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Leere Sinnsuche

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Von Corinna LaubachBREMEN (Eig. Ber.) · Sie waren das berühmteste Gaunerpärchen des letzten Jahrhunderts: Bonnie Parker und Clyde Barrow. Geliebt, verehrt und gefürchtet. Mit ihren Raubzügen und Morden versetzten sie den Südwesten der Vereinigten Staaten in Angst und Schrecken, zugleich schafften sie es, innerhalb von zwei Jahren zur Legende zu werden, ehe das berüchtigte Duo im Kugelhagel starb.

Im Moks am Theater Bremen laufen sich in der neuesten Produktion „Clyde und Bonnie“ (ab 15 Jahren) zwei Jugendliche über den Weg, die ganz wie die große Vorlage nach einem Sinn im Leben, nach ihrem Platz in der Gesellschaft suchen. Zwei Außenseiter, die die Liebe mit aller Wucht trifft.

Clyde (Christopher Ammann) ist cool. So cool, dass es Bonnie (Anna-Lena Doll) komplett egal ist, dass er eigentlich Werner heißt. Die beiden, die bislang so wenig Liebe in ihrem Leben verspürten, lässt das große Gefühl zum fest umklammerten Pärchen werden. Sie haben kurz nach dem Kennenlernen im Kino Sex auf dem Rücksitz von Clydes Wagen, pusten sich verliebt Seifenblasen ins Gesicht, während Robbie Williams „Angel“ singt. Ein gehauchtes „Ich liebe Dich“ versetzt vor allem Clyde in Angstzustände, ist er doch von großer Verlustangst geprägt. Angst, die immer wieder in Aggressionen umschlägt, da kommt der zeitgemäße Gang zum Seelenklemper gerade recht.

Clyde stiert in die Kamera und weiß eigentlich nicht so recht, was er soll und dem „Herrn Doktor“ von sich auf die Nase binden soll und will. Bonnie, Kleptomanin seit Kindertagen, vom Vater missbraucht, hingegen weiß, was sie will: Einen coolen Typen wie Clyde und einen Moment lang glücklich sein.

Sie beide nehmen sich ihre berühmten Gangstervorbilder und spielen die blutige Liebesgeschichte nach. Oder spielen sie doch sich selbst?

Regisseur Michael Talke lässt in seiner Übersetzung von Holger Schobers Jugendstück so einiges auf der tunnelartigen Bühne im Brauhauskeller auffahren. Die Nachwuchsband „5 days fast food“ rockt, als ob es kein Morgen gäbe, im Schattenspiel wird die Begegnung der frisch Verliebten hinter der Papierwand zum Comic, dazwischen immer wieder Hollywood-Filmsequenzen mit dem smarten Gansterpaar Faye Dunaway und Warren Beatty. Sie sind jung, sie sind sexy, sie sind verliebt – und sie leben auf einem ganz schmalen Grat. Die Echten und die Nachahmer. Nachwuchs-Bonnie und ihr Clyde spielen die Filmszenen nach, werden mit Perücken und Anzugweste zum glorifizierten Mythos und erzählen parallel aus ihrem eigenen verkorksten Leben. Die Grenzen zwischen Spiel und Realität sind laufend verwischt.

Das alles hat durchaus Unterhaltungswert und lässt beim Teenie-Publikum keine Langeweile aufkommen. Aber es ist leider auch beliebig und macht das Stück unterm Strich inhaltsleer, da kann noch so viel Action auf der Bühne sein. Talke kratzt an der Oberfläche, wann immer die Gangstergeschichte an Tiefgang gewinnt – Jugendarbeitslosigkeit, Perspektivlosigkeit, erlebte und gelebte Gewalt – dann driftet er ab und sorgt dafür, dass Doll und Ammann sich in einem nächsten Schritt die Papierbahnen um die Ohren hauen, die Band noch wütender aufspielt oder als müdes politisches Statement Masken von Barack Obama und Angela Merkel für den fiktiven Banküberfall herhalten müssen. Doll und Ammann liefern ein glaubhaftes Teeniepärchen, das gern alles wäre, nur nicht beliebig.

Weitere Vorstellungen: am 28., 29. November, 3. und 10. Dezember, jeweils um 20 Uhr.

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