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Bremens Kultursenator Andreas Bovenschulte: „Kunst folgt eigenen Gesetzen“

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Der Senator und seine Staatsrätin: In Woltmershausen entsteht ein Zentrum für die freie Szene. Foto: Steffen Koller
Der Senator und seine Staatsrätin: In Woltmershausen entsteht ein Zentrum für die freie Szene. © Steffen Koller

Bremen - Seit vergangenem Sommer hat Bremen nicht nur einen neuen Bürgermeister und damit auch einen neuen Kultursenator: Andreas Bovenschulte hat wie seine beiden Vorgänger das Ressort übernommen. Im Interview mit unserer Zeitung erzählt er, wie es dazu kam und was er vorhat.

Herr Bovenschulte, wie fühlt es sich an, unter Kulturstaatsrätin Carmen Emigholz Kultursenator zu sein?

Es ist eine große Freude, Kultursenator zu sein, und ich arbeite sehr gern mit meiner Staatsrätin zusammen, die natürlich viel Erfahrung in der Kulturarbeit hat. Und ich freue mich darüber, dass ich auf diese Expertise, auf dieses Fachwissen und auf diese gute Verankerung zurückgreifen kann. Ich denke, wir machen das zusammen ganz gut.

War von vornherein klar, dass Sie als Bürgermeister das Kulturressort übernehmen?

Klarer Fall. Dafür habe ich mich eingesetzt.

Braucht Bremen mehr Weyhe?

Wenn Sie aufs Weyher Theater anspielen, dann begrüße ich die Entscheidung, dass das Weyher Theater auch in Bremen eine Spielstätte eröffnen möchte.

Braucht Bremen das?

Das ist erst mal die Entscheidung des Weyher Theaters, und ich begrüße diese Erweiterung des Angebots in Bremen. Wir haben eine ganz große Bandbreite vom städtischen Theater Bremen bis hin zu vielen privaten Theatern, und wenn jetzt noch das Weyher Theater dazukommt, macht es das Angebot größer und nicht kleiner, und das kann nicht schaden, weil die Menschen unterschiedliche Präferenzen, Geschmäcker und Ansprüche an Kultur haben.

In den kommenden beiden Jahren stehen jeweils zehn Millionen Euro mehr für die Kultur in Bremen bereit, wenn Deputation und Bürgerschaft zustimmen. Wie haben Sie das geschafft?

Dafür habe ich als Kultursenator in den Haushaltsverhandlungen gekämpft. Kultur ist Grundnahrungsmittel und nicht Sahnehäubchen der Gesellschaft. Viele Kultureinrichtungen mussten viele Jahre mit stagnierenden Etats und Zuschüssen auskommen. Da habe ich mich schon sehr dafür eingesetzt, dass es einen Zuwachs im Kulturetat gibt. Ich finde den unter den gegebenen Bedingungen auch ganz ordentlich. Auch jetzt ist klar: Die Bäume wachsen nicht in den Himmel. Aber einen gewissen Bewegungsspielraum ermöglichen uns der Zuwachs und der neue Haushaltsentwurf im Kulturbereich, und das ist gut. Natürlich muss jetzt noch der Haushaltsgesetzgeber zustimmen. Ich setze voraus, dass es im Interesse aller ist, die Kultur zu stärken.

Was wird mit dem Geld passieren?

Wir werden zum Einen die Arbeitsbedingungen im Kulturbereich verbessern. Ein weiterer Schwerpunkt wird das Zentrum für die Freie Szene im Tabakquartier sein. Hier werden wir Ateliers, Proben- und Aufführungsorte für Freie Künstlerinnen und Künstler zur Verfügung stellen. Und natürlich werden auch die großen Einrichtungen, die anerkannte Bedarfe haben, finanziell bessergestellt. Mir liegt sehr daran, dass die Arbeit der Kulturschaffenden nachhaltig anerkannt wird.

Was wären Ihre persönlichen kulturpolitischen Schwerpunkte?

Dem Kulturressort wird gern der Vorwurf gemacht, es sei mit der Gießkanne unterwegs. Aber wer nicht mit der Gießkanne unterwegs ist, also die Kultur nicht in der Breite fördert, der lässt bestimmte Bereiche vertrocknen. Ich will das nicht. Denn die Vielfalt des Angebots spiegelt die Vielfalt der Gesellschaft wider. Trotzdem setzen wir auch Schwerpunkte, etwa mit dem Zentrum für die Freie Szene. Dies gerade auch mit Blick darauf, dass viele Künstlerinnen und Künstler noch nicht oder schlecht von ihren Einkünften leben können. Wir bewerben uns auch um den Titel City of Literature. Und wir wollen Bremen weiter als Musikstadt profilieren. Beide Projekte bieten die Möglichkeit zur spartenübergreifenden Arbeit.

Wird Bremen für die City of Literature ein Literaturhaus bekommen?

Wir haben mit dem Haushaltsentwurf erste Planungsmittel ausgewiesen und arbeiten an kreativen Ideen. Noch kurz zur Musikstadt Bremen: Hier muss man auch überlegen, ob man zusätzlich zum Musikfest Bremen und der Jazzahead weitere Projekte braucht. Der Fokus muss auf Projekten liegen, die bisher noch keine oder wenig staatliche Unterstützung erhalten.

Was bedeutet es für die Kultur, wenn sie Grundnahrungsmittel ist und nicht Sahnehäubchen? Was hat sie gesellschaftlich für eine Funktion?

„L‘art pour l‘art“ wird oft als Schimpfwort benutzt, aber ich glaube, Kunst folgt immer ihren eigenen Gesetzen. Kunst ist eine ganz eigene Form der Verarbeitung von Wirklichkeit. Sie ist Standortfaktor und Instrument gesellschaftlichen Zusammenhalts. Sie hat aber auch etwas eigenes, sperriges, was sich nicht auf eine bestimmte Funktion reduzieren und damit instrumentalisieren lässt. Mein Kulturbegriff ist ein differenzierter und ich glaube, die Behörde teilt diesen.

Andreas BovenschulteFoto: Tristan Vankann
Andreas Bovenschulte. © Tristan Vankann

Sind Freiluftpartys und Clubs dann auch Kultur?

Die eine Frage ist: Sind sie Kultur? Die andere: Werden sie öffentlich gefördert? Natürlich gehören Clubs und Freiluftpartys zur Alltagskultur wie Diskotheken und Kneipen. Die Frage ist, was mit öffentlichen Mitteln, mit Steuergeldern unterstützt und gefördert wird. Und es ist doch klar, dass wir einen bestimmten kulturfachlichen Anspruch haben müssen an das Konzept, an die Inhalte, weil es sonst keine vernünftige Abgrenzung gibt zu normaler wirtschaftlicher Tätigkeit oder normaler Freizeitbeschäftigung. Ich habe in meinen jungen Jahren gerne Freiluftveranstaltungen am Unisee mit Grillen und Musik besucht. Auf den Gedanken, dass diese mit öffentlichen Mitteln gefördert werden sollten, bin ich aber nie gekommen.

Schwerpunkt der Kulturförderung ist immer noch die Hochkultur.

Selbstverständlich stehe ich zur Förderung der sogenannten Hochkultur. Aber dass die über alle Maßen üppig unterstützt wird, kann man auch nicht sagen.

Populäre Musik wird zunehmend ein Fall für Kulturförderung.

In gewisser Weise haben wir die immer schon gefördert, wenn auch auf einem niedrigen Niveau, indem zum Beispiel Bunker als günstige Probenräume genutzt werden konnten. Wir haben in den vergangenen Jahren einen Anfang gemacht mit der Musikszene e. V. und dem festen Quartier am Zollamt. Diesen Weg werden wir fortsetzen.

Warum ist Bremen so ein schwieriges Pflaster für Pop-Musik?

Es könnte sicherlich mehr hiesige Künstler geben, die in die Charts kommen, aber davon abgesehen gibt es eine lebendige, vielfältige Szene. Und das zeigt sich auch beim Schulrockfestival und bei Live in Bremen. Bei beiden Veranstaltungen wird uns ein sehr ordentliches Niveau erwarten. Insofern würde ich nicht in den Klagechor einstimmen, dass in Bremen nichts passiert. Ich fände es natürlich toll, wenn es noch mehr wäre, und wenn wir dazu beitragen können, ist das super.

Es braucht Auftrittsmöglichkeiten, Clubs.

Das ist ein allgemeines städtebauliches Problem, Wohnen, Freizeit und Gewerbe in Einklang zu bringen. Da gibt es immer Konflikte. Es ist aber auch kein neues Phänomen. Vor 20 Jahren gab es Diskussionen um das Modernes in der Neustadt, da waren die Nachbarn auch nicht alle begeistert. Deren Interessen muss man auch berücksichtigen. Wir bemühen uns aber in jedem einzelnen Fall, eine gute Lösung zu finden, die den Clubs und den Anwohnern gerecht wird.

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