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Die Bremer Galerie Kramer zeigt Arbeiten von Jub Mönster

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Eben noch Dia, jetzt Teil einer ach so idyllischen Landschaft: Nachtwanderinnen verabschieden den Tag, 2015.
Eben noch Dia, jetzt Teil einer ach so idyllischen Landschaft: Nachtwanderinnen verabschieden den Tag, 2015. © Galerie Kramer

Bremen - Von Radek Krolczyk. Eine alltägliche Straßenszene: Eine junge Frau trägt einen Gitarrenkoffer, eine führt ihren Hund spazieren, ein Junge fährt auf einem Skateboard, jemand zeichnet ein Bierwerbeplakat auf die Wand.

Ein Plakat, wie es für gewöhnlich an Häusermauern wie der hier bemalten hängt. Die Fassade wird zum öffentlichen Platz. „En Passant“ ist nur eines von etlichen Fassadenbildern in Bremen, an denen Jub Mönster bereits seit den späten 70er-Jahren arbeitet.

Mönster gestaltete zahlreiche Fassaden in Bremen

Nun zeigt die Bremer Galerie Kramer seine Arbeiten in einer Einzelausstellung. Zu sehen sind Ölbilder und Mönsters berühmte Kugelschreiberzeichnungen. Der 1949 in Oldenburg geborene Künstler, der 1976 sein Studium an der Bremer Hochschule für Gestaltung, heute die Hochschule für Künste, abschloss, hatte es zunächst durch seine vielen Wandbilder schnell zu einiger Bekanntheit gebracht.

Gemeinsam mit Jürgen Schmiedekampf, einem befreundeten Bremer Künstler, gestaltete er im Auftrag der Kulturbehörde zahlreiche Außenfassaden und Innenräume öffentlicher Gebäude, wie Jugendzentren, Schulen oder Radio Bremen.

Realismus - aber doch verfremdet

Jub Mönster wird allgemein als realistischer Maler wahrgenommen. Tatsächlich ist es die äußere Wirklichkeit auf die er sich in seinen Arbeiten bezieht. Sein realistisches Material unterzieht er jedoch ständig Verfremdungsprozessen. Berühmt sind seine Zeichnungen von Prominenten, wie Lou Reed, David Hockney und Dennis Hopper, die er nach selbstgeschossenen Fotos mit Kugelschreibern anfertigt. Oft genug sind nur ihre Hinterköpfe zu sehen.

In der Galerie zeigt er auch mit dem Kugelschreiber gezeichnete Ortsansichten: das Cinema im Ostertor zum Beispiel, mit einem Schild, das den Blues-Brothers-Film von 1980 ankündigt. Ein historisches Bild? Beinahe. Denn es zeigt den Ostertorsteinweg während der Dreharbeiten 2010 für Sven Regeners 80er-Jahre-Roman „Neue Vahr Süd“.

Übermalungen vermischen Relikte verschiedener Zeiten

Ein weiteres zentrales Sujet in Mönsters Werk sind die Übermalungen. Auf Flohmärkten und auf Auktionen kauft er in Öl gemalte Landschaftsbilder unbekannt und unbedeutend gebliebener Maler des frühen 20. Jahrhunderts. Ebenfalls auf Flohmärkten kauft Mönster magazinweise private Dias. Darauf findet er auf Fotomaterial Szenen vergangener Alltage. Beim Durchsehen seiner Materialien stößt er oftmals auch auf allgemeine Situationen, die Menschen als besonders empfanden und sie gerahmt in datierten Kästen archivierten: Hochzeiten und Geburtstage, Ausflüge und Urlaube.

Die Gestalten, die er auf seinen Dias entdeckt, entreißt er ihren Umgebungen und überträgt sie in die gemalten Öllandschaften. Fremd wirken die Figuren der 70er-Jahre-Dias in den Landschaften, die zu Anfang 1900 gemalt wurden. Und obwohl Jahrzehnte zwischen ihnen liegen, haben sie doch eines gemeinsam: Sie wurden als Zeugen der Vergangenheit verwahrlost zurückgelassen. Ihre Wertigkeit liegt hinter ihnen, ihr Zuhause sind die Flohmarkstände, Ramschläden, Sperrmüllhaufen und Müllcontainer. Indem Mönster die schlecht gemalten Waldlandschaften mit den schlecht fotografierten Figuren verbindet, nimmt er zum einen ihre Rettung vor, zum anderen zeigt sich aber auch ihre ganze Traurigkeit.

Einmal fand Mönster auf dem Flohmarkt eine riesige Sammlung voller Diakästen. „Das war ein ganzes Leben“, bemerkte er dazu ein wenig ehrfürchtig. Er kaufte das Konvolut und begleitete bei seiner Durchsicht ein Paar beim Älterwerden. In einem Buch hat er Urlaubsbilder der beiden zusammengestellt, auf denen sie sich gegenseitig an der je selben Stelle fotografieren. Die Bilder sind unscharf, die Ausschnitte schlecht gewählt. Man sieht wie die beiden Menschen älter werden, irgendwann trägt sie eine Perücke. Kunst kennt Mittel, selbst vergangene Leben mit Aktualität aufzuladen. Hätte Mönster sie nicht gefunden, wären von ihnen vielleicht nicht einmal Bilder übrig geblieben.

Die Ausstellung ist noch bis zum 29. April in der Bremer Galerie Kramer zu sehen.

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