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„Jethro Tull by Ian Anderson“ begeistert im ausverkauften Bremer Metropol-Theater

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Der „Flöten-Hendrix“ Ian Anderson kann immer noch famos die Flöte blasen, wie hier bei einem Konzert im vergangenen November in Berlin. In Bremen gestattete Anderson keine Fotos. Fotos: Imago
Der „Flöten-Hendrix“ Ian Anderson kann immer noch famos die Flöte blasen, wie hier bei einem Konzert im vergangenen November in Berlin. In Bremen gestattete Anderson keine Fotos. © Imago

Bremen - Von Frank Schümann. Er ist zweifellos eine der speziellsten und wahrscheinlich skurrilsten Gestalten der Rockgeschichte: der Schotte Ian Anderson, der Ende der 60er-Jahre beschloss, ausgerechnet die Querflöte ins Zentrum einer Rockband zu rücken – und damit riesigen Erfolg hatte: Jethro Tull spielten Progressive Rock, Hardrock, Blues, Folk und Klassik, veröffentlichten mehr als 20 Alben und erhielten 1989 einen Grammy für das Album „Crest Of A Knave“.

Am Donnerstag stellte der mittlerweile 72-jährige unter dem Titel „Jethro Tull by Ian Anderson“ das Schaffen seiner früheren Band dem Publikum im ausverkauften Bremer Metropol-Theater vor – ein Abend, der mehr Show als Konzert war, aber dabei ausgesprochen unterhaltsam.

Aufgebaut wie eine Revue, wirkte er fast wie ein Nachruf zu Lebzeiten – gehalten von Anderson selbst. Aber ganz klar: Wenn einer diese Form der „One Man Show“ zelebrieren darf, dann er. Fast alle Kompositionen stammen von ihm, für die Mehrheit der Fans ist er ohnehin die Inkarnation von Jethro Tull – egal, wer noch auf der Bühne ist, Hauptsache, der „Flöten-Hendrix“ (so ein Kritiker in der 70er-Jahren) und sein Instrument sind dabei. Und um es vorwegzunehmen: Was all die Jahre funktionierte, ging auch in Bremen auf, ohne weitere Original-Mitglieder, aber mit einer guten Band.

Wie ein Conferencier führt Anderson dabei durch den Abend und die Jahrzehnte, fast theatral, sehr britisch und humorvoll. Video-Einspieler von ehemaligen Band-Kollegen wie Tony Iommi (später Black Sabbath) und Musiker-Freunden wie Joe Bonamassa oder Slash sorgen für die entsprechende Würdigung. Musikalisch geht es streng chronologisch zu: Gleich sieben Songs stammen von den ersten beiden Alben „This Was“ und „Stand Up“, darunter das wunderbare „Bourrée in E minor“ nach Johann Sebastian Bach, der erste große Höhepunkt des Abends. Wie in seinen besten Jahren gibt der 72-jährige den Derwisch und hüpft über die Bühne, während seine Band ihm zu folgen versucht, was zumeist gelingt.

Beim Singen musste er sich auch in Berlin schon nach der Decke strecken.
Beim Singen musste er sich auch in Berlin schon nach der Decke strecken. © Imago

Was allerdings an diesem Abend auch schnell deutlich wird: Der Meister hat große Probleme mit seiner Stimme. Beim Singen muss er häufig kleine Zäsuren machen, reckt den Hals in die Höhe und geht bei den meisten Songs eine Lage nach unten. Das hat natürlich Einfluss auf die Songs, obwohl er alles versucht, dem entgegenzuwirken.

Seine Bandmitglieder übernehmen einige der Vocals, auch sorgen Einspielungen für Entlastung. Zugute kommt Anderson natürlich, dass die Jethro-Tull-Songs vor allem von den komplexen Kompositionen und dem Zusammenspiel der Musiker leben – und natürlich von der Querflöte, die Anderson massiv einsetzt, was wunderbar funktioniert. Auch ist festzuhalten, dass die 18 Songs eine große Stilvielfalt aufweisen – Anderson hat hier auf Ausgewogenheit geachtet. 

So gibt es im zweiten Set nach dem Beginn mit „A Passion Play“ Ausflüge in den keltischen Folk („Songs from the wood“), Mittelalterliches („Pastime with Good Company“), eine Ballade wie „Too Old to Rock’n’Roll, too Young to Die“ und eine klassische Rock-Nummer wie „Heavy Horses“. Das ist von der Band überwiegend überzeugend umgesetzt. Ganz am Ende wird dann auch die Chronologie aufgebrochen – es kommen die beiden bekanntesten Songs von Jethro Tull, „Aqualung“ und „Locomotive Breath“, letzteres als Zugabe, in sehr überzeugenden Versionen – spätestens jetzt ist die Begeisterung im Theater groß.

Aber jeder im Publikum weiß nach den letzten Tönen von „Lokomotive Breath“ auch: Eine weitere Zugabe wird es nicht geben, dafür hat Ian Anderson zu offensichtlich mit seiner Stimme gekämpft. Den Zuschauern ist es egal: Sie würdigen den Flötengott mit ausdauerndem Applaus.

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