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Dezentralisierung der Perspektive

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Licht, Schatten, Diagonalen und Menschen: Eva Besnyö: „Starnberger Straße“, Berlin, 1931. Foto: Eva Besnyö
Licht, Schatten, Diagonalen und Menschen: Eva Besnyö: „Starnberger Straße“, Berlin, 1931. © Eva Besnyö

Bremen - Von Rolf Stein. Der Untertitel „Budapest, Berlin, Amsterdam“, die Schwarz-Weiß-Fotos mit kühnem Schwung: Sie vermuten jetzt bestimmt, dass diese Ausstellung politische Obertöne hat. Und Sie haben natürlich Recht. Zu gewaltvoll die Zäsur, die der Zweite Weltkrieg brachte, erst recht für die ungarische Jüdin Eva Besnyö, die in der relativ frischgebackenen Weltstadt Berlin in den frühen 30er-Jahren die künstlerische Moderne entdeckt hatte.

Ihre Heimatstadt Budapest hatte sie gerade verlassen, weil sich Ungarn nach der Niederlage der ungarischen Räterepublik immer stärker zu einem autoritären Staat entwickelt hatte. Wenig später zog Besnyö nach Amsterdam weiter.

Zuvor aber entwickelte sie eine Bildsprache, die heute noch besticht. Deren Entstehung, Blüte, aber auch ihre Krise lässt sich ab Sonntag im Paula Modersohn-Becker Museum in der Bremer Böttcherstraße nachvollziehen. Die Ausstellung „Eva Besnyö - Photographin. Budapest, Berlin, Amsterdam“ zeichnet die drei großen Stationen im Leben der Fotografin mit umfangreichem Material detailliert nach.

Unter dem Eindruck sowjetischer Avantgarde-Filme, die sie mit ihrem Freund György Kepes sieht, entdeckt sie den Alltag als Sujet, die Dezentralisierung der Perspektive, Diagonale und Schatten als gestalterische Prinzipien. Dabei schafft sie auch geradezu ikonische Bilder, wie den „Jungen mit dem Cello“, den sie 1931 am Balaton ablichtet und der in den folgenden Jahrzehnten auf Postkarten, Plattenhüllen und Buchumschläge auftaucht - meist ohne Erwähnung ihrer Autorinnenschaft.

Die Zerstörung Rotterdams durch die Deutschen 1940 bewirkt, neben vielem anderen freilich, eine Zäsur im Schaffen Besnyös. Nach der Bombardierung zieht die Fotografin durch die Stadt und dokumentiert die Zerstörungen - ohne sich von dem künstlerischen Blick freimachen zu können. Später wird sie entsetzt sein über die Ästhetisierung der Trümmer, spricht gar vom „Todesstoß ihrer ästhetischen Photographie“. Beinahe hätte sie die Negative zerstört. Nun sind sie in der Böttcherstraße zu sehen.

Als Mutter von zwei Kindern steckt sie nach den Krieg künstlerisch zurück, machte Porträtaufnahmen, auch um den Lebensunterhalt der Familie zu finanzieren. Und engagiert sich schließlich politisch: Als Reporterin dokumentiert sie die Aktionen der feministischen Gruppe „Dolle Mina“. Auch das ist Teil dieser unbedingt sehenswerten Ausstellung.

Die Ausstellung:

„Eva Besnyö - Die Photographin. Budapest, Berlin, Amsterdam“ ist vom 20. Februar bis zum 22. April im Paula Modersohn-Becker Museum in Bremen zu sehen. Das Museum feiert am 8. Februar den 25. Jahrestag der Wiedereröffnung bei freiem Eintritt. Mehr Informationen: www.pmbm.de

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