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Unglaublich, diese Zaubertür

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Dieser Mann hat ein Buch geschrieben – und ist berechtigterweise ziemlich stolz darauf.
Dieser Mann hat ein Buch geschrieben – und ist berechtigterweise ziemlich stolz darauf. © Ulla Heyne

Bremen - Von Mareike Bannasch. Nicht mal Mozarts Requiem kann er hören. Warum nicht, ist ziemlich schnell erklärt: Klassische Stücke sind einfach zu lang, zumindest dauern sie mehr als drei Minuten. So viel Zeit bleibt für den letzten Gang, da gibt es enge Vorgaben – auch wenn man nur beim Latschen hilft.

So überschaubar ist die Aufgabe des Todes, jedenfalls normalerweise. Heute läuft es aber echt nicht gut für ihn. Statt seinen Auftrag auszuführen und den jungen Mann im festgelegten Zeitrahmen ins Jenseits zu befördern, hat er nun auch noch dessen leicht – drücken wir es an dieser Stelle mal positiv aus – dominante Ex-Freundin an der Backe.

Eine skurrile Reisegruppe ist es, die Thees Uhlmann in seinem ersten Roman versammelt hat. „Sophia, der Tod und ich“ heißt das Buch, das der Sänger und das Gründungsmitglied der Hamburger Band Tomte am Dienstagabend im Bremer Modernes vorstellt. Vor ausverkauftem Haus, der Name Uhlmann zieht, vor allem dank seiner Solokarriere. Nun also ein Buch, zwölf Jahre hat er es vor sich hergeschoben, erst 2014 beginnt der heute 41-Jährige mit dem Schreiben. Vorher fehlte ihm einfach die Zeit. Kein Wunder, als Texter für Tomte, Solokünstler, Indie-Label-Gründer und St. Pauli-Fan hat man ja auch ziemlich viel zu tun.

Doch zurück zum Erstlingswerk, in dem Uhlmann eine temporeiche und pointierte Geschichte erzählt, in der der Ich-Protagonist, seine Ex-Freundin und der Tod zu einem unterhaltsamen Roadtrip starten, der nur auf eine Weise enden kann. In aberwitzigen und schnellen Dialogen schreibt der Autor vom Chaos zwischenmenschlicher Beziehungen, Anfängen und Untergang der Liebe und natürlich dem Sterben. Das könnte erdrückend melancholisch sein, ist es aber nicht. Grund dafür ist ein lebensbejahender Grundton, der immer wieder zwischen den Zeilen hervorblitzt. Gemeinsam mit einem Blick auch für die kleinsten Details macht Uhlmann aus dem Sterben Momente großartiger Unterhaltung. Heraussticht da besonders der von kindlicher Freunde getriebene Tod als heimlicher Star des Buches. Zum ersten Mal in seinem Leben entdeckt er die Welt der Sterblichen – und kann Stunden damit zubringen, die Zaubertür im Bahnabteil in Bewegung zu setzen. Wunderbar sensibel arbeitet Thees Uhlmann an dieser Stelle die Begeisterung für die per Bewegungsmelder gesteuerte Abteiltür heraus und stellt sie in Kontrast zum Erzähler, einem desillusionierten Zyniker, der erst auf den letzten Metern merkt, dass das Leben ziemlich großartig ist.

Bei all dem kommen tragikomische und manchmal auch ziemlich absurde Momente heraus, die noch einmal durch den lebendigen Vorlesestil Uhlmanns, fast schon ein Hörspiel, untermauert werden. In rasendem Tempo gibt der Autor in knapp zweieinhalb Stunden etliche der beißend komischen Dialoge zwischen den drei Charakteren wieder. Wild gestikuliert er, ahmt die quietschende Armlehne im Nahverkehrszug nach und mutiert mit einem mit Inbrunst vortragenden Akzent zum polnischen Klavierstimmer. Dass dieser ab und an doch eher wie ein Dönerbudenbesitzer in Berlin-Kreuzberg klingt, geschenkt.

Sie mutet fast wie ein Heimspiel an, diese Lesung im Modernes. Natürlich, Uhlmann ist kein gebürtiger Bremer, trotzdem verbindet er einiges mit Bremensien, vor allem ein Konzert von Faith no More im Jahr 1990. Direkt vor der Bühne stand Thees Uhlmann damals, jener Bühne, auf der er an diesem Abend sitzt. Und etwas ungläubig sagt: „Ey Mann, ich habe ein Buch geschrieben!“ Hoffentlich nicht das letzte.

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