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Mit der Farbe durch die Kunst

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Claude Monet: Das Parlament. Sonnenuntergang, 1904.
Claude Monet: Das Parlament. Sonnenuntergang, 1904. © -

Bremen - Von Rainer Beßling(Eig. Ber.) · Friedrich Deneken hatte einen besonderen Blick. Während seine Kollegen allseits beliebte erzählerische Bilder Hans Thomas in ihre Sammlungen holten, entschied sich der Krefelder Museumsdirektor 1906 für eine Landschaft, in der Feld, Wald und Himmel als farbige Flächenstaffelung auftreten.

Wie ein Vorläufer der Colour-Field-Malerei wirkt das Bild auf Rainer Stamm. Der Direktor der Kunstsammlungen Böttcherstraße hat Thomas „Stille vor dem Sturm“ an den Anfang einer Ausstellung gehängt, die den Fokus auf einen „vergessenen Vorort der Avantgarde“ richtet und zwei Stränge verfolgt: Zum einen dokumentiert sie die Sammlungsaktivitäten dreier herausragender Museumsdirektoren, die Krefeld einen nahen Anschluss an die Moderne beschert haben. Zum anderen führt die neue Schau im Paula-Modersohn-Becker-Museum am Leitfaden Farbe wie ein kompaktes kunstgeschichtliches Curriculum durch die Kunst der Moderne.

Hochrangige Meisterwerke sind in der Ausstellung mit dem Titel „Farbwelten“ zu sehen: Ein Monet aus der Themse-Serie, das im ersten Raum neben dem Thoma, neben avancierten Farbstudien von Johan Thorn Prikker und deutschen Impressionisten an die Befreiung der Farbe vom Sujet erinnert.

Dann mit „Sintflut I“ ein Bild von Kandinsky aus der kurzen, aber hinreißend reichen Übergangsepoche vom gegenständlichen Rückbezug in die Abstraktion. Mit den Expressionisten, nicht nur Heckel, Kirchner und Schmidt-Rottluff, sondern auch anhand von Bildern des gebürtigen Krefelders Heinrich Campendonk verweist das zweite Ausstellungskapitel auf die Rolle der Farbe als Ausdrucksträger.

Zwischen den großen Blickfängen und unter den weiten kunstgeschichtlichen Bögen verbergen sich Entdeckungen und Überraschungen. Ein luftiges Bild von James Ensor zeigt den Belgier von einer ungewohnten Seite. Eine kleine, kubistisch aufgebaute Stadtlandschaft von Paul Klee offenbart erst auf den zweiten Blick ihre Reize.

Wer will, kann mit Hilfe des spannenden Katalogs Sammlungsgeschichte an die Exponate knüpfen. So hat der Ankauf des Monet dem Direktor Deneken 1909 das amtliche Verbot eines weiteren Ankaufs „fremdländischer“ Kunst eingebracht. Paul Wember, der dritte der mit der Schau wieder in den Blick gerückten Krefelder Direktoren, machte zu Beginn seiner Amtszeit einen sicher ebenso überraschenden wie beglückenden Fund. Im Keller verbargen sich Mondrian-Tafeln aus den 20er Jahren. Offenbar vergessen, nicht inventarisiert und wohl deshalb auch nicht Opfer des nationalsozialistischen Bildersturms.

Die konstruktivistischen Mondrian-Studien ebnen im Verbund mit Bildern von Moholy-Nagy, Vordemberge-Gildewart, Buchheister und Baumeister den Weg zum Schlusskapitel der „Farbwelten“: Yves Klein erhebt die Farbe zu purer Stofflichkeit, Antoni Tapies lässt die Malschicht aufplatzen, Fontana öffnet die weiße Leinwand mit einem Schnitt in den Raum.

Geradezu sakral wirkt der letzte Raum mit Kleins Farbtrilogie im Zentrum, flankiert von den Aufhebungen der Farbe in Material und Licht. Hier scheint die Moderne am Ziel zu sein. Im Brückenschlag zu den impressionistischen Anfängen wird das Farb- zum Lichtereignis, verbindet sich Stofflichkeit mit Spiritualität. Das reine Bild und die pure Einbildungskraft stehen nebeneinander, die Leinwand und der Rahmen der Bildtafel öffnen sich, der Raum wird zum Ort von Lichtinszenierungen.

Die Kunstgeschichte geht hier weiter, die Erzählung der „Farbwelten“ ist beendet. Die Verdichtung und Abgrenzung macht die Bremer Ausstellung attraktiv und angenehm überschaubar. Die Dramaturgie der Bilder lässt sich im Kopf behalten und gibt ein tragfähiges Gerüst für den Umgang mit der Malerei-Moderne und -Zeitgenossenschaft ab.

Ein umfangreiches Veranstaltungsprogramm begleitet die Ausstellung. Das Meiste erklärt sich angenehm selbst.

(Paula-Modersohn-Becker- Museum, Eröffnung morgen, 11.30 Uhr. Geöffnet bis 24. Januar 2010. Katalog, 128 S., 20 Euro)

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