Was ist eigentlich das Problem mit der klassischen Moderne?
Da müssen Sie das Publikum fragen. Ich finde die Moderne viel spannender als das klassische Repertoire. Es liegt nicht an den Theatermachern, würde ich behaupten. Wenn ich mit Kollegen rede, haben auch die alle Lust auf neue Formen und Komponisten. Auch gibt es bei uns ein starkes Interesse an Crossover- Formaten. Aber das Publikum ist auch sehr mit dem Kanon von Mozart bis Strauss verbunden. Das hat auch nichts mit Provinz zu tun. Das ist in Berlin oder Hamburg nicht anders. Oper hat ja auch einen Ritualcharakter. Das Wiedererkennen ist wichtig. Wie bei einem Konzert von Paul McCartney, wo alle die alten Beatles-Songs hören wollen. Ich bin aber in Bremerhaven ganz glücklich, weil das Publikum natürlich auch hier mehrheitlich lieber in „Die Zauberflöte“ geht, aber die anderen Werke nicht verschmäht. „Der Konsul“ von Gian Carlo Menotti aus dem vergangenen Frühjahr ist ein schönes Beispiel. Da hat sich herumgesprochen, dass man den gesehen haben muss. Da ist es dann auch egal, ob das eine neue Oper ist oder der Komponist unbekannt.
Sie führen an Ihrem Haus regelmäßig moderne und zeitgenössische Opern auf. Wie finden Sie diese Stücke, die ja manchmal erst ein paar Jahre alt sind?
Wir machen in dieser Spielzeit „Gier nach Gold - McTeague“ von William Bolcom als deutsche Erstaufführung. Die Oper ist von 1996 und vor drei Jahren in Linz erstmals in Europa gelaufen, da haben wir sie auch entdeckt. Und in dieser Spielzeit passt sie sehr gut in unser Amerika-Thema. Dann zeigen wir „Maria de Buenos Aires“ von Astor Piazzolla von 1968, und dann „Mariechen von Nimwegen“ von Bohuslav Martinu, von 1934. Das ist in etwa die Bandbreite an Möglichkeiten, in der wir Moderne erzählen. Natürlich ist es wichtig, dass man eine Geschichte hat, die zu erzählen es wert ist. Ein schönes Beispiel war „Biedermann und die Brandstifter“ von Simon Vosecek vor einem Jahr. Auch eine deutsche Erstaufführung. Das war eine starke Geschichte, die die Leute kannten, in einer cleveren Inszenierung, die das auch noch politisch aufgefächert hat. Dann ist auf einmal die Bereitschaft, auch diese Musik anzunehmen, viel größer. Das ist ja das Wunder der Oper als synästhetisches Erlebnis. Und dass wir anteilig so viel Moderne machen, hat uns noch keinen Abonnenten gekostet.
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