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Staatsschauspiel Hannover präsentiert neues Konzept

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„Eine Stadt will nach oben“ ist ein Streifzug durch die Geschichte mit deutlichem Hannover-Bezug.J Foto: Tobias Haupt
„Eine Stadt will nach oben“ ist ein Streifzug durch die Geschichte mit deutlichem Hannover-Bezug. © Tobias Haupt

Hannover - Von Jörg Worat. Großes hatte das Staatsschauspiel angekündigt: Die Cumberlandsche Bühne und die Cumberlandsche Galerie würden zur neuen Saison zusammengelegt und stünden fortan unter dem Namen „Cumberland“ für ganz spezielles Flair direkt neben dem Schauspielhaus.

Auch ein pfiffiges Eröffnungsprojekt wollte man zeigen: Unter dem Titel „Eine Stadt will nach oben“ inszenieren fünf Regisseure je zwei Folgen eines Streifzugs durch die neuere Geschichte, und zwar mit deutlichem Hannover-Bezug.

Der Auftakt ging allerdings recht gründlich daneben. Was schon damit begann, dass Hausregisseur Alexander Eisenach sich beim ersten Doppelpack nicht an die selbst auferlegten Regeln hielt: Die einzelnen Folgen sollten in bewusster Anlehnung an gewisse TV-Formate 45 Minuten dauern, Eisenach brauchte indes die doppelte Zeit. Ohne dass die gebotene Substanz dies gerechtfertigt hätte.

Grundlage des Textes ist Hans Falladas Roman „Ein Mann will nach oben“, zu dem eine Menge Eigenbau kommt. Zwar gibt es auch hier einen jungen Waisenknaben, der sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Großstadtdschungel behaupten will, doch landet er nicht in Berlin, sondern in Hannover respektive Linden, das bis 1920 eine eigenständige Stadt gewesen ist. Dort bewirbt sich unser Held bei der Hanomag und hat alsbald jede Menge Stress an der Backe.

Hannover-Bezüge wirken arg bemüht

Die Figuren ergehen sich vor allem im ersten Teil gern in theoretischen Diskursen über die Verhältnisse im Allgemeinen und Besonderen, während sie immer mehr zu Karikaturen mutieren – der Fabrikchef ist ein Vollidiot, der Kriminalkommissar sieht aus wie ein Zerrbild von Sherlock Holmes, und auch ansonsten hat man nie das Gefühl, dass Eisenach seine Charaktere irgendwie ernst genommen hätte.

Die Hannover-Bezüge wirken arg bemüht und im Extremfall nachgerade albern; sie sollen ihren Reiz offenbar daraus beziehen, dass sie nur für Insider verständlich sind. Es gibt Anspielungen auf das typische Markthallen-Publikum, und dass Rocker und Rechtsanwälte in einem Atemzug genannt werden, ist angesichts der Ereignisse um die hiesigen Hell‘s Angels natürlich auch kein Zufall.

Endgültig im Reich der Comedians finden wir uns wieder, wenn sehr betont der angebliche hannoversche Dialekt dem angeblich so reinen hannoverschen Hochdeutsch gegenübergestellt wird – mit dem langen „a“ statt „ei“.

Berührende Momente

Die Spielstätten sind im Cumberland-Universum verteilt, zu Beginn wird das Publikum auf eine einigermaßen sinnfreie Tour durch die verschiedenen Etagen mitgenommen. Anschließend sitzt es durchgehend auf den Treppenstufen und verfolgt denjenigen Teil des Geschehens, der sich gerade anderswo abspielt, auf Bildschirmen. Das ist ebenso unbequem wie anstrengend, und wer bei der Platzwahl Pech gehabt hat, muss zusätzlich damit rechnen, dass ihm die Kabel der Live-Video-Kameras in die Quere kommen.

Es gibt berührende Momente wie Susana Fernandes Genebras Darstellung des alkoholsüchtigen Arbeiters, doch sind sie dünn gesät. Wer sich selbst ein Bild machen will, hat dazu am 25. Oktober die Gelegenheit, wenn allerdings mysteriöserweise nur Folgezwei gezeigt wird.

Schon zuvor, nämlich am 14. Oktober, geht es in die nächste Runde, dann übernimmt Gordon Kämmerer, womöglich nach dem Motto „Neuer Regisseur, neues Glück“. Und Eisenachs Auftakt-Doppelpack läuft dann noch einmal ausgerechnet zu Silvester – ob das der Feierstimmung wohl förderlich sein wird?

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