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Auf der Suche nach dem Land der Liebe

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Eigentlich erzählen sie eher vom Scheitern als von Liebe: Etta Scollo und Joachim Król
Eigentlich erzählen sie eher vom Scheitern als von Liebe: Etta Scollo und Joachim Król © Thielsch / Eikelpoth-Montage

Bremen - Von Wolfgang Denker. Ist Frankreich wirklich das „Land der Liebe“, wie immer gesagt wird? Oder ist es doch eher Italien? Bei dem Programm „Parlami d’amore” (Erzähl mir von der Liebe), das Schauspieler Joachim Król und Sängerin Etta Scollo in der Bremer Glocke servieren, könnte man das fast glauben.

Denn die kleinen Geschichten rund um die Liebe stammen ausnahmslos von italienischen Autoren wie Andrea Camilleri, Alberto Moravia, Ermanno Cavazzoni oder Italo Calvino. Gleich die erste Geschichte, „Der nackte Busen“ von Calvino, ist ein Kleinod: Herr Palomar erblickt am Strand eine barbusige Schönheit und macht sich so seine Gedanken, wie er reagieren soll. Hinschauen oder wegsehen?

Es ist nicht „political correctness“, die hier gefragt ist, sondern eher „philosophical correctness“. Und immer einer neuen philosophischen Weltanschauung folgend, geht Herr Palomar so oft an ihr vorbei, bis sie sich wirklich belästigt fühlt.

Skurril auch der Fall des Liebespaares, das sich aus Weltschmerz umbringen will, dem aber der Gebrauch der Schusswaffe dilettantisch misslingt – eine wahre Begebenheit aus dem Jahr 1950. Herrlich die Episode eines älteren Friseurs, der sich um ein junges Mädchen bemüht. Als ihn jemand als „alten Trottel“ bezeichnet, geht sein eitles Selbstbild in Scherben. Erst als sich das Mädchen mit einem noch älteren Mann verlobt, ist die Welt für ihn wieder in Ordnung.

Kein gutes Ende nimmt ein Schäferstündchen, weil der eifersüchtige Hund den Schlauch des Gasofens zerbeißt und alles explodiert. Besser ging es dem Polizisten, der die „Hure von Sciacca“ deportieren soll, sie aus Mitleid bei sich aufnimmt und drei Monate später heiratet. Wie Joachim Król diese teils heiteren, teil melancholischen Geschichten auffächert, ist einfach grandios. Was er zu bieten hat, ist mehr als eine Lesung. Es ist ein totales Eintauchen in den grotesken Humor der kleinen Erzählungen, ein perfektes Verschmelzen mit der jeweiligen Figur. Króls Sprachbehandlung ist subtil, suggestiv und in jedem Moment fesselnd. Seine Mimik, ja seine ganze Körpersprache machen diese Miniaturen zu einem Gesamterlebnis.

Zwischen den Texten glänzt die sizilianische Sängerin Etta Scollo mit Liedern von Domenico Modugno, Fabrizio De André, Paolo Conte und Eigenkompositionen.  Begleitet wird sie von Cathrin Pfeifer am Akkordeon, Susanne Paul am Cello und am Cajón (einer Kistentrommel) sowie Hinrich Dageför an mehreren Gitarren. Ihrem Ruf als „Stimme Siziliens“ macht sie dabei alle Ehre. Ihr Gesang begeistert mit farbenreichen Variationen. Sie gibt den Liedern viel Seele und noch mehr Temperament mit.

Ob Melancholie oder pure Lebensfreude – alles spiegelt sich in ihrer Stimme wieder, ergänzt um beredte Sprache der Hände oder ein paar Tanzschritte. Sehr poetisch ist das Lied „Canzone dell’amore perduto“ von De André, von ansteckender Fröhlichkeit „La donna riccia“ von Mudugno. Eine Überraschung hat sie auch dabei: Da sie zehn Jahre in Wien gelebt hat, singt sie das Lied „Aber der Novak lässt mich nicht verkommen“, mit dem einst Cissy Kraner berühmt wurde. Das fällt zwar etwas aus dem Rahmen, ist aber von umwerfender Wirkung.

„Parlami d’amore” – eigentlich handeln die meisten Geschichten von gescheiterter Liebe. Ist dann also doch eher Frankreich das Land der Liebe? Zumindest ist Italien das Land der puren Lebensfreude. Das unterstreicht Etta Scollo am Schluss mit dem hinreißenden sizilianischen Tanzlied „Abballati“. Denn wenn man tanzt, ist alles wieder gut.

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