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Alligatoah und seine Fans versammeln sich zur Gemeinschaftsperformance

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Ein Mann, zwei Kostüme: Alligatoah lädt in der ÖVB-Arena zur U-30-Party.
Ein Mann, zwei Kostüme: Alligatoah lädt in der ÖVB-Arena zur U-30-Party. © Backhaus

Bremen - Von Katia Backhaus. Aufgewachsen ist er nur rund 80 Kilometer von Bremen entfernt, da ist es fast ein Heimspiel, zu dem Lukas Strobel am Freitagabend in der ÖVB-Arena angetreten ist. Der 29-jährige Rapper, nicht nur seinen Fans besser bekannt als Alligatoah, hat trotzdem sein eigenes Hotel mitgebracht, das „Hotel Kalliforniah“. Schließlich will er sich als tourender Star ganz „wie Zuhause“ fühlen. So heißt auch Alligatoahs Tour, und das junge Bremer Publikum feiert ihn als als einen, der endlich wieder da ist. Keine Überraschung also, dass aus dem Konzert ein knalliges Fest der noch nicht 30-Jährigen wird.

Die jungen Leute vor und der energiegeladene Künstler auf der Bühne führen eine Art Gemeinschaftsperformance auf. Vielleicht, weil Alligatoah, im überweiten gelben Anzug mit Hosenträgern und Undercut, so ist, wie sie. Vielleicht, weil dieser Mann, der nicht nur rappen, sondern auch singen, schauspielern und Bass spielen kann, so ist, wie sie gern wären. Wie auch immer: Alligatoah ist der Arsch, der auf den Eimer passt, in dem diese Generation ihre Probleme, ihre Energie und ihre Fantasien unterbringt.

Im Lied „Wie Zuhause“ heißt es: „Ich sitz’ in einem Starbucks in Phuket/ Mobiles Netz ist schneller als daheim/ Vielleicht bringt mir dieser Urlaub ja andere Kulturen nah/ Bedient von einer Kellnerin aus Mainz (ja, aus Mainz)/ Vielleicht ist das der moderne Style/ Wie man nach den Sternen greift“. Darin stecken all der Witz, die Boshaftigkeit, Intelligenz und Traurigkeit, die so gut beschreiben, wie es ist, wenn man zu diesen Noch-nicht-30-Jährigen gehört. Wenn man Erlebnisse angehäuft hat, aber nicht so recht weiß, ob es die richtigen sind. Wenn man nach den Sternen greifen will, aber immer nur die kriegt, die zu leicht zu erreichen sind.

Das klingt alles sehr traurig, ist es aber nicht. Es ist ein Partyabend, und Alligatoah bildet den perfekten Mittelpunkt. Zwischen seiner Band in gelben Frottee-Bademänteln und mit haarigen Beinen räkelt er sich im „Hotel Kalliforniah“ auf der Bar, lässt sich von Liftboy Basti (Rapper BattleBoi Basti) in einer Mülltonne über die Bühne schieben, während er Kniebeugen macht und einen Witz nach dem anderen reißt - ohne platt zu werden.

Nach einigen beatlastigen, temporeichen Songs hat der 29-Jährige, den man zu recht Schauspielrapper nennen kann, sein Publikum so vollständig in der Tasche, dass es alles mitmacht. Es geht mit, wenn es gefühlig-klimperig wird, und es feiert Flower-Power-Klänge genau so wie Rammstein-Zitate. Und machen sie ohne Aufforderung in der kompletten Halle ihre Handytaschenlampen an, noch von ganz hinten leuchten sie, und verträumt singt der Riesenchor: „Willst du dir ‘nen Namen machen / Musst du auf die Straße kacken“. Das hat etwas Skurriles, aber auch einen ganz eigenen Zauber.

Es ist ein Konzert-Fest, das so knallig und komplex und zugleich so stimmig ist wie das Leben derer, die in den späten Achtzigern oder frühen Neunzigern geboren wurden. Alligatoah packt den Konflikt zwischen Anpassungsdruck und Rebellion in das Bild der vielen Gesichter: „Ich habe ein Gesicht für den Arbeitsplatz, eins für die Straßenschlacht / Ein Gesicht für ungewollte Vaterschaft / Ein Gesicht für Social-Media“. Er bringt Sorge und Überdruss an der Bar zusammen: „Ich hab’ viel durchgemacht, zum Beispiel letzte Nacht/ Trinke, um zu vergessen, dass ich eigentlich nichts zu meckern hab’“.

Dabei ist „Willst Du“ das Alligatoah-Lied, das so sehr für diese Generation steht wie sonst kein anderes: „Komm, wir geh’n, komm, wir geh’n zusamm’n den Bach runter/ Komm! Denn ein Wrack ist ein Ort, an dem ein Schatz schlummert.“

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