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„Hundert Hoffnungen“: Gelegentlich etwas plakativ

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Hannover - Von Jörg Worat. Sonderlich groß ist die Ausstellung „Hundert Hoffnungen“ im Sprengel Museum nicht, sie umfasst nur einen Raum. Der aber hat es in sich, wird hier doch ein Kapitel deutscher Nachkriegskunst durchaus eindringlich dokumentiert – es ist schon bemerkenswert, was das Haus, von Kunstkritikern just zum deutschen „Museum des Jahres 2017“ gewählt, mal eben so aus den eigenen Sammlungsbeständen stemmen kann.

Der Untertitel „Protest und Vorstadtidyll“ verdeutlicht, um welches Spannungsfeld es bei diesen Arbeiten aus den 60er- und 70er-Jahren geht, die teils von mittlerweile viel beachteten und teuer gehandelten Künstlern stammen. Zum Beispiel Sigmar Polke, der auf einem in typischer Manier gerasterten Siebdruck ein Wochenendhaus mit einer Pflanzendarstellung kombiniert – ein Spiel mit Klischees, ebenso wie der betont putzige Babyboom von Konrad Lueg, der seine Kinderfiguren durch wiederholte Aneinanderreihung jeglicher Individualität beraubt.

Beide Blätter stammen aus der 1968 veröffentlichten Mappe „Grafik des kapitalistischen Realismus“, die hier komplett zu sehen ist und in der sich auch ein böser Druck von Wolf Vostell befindet: Zu sehen ist, mit Glitzergranulat verziert, eine Reihe von „Starfightern“, jenen Kampfflugzeugen, um die sich nach einer Reihe tödlicher Abstürze eine politische Affäre entwickelte.

Schräge Installationen

Die Starfighter tauchen auch in einer von Vostells schrägen Installationen auf, kombiniert unter anderem mit einem Turnschuh, Schokolade, Erbsen und einer Kopie von Tischbeins Goethe-Bildnis – nicht gerade eine Idealvorstellung vom Land der Dichter und Denker.

Ja, es ist in weiterem Sinne politische Kunst, die hier zu sehen ist und zuweilen aus heutiger Sicht etwas plakativ wirkt, wenn etwa der hannoversche Künstler Siegfried Neuenhausen eine offenbar zum Hitlergruß erhobene Hand aus einem braunen Haufen ragen lässt. Etwas subtiler erscheint da das Gemälde von Konrad Klapheck, das der Ausstellung ihren Titel gegeben hat: „Hundert Hoffnungen“ zeigt eine Reihe technischer Elemente, die allesamt dieselbe Ausrichtung haben – nur eines büxt aus und dreht sich auf die andere Seite.

Richter-Drucke mit typischen Unschärfen

Vertreten ist auch Gerhard Richter, dessen Arbeiten immer wieder Rekordpreise erzielt haben, was die Werke lebender Künstler anbelangt. Von ihm sind hier ebenfalls Flugzeuge zu sehen und ein Mao-Bildnis; beide Drucke weisen die für Richter typischen Unschärfen auf. Wenn wir schon von großen Namen sprechen: Eine Emailleschüssel von Joseph Beuys bekommt durch den Titel „Für Fußwaschung“ eine vielleicht religiöse, mindestens aber soziale Bedeutungsebene. Und wer es besonders obskur mag, könnte sich an einer „Literatur-Verwurstung“ von Dieter Roth erfreuen: Der in Hannover geborene und 1998 in Basel verstorbene Künstler zeigte gern, was er von Druckerzeugnissen hielt, indem er sie zu Papierbrei verarbeitete und mit Gelier- und Gewürzstoffen stilecht in Kunstdarm füllte – beim hier gezeigten Exemplar hat er sich dafür die Zeitschrift „Stern“ vorgenommen.

Bis zum 25. Februar im Sprengel-Museum in Hannover

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