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„VKgoeswild“: Crossover-Projekt für Pianistin, Bläser und Band feiert im September Premiere in Sottrum

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Viktoriya Yermolyeva und Benjamin Faber. - Foto: Heyne
Viktoriya Yermolyeva und Benjamin Faber. © Heyne

Sottrum - Von Ulla Heyne. Manchmal wollen musikalische Preziosen nicht in den großen Konzertsälen der Metropolen gehoben werden, sondern liegen hinter – noch – verschlossenen Türen in der Provinz. So wie jener der Kirche in Sottrum. Dort hämmert Viktoriya Yermolyeva, kurz „Vika“ auf die Tasten ihres Keyboards, als ginge es um ihr Leben. Und in gewisser Weise geht es das auch: nämlich um die Selbstbestimmtheit einer künstlerischen Vita, mit der die vielfach ausgezeichnete Musikerin des klassischen Drills entkommen will.

„Master of Puppets“, interpretiert mit leidenschaftlichen Läufen und treibenden Beats: Das Stück von Metallica, das an diesem Tag in der Sottrumer Kirche aufgelegt wird, klingt wie eine Befreiung. Von den Zwängen, der Einengung einer klassischen Ausbildung. Aber warum ausgerechnet Hard Rock und Heavy Metal, und warum ausgerechnet in Sottrum, rund 500 Kilometer und etliche Staus von der Heimat der Wahl-Koblenzerin entfernt? „Ich liebe die Kraft, die Energie – ja, auch die Aggressivität“, verrät die filigrane Künstlerin: „Metal kennt keine Beschränkungen, keine Grenzen.“

Mit ihren Interpretationen ist sie seit 2006 sowohl auf Metalfestivals als auch in Konzertsälen unterwegs. Ein Exot, ein Paradiesvogel – eine Rolle, in der sie sich gern sieht? „Eigentlich will doch jeder dazugehören, oder?“, zuckt sie mit den Schultern. Das sei ihr in der Welt der Klassik nicht vergönnt gewesen, und auch mit ihrem Crossover gelingt es ihr nur bedingt: Wird die 39-Jährige im Internet als Youtube-Star mit mehr als 250 000 Abonnenten gefeiert, schlagen ihr im wahren Leben immer wieder Vorbehalte entgegen, gegen ihre Musikrichtung, gegen das Instrument, gegen das „Girl am Klavier“. Dabei seien Metalfans eher aufgeschlossen – etwas, das sie beim oft hochnäsigen klassischen Konzertbetrieb oft vermisst: „Meine Besucher müssen offen sein“.

Genau das hat sie nach Sottrum verschlagen: Dort hat der Musikpädagoge und Seelenverwandte Benjamin Faber vor zwei Jahren die Formation Wildes Blech gegründet, die mit viel Drive und Dezibel lustvoll seine episch-bombastischen, oft nahezu sinfonischen Arrangements von Rock- und Metal-Klassikern umsetzt. Auch den 40-Jährigen, als Leiter eines Kinderkirchenchors und Mitbegründer eines Trios für Musik aus dem Mittelalter ebenfalls musikalischer Grenzgänger, faszinieren die Energie und die Emotionen, die dem Genre innewohnen. „Vor allem aber es ist eben auch die Sprache meiner Jugend“, sagt er, „die zehn CDs, die man besaß und in- und auswendig kannte.“

Bei Vika waren es zwar eher Kassetten, den Bogen, den Faber mit seinen Arrangements für knapp 40 Hobbymusiker spannt, geht sie aber gern mit: Als sie von Faber angeschrieben wird, der im Internet auf ihr Projekt „VKgoeswild“ gestoßen war, sagt sie zu. Warum sie sich auf das Wagnis einlässt, mit einem ihr unbekannten Orchester, noch dazu aus Hobbymusikern, einige Stücke im Programm „Rock den Georg“ im September in der Sottrumer Kirche live zu spielen? „It‘s fun!“, antwortet sie schlicht nach der ersten und einzigen Probe, zu der sie eigens aus dem heimischen Koblenz angereist ist.

Für die Arrangements hat Faber die Piano-Versionen um Bläser-Parts ergänzt, die Freiraum für solistische Passagen lassen. Ein Glücksfall für beide Seiten, erweitern sich doch sowohl für die Ausnahmepianistin, die ihren Zorn auf schwarzen und weißen Tasten kanalisiert, als auch für die nicht weniger energetische Meute von Bläsern nebst einer ebenso dezibelstarken Band, die Möglichkeiten des Klangspektrums.

Fast abwesend wirkt die zarte Frau in den schwarzen Löcherjeans hinter dem Keyboard – um bei jedem Einsatz abzuliefern, präzise, energetisch, wütend. Früher habe sie mehr improvisiert, doch dann waren da wieder Selbstzweifel: „Bin ich gut genug?“ Heute ist Notentreue Pflicht – sonst hätten die sie begleitenden Musiker keine Chance, sich in die vertrackten rhythmischen Gebilde zwischen Jazz, Ambient und Rock einzufinden. Ein spannendes Experiment, das sich hinter den Türen der Sottrumer Kirchentür abspielt – wenn sie sich am 22. September öffnen, sollten die Besucher mit Ohropax gewappnet sein.

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