1. Startseite
  2. Kultur

Da freut sich die Werbeagentur

KommentareDrucken

Herziges „Model Nr. 1740“ - Foto: Christopher Williams
Herziges „Model Nr. 1740“ © Christopher Williams

Hannover - Von Jörg Worat. Dass gängige Sehgewohnheiten gebrochen werden, ist man in der aktuellen Kunstszene ja gewohnt – bei der laufenden Ausstellung der Kestnergesellschaft gibt es indes zusätzlich höchst irritierende Präsentationsformen.

So erfährt man durch das Banner über dem Eingang zwar, dass die Schau „Normative Models“ heißt und die 547. dieses Hauses ist, nicht jedoch den Künstlernamen. Wer hierher kommt, weiß vermutlich, dass Christopher Williams die Ausstellung gestaltet hat, der aus Los Angeles stammt und seit 2008 Fotografie an der Düsseldorfer Kunstakademie lehrt. Seltsam wirkt der unpersönliche Auftakt gleichwohl, gerade in einer Zeit, da angeblich der Wirbel um das Ego allüberall eine fast zwingende Notwendigkeit ist.

Drinnen gehen die Störmanöver weiter. Gut, zu Ausstellungen gehören gemeinhin Wände, nur stellen diese üblicherweise nicht die Kunstwerke dar. Hier jedoch werden zwei Wände aus einer früheren Schau in Bonn präsentiert, eine davon zusätzlich in neun fast exakten Nachbauten inklusive Beschriftungen und Klebestreifen. Und ja, Fotos gibt es auch, sieben an der Zahl, die allerdings erst in der oberen Etage auftauchen. Sie haben, dem Ausstellungstitel entsprechend, in der Tat etwas Modellhaftes und spielen mit verbreiteten Vorstellungen von Ästhetik: die Kornähren vor blauem Hintergrund, die sorgsam ausgeleuchteten Kochtöpfe, das herzige Kindermodel – da freut sich die Werbeagentur. Oder auch nicht: Die Blätter über den knackig anmutenden Äpfeln etwa sind keineswegs mehr taufrisch, was an die Vergänglichkeitssymbolik in barocken Stillleben erinnert.

Zu entdecken gibt es hier also durchaus einiges, der Besucher sollte allerdings damit rechnen, dass er sich diese Entdeckungen erarbeiten muss. Übrigens hat Williams auch den Katalog modellhaft gestaltet: Der greift das einst in der Kestnergesellschaft gepflegte Quadratformat auf und existiert in doppelter Ausfertigung – die Bilder sind dabei dieselben, die Texte hingegen nicht; in einem Fall ist eine englischsprachige Fassung von Brechts Hörspiel „Das Verhör des Lukullus“ abgedruckt. Mit dem Ergebnis, dass man auch diese vermeintliche Informationsquelle ganz unterschiedlich wahrnehmen kann.

Bis 29. Juli, Kestnergesellschaft, Hannover

Auch interessant

Kommentare