den Frauenfiguren Klischees zu erkennen, die bis in die Gegenwart hinein wirken: verzweifelte Hausfrauen, hilflose Mädchen, hypersexualisierte Überfrauen. Wobei vielleicht von heute aus gesehen faszinierender ist, wie Sherman in diesen Bildern, die eben nicht einfach willkürliche herausgepflückte Einzelaufnahmen sind, ganze Geschichten andeutet, ohne sie vollständig zu offenbaren.

Neben der unbedingt sehenswerten Ausstellung, die übrigens für alle Menschen unter 18 Jahren kostenlos ist, hat die Weserburg auch noch ein interessantes Begleitprogramm gestrickt, mit Vorträgen, einem Schreibworkshop und Filmen.

„Cindy Sherman. Werke aus der Olbricht Collection“, Eröffnung am Freitag, 19 Uhr, bis 24. Februar 2019, Weserburg, Bremen.

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