Wegen seines Wuchtwerks „Tiere essen“ sind seinerzeit zahlreiche Leser Vegetarier, wenn nicht Veganer geworden – um hinterher zu merken, wie schwer es ist, das durchzuhalten. Der Erfolgsautor des Essenswandels lässt die Wankelmütigen aufatmen, wenn er bekennt, dass er selbst schließlich der eigenen unbändigen Fleischeslust zum Opfer fiel – ausgerechnet mit Burgern aus dem Flughafen-Billigladen. Die eigene Schwäche baut eine Brücke der Empathie zu seiner glockenklar vermittelten Botschaft.
Im Mittelteil seines Buches hämmert der 42-Jährige nämlich humorlos Hintergrundinformationen zum Klimawandel ins Hirn der Leser. Wer eine kleine Enzyklopädie der Klimafakten sucht: Hier ist sie. Besonders beeindruckt die lapidare Liste, wie viel CO2-Emissionen pro Kilogramm in einer Portion Lebensmittel steckt: Rindfleisch (3), Käse (1,11), Schweinefleisch (0,78), Geflügel (0,57), Eier (0,40), Milch (0,33), Reis (0,07), Hülsenfrüchte (0,05), Karotten (0,03) und schließlich Kartoffeln (0,01). Immer wieder (und er dokumentiert das in einem eigenen Anhang) problematisiert er, wie unterschiedliche Berechnungen zustande kommen.
Auch den Klimaleugnern schreibt er eine Sentenz ins Stammbuch: „Es ist gefährlich so zu tun, als wüssten wir mehr, als wir tatsächlich wissen. Aber noch gefährlicher ist es, so zu tun, als wüssten wir weniger.“ Sie nicken beim Lesen? Dann lohnt sich der Blick auf die Gegenseite. Auch die politische Linke bekommt ihr Fett weg: „Vorwürfe können auch ein Mittel sein, sich selbst den Blick in den Spiegel zu ersparen.“
Was also tun? Die vier wirksamsten Maßnahmen gegen den Klimawandel, die der einzelne nach Foers Recherchen ergreifen kann, sind pflanzliche Ernährung, auf Flugreisen und auf ein Auto verzichten und weniger Kinder kriegen. Da alle anderen Maßnahmen in irgendeiner Weise von zahlreichen Rahmenbedingungen abhängen, verkürzt Foer seinen Rat für die Reduzierung von CO2 auf einen einzigen Satz: „Keine tierischen Produkte zum Frühstück und Mittagessen zu konsumieren, spart jährlich 1,3 Tonnen.“ Einfach mal den Planeten schon beim Frühstück retten, so verdichtet der Vater zweier Kinder seine Mitmachvision.
„Wir sind das Klima!“ ist auch formal ein ganz ungewöhnliches Buch, es fasziniert, verwirrt und spricht den Leser auf völlig unterschiedlichen Ebenen an. Der Literat im Autor Jonathan Safran Foer zaubert ein eigenes Kapitel „Gespräch mit der Seele“ zwischen all die Fakten und Fallbeispiele. In einem Selbstgespräch lotet er die Argumente des Zauderns, des Nichthandelns aus, so ehrlich, wie man in den besten Momenten nur zu sich selbst ist. Seine Seele schwankt zwischen Hoffnungslosigkeit, dass alles längst zu spät sei. Und einer Epiphanie, in der der Einsatz des einzelnen sich verbindet mit Erfindungen, Änderungen der Gesetzgebung, mit Graswurzel-Initiativen bis zu Stars, die als Vorbilder fungieren.
Jonathan Safran Foers Buch gräbt sich tief ein durch seine Fakten. So verdichtet er in engeren Argumentationskreisen die Klimakrise auch mit Fragen der Gerechtigkeit. Er schreibt über das Schicksal der Bangladeschi, die weltweit mit am wenigsten CO2 produzieren und damit am wenigsten für die Umweltschäden verantwortlich sind, die ihnen zu schaffen machen. Foers Buch prägt sich nachhaltig ein, weil er seine Sprache – vorzüglich übersetzt von Stefanie Jacobs und Jan Schönherr – immer in den Dienst seiner Sache stellt. „Der Klimawandel ist die größte Krise, der die Menschheit jemals gegenüber stand. Wir können nicht unsere vertrauten Mahlzeiten und zugleich unseren vertrauten Planeten behalten. Eins davon müssen wir aufgeben.“