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Transzendentale Struktur und Klanglichkeit: Martin Fröst überzeugt mit Mozarts Klarinettenkonzert in A-Dur. ·
Transzendentale Struktur und Klanglichkeit: Martin Fröst überzeugt mit Mozarts Klarinettenkonzert in A-Dur. · © Foto: Bäcker

Bremen - Von Ute Schalz-LaurenzeDer junge polnische Dirigent Krzysztof Urbanski, Chefdirigent des Trondheimer Sinfonieorchesters und seit 2011 Music Director des Indiannapolis Symphony Orchestra, hat mehr als zwei Hände zum Dirigieren. Beim Debütkonzert mit der Deutschen Kammerphilharmonie explodierte eine wahre Choreographie der fünf Finger linker Hand: Es ist nicht übertrieben zu sagen, mit jeder Fingerbewegung schien er bestimmte Linien und Gesten zu gestalten, und oft machte der kleine Finger dann etwas anderes als Zeige- und der Mittelfinger.

So geriet das Konzert zu einem mitreißenden Spektakel, das selbstverständlich nicht den geringsten Mangel an musikalischen Qualitäten hatte – denn man kann keinesfalls sagen, dass Urbanski bloß eine Show hinlegt. Daran ist dann allerdings auch maßgeblich der schwedische Klarinettist Martin Fröst beteiligt, der noch mit jedem seiner bremischen Auftritte das Publikum begeisterte.

Wolfgang Amadeus Mozarts spätes Klarinettenkonzert in A-Dur, jenes immer wieder erschütternde Wunder an transzendentaler Struktur und Klanglichkeit, interpretierte Fröst mit einer kaum zu überbietenden Innerlichkeit, voller der Komposition nachempfundener Einfälle, die die Frage nach einem „Mozart-Stil“ – wie auch immer – überflüssig machte. Sein Klang ist immer vieldeutig, bei vordergründiger Spielfreude von tiefer Melancholie: unnachahmlich der Übergang vom zweiten zum dritten Satz. Da erlaubte er sich ein nicht in der Partitur stehendes „attaca“ – also den pausenlosen Anschluss des nächsten Satzes –, indem er aus dem traumhaft gespielten Schlusston das Rondoithema des letzten Satzes schleuderte. Das Orchester begleitete sehr gut, obschon eine eigenständige Mozart-Auffassung durch Urbanski nicht zu erkennen war – muss auch nicht.

Der Eingangssatz zur „Italienischen Sinfonie“ von Felix Mendelssohn Bartholdy zählt wie zum Beispiel auch das Oktett oder die Musik zum Sommernachtstraum zu den Werken, die man nicht mehr vergisst, hat man sie nur einmal gehört. Das Frühwerk von Mendelssohn – von Goethe als „Götterknabe“ bezeichnet – zeichnet sich durch eine explosive Genialität aus, die in jedem Moment mitreißt: So geschah es auch in der Wiedergabe durch Urbanski. Er wählte sehr schnelle Tempi, für die er aber die notwendige Transparenz und Delikatesse (besonders im zweiten Satz) erhalten und auch witzig den Schlusssatz Saltarello abfeuern konnte, einen Satz, den der 21-jährige Komponist selbst einst als „das lustigste, was ich je gemacht habe“ charakterisierte.

Eingangs gab es eine polnische Komposition des 1932 geborenen Wojciech Kilar aus der kraftvollen Provenienz Minimal Music und Folklore. Kilar kennen viele, ohne es zu wissen: Er hat die preisgekrönte Musik zu „Der Pianist“ von Roman Polanski komponiert. „Orawa“ – eine Landschaft im Grenzgebiet von Polen und der Slowakei – tobt sich temperamentvoll und mit dramaturgisch gut gesetzten Dynamikkontrasten aus und ist ein eindrucksvolles Stück „Musiklandschaft“.

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