In der Leere zwischen den Bildern
Bremen – Schön sind sie ganz bestimmt nicht, diese Zeichnungen von Kinki Texas. Im Gegenteil treten einem seine Cowboys und Krieger mit ihren grotesk entstellten Fratzen sogar ausnehmend hässlich entgegen. Die Zutaten der albtraumhaften Erscheinungen sind stets die gleichen: grinsende Schädel, unmenschlich proportionierte Gliedmaßen, bestienhaft aus ihrer Fleischwäsche glotzende Reittiere und natürlich Waffen aller Art. Wobei sie offenbar – und das ist nur die allererste von vielen Irritation – nicht so recht etwas damit anzufangen wissen.
„Uncanny Valley“ (zu Deutsch: Unheimliches Tal) heißt die Ausstellung, die Kinki Texas derzeit gemeinsam mit Jub Mönster in der Bremer Galerie Kramer bestreitet. Und unheimlich geht es dort in der Tat zu. Es ist das Repertoire der Horrors, aus dem sich Texas beim Ausstaffieren seiner Figuren bedient. Wobei das leichter gesagt als erklärt ist. Obwohl jene einem nämlich irgendwie bekannt vorkommen, zeigen visuelle Genrekünste wie Film oder Comic solche Wesen eigentlich eher nicht. Und auch wenn die immer wieder wie Schnittwunden durchs Gesicht gekritzelten Münder heutzutage natürlich an den Joker denken lassen, ist es doch eine dezidiert unbewegte Bildsprache aus der Nähe der Gruselmedien: nämlich jene der Filmplakate und der Cover.
In der Galerie Kramer hängen sie nun aber als Kunst, nicht als Pop. Galeristin Elke Kramer betont vor allem die durchweg männliche Besetzung der Monsterparade und ihre Arbeit am Stereotyp. Cowboys eben. Doch gerade die Männerpose ist brüchig. Mit der martialischen Bewaffnung wedeln sie wie mit lediglich schmückenden Accessoire herum. Ihre dürren Körper wirken zerbrechlich, manche tragen gar Korsett und sind mit den Rücken ihrer Pferde verwachsen. Wir erfahren nicht viel über diese Figuren, können aber doch sicher sein: Unverwundbare Mannmaschinen sind das nicht. Im Gegenteil hat sie irgendeine Gewalt schon vor sehr langer Zeit durch den Wolf gedreht. Sie sind nur noch untote Zeugnisse einer Welt, die es mit niemandem gut meint.
Dass sich nicht ein Wort des bis hierhin Gesagten auch auf die nebenan hängenden Arbeiten von Jub Mönster beziehen lässt, verrät die extreme Spannweite dieser Doppelausstellung. Tatsächlich hat das kuratorische Konzept mit Ästhetik auch gar nicht unmittelbar zu tun. Es geht in der laufenden Reihe darum, je zwei miteinander befreundete Künstler gemeinsam auszustellen. Nach Beziehungen dann auch im Werk zu suchen, wäre Sache des Publikums und etwas, dass man eben tun oder auch lassen kann.
Mönster ist in Bremen am bekanntesten wohl für seine Wandmalereien, etwa die schattenwerfenden Fußgänger, die seit 20 Jahren eine ganze Hauswand am Dobben füllen und das Bild der Straße prägen. In „Uncanny Valley“ präsentiert er nun Kugelschreiberzeichnungen, in denen er Filmstandbilder nacharbeitet. Eine Serie von neun Bildern zeigt etwa einen Szenenfolge aus Michelangelo Antonionis „Blow Up“ von 1966. Es ist der legendäre Schlüsselmoment, in dem ein Fotograf beim Vergrößern seiner Fotos bemerkt, dass er möglicherweise einen Mord aufgenommen hat.
Und während Jub Mönster eben diese Bilder nun in winzig kleinen Kugelschreiberkreisen nachzeichnet, beweist er nicht nur ein beachtliches Gespür für Fläche, Tiefe und Lichtverhältnisse – sondern fügt dem bereits bei Antonioni verschachtelten Nebeneinander von Film und Foto noch die Ebene seines eigenen Schaffens hinzu. Alle drei (Mönster, Kinki, Antonioni) machen eine unbewegte Momentaufnahme zum Thema, die auf einen unsichtbaren Schockmoment ganz in der Nähe verweist. Klassische Thrillererzählweise im Grunde, nur eben an den Grenzen oder weit jenseits des Mediums Film.
Diese cineastische Perspektive auf Zeichnung ist ein Ergebnis der Künstler-Konfrontation im „Uncanny Valley“, mindestens eine interessante Spur – und sie macht neugierig auf die folgenden Doppelausstellungen der Galerie. Das ist alles höchst erfreulich, auch wenn Kinki Texas’ Kreaturen auch auf den zweiten Blick nicht wirklich schöner geworden sind.
Sehen
Bis 27. September, Galerie Kramer, Vor dem Steintor 46, Bremen.
Von Jan-paul Koopmann