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Loveparade-Prozess endgültig und ohne Urteil eingestellt

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Die Tragödie der Loveparade 2010 führte zu einem der größten Strafverfahren seit Jahrzehnten, das nun jedoch ohne Urteil endet.

Der Prozess um das Loveparade-Unglück mit 21 Toten und mehr als 650 Verletzten ist zu Ende. Das Duisburger Landgericht stellte am Montag das Strafverfahren ein, wie Gerichtssprecher Matthias Breidenstein mitteilte. Damit endete eines der aufwendigsten Verfahren der deutschen Nachkriegsgeschichte ohne Urteil. Der Beschluss ist unanfechtbar.

Loveparade 2010: Verfahren hatte 2017 begonnen

Das Verfahren um das tödliche Gedränge beim Loveparade-Festival am 24. Juli 2010 hatte im Dezember 2017 begonnen. Zunächst mussten sich zehn Angeklagte unter anderem wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung verantworten. Im Februar 2019 wurde bereits der Strafprozess gegen sieben Angeklagte ohne Auflagen eingestellt. Gegen drei weitere Mitarbeiter der Veranstalterfirma Lopavent wurde das Verfahren fortgesetzt, weil sie eine Einstellung des Prozesses abgelehnt hatten.

Landgericht Duisburg: Die Ursachen für das Unglück sind geklärt

Die Staatsanwaltschaft hatte dem Vorschlag des Gerichts zugestimmt, das Verfahren einzustellen. Nach Ansicht der Anklagebehörde sind die Ursachen für das Unglück geklärt. Zudem verjährt der Vorwurf der fahrlässigen Tötung am 27. Juli, ein Abschluss des Prozesses bis dahin sei unwahrscheinlich.

Für eine Fortsetzung des Verfahrens um die Loveparade hatten hingegen die Opfer-Anwälte plädiert. Erst nach der Anhörung des gerichtlich bestellten Gutachters Jürgen Gerlach könnten in einem Rechtsgespräch der Fortgang des Loveparade-Verfahrens und gegebenenfalls dessen Einstellung erörtert werden, hatten sie erklärt. Die Nebenkläger und ihre Vertreter erhofften sich von dem Gutachten „Struktur und Durchblick im Dickicht des sich mehrfach überlagernden, multikausalen Geschehens“.

Loveparade-Tragödie 2010 - eine Historie

Die Loveparade-Tragödie in Duisburg vor knapp zehn Jahren war eines der schwersten Unglücke in Deutschland seit Jahrzehnten. 21 Menschen kamen durch ein entsetzliches Gedränge am einzigen Zu- und Abgangsbereich des eingezäunten Veranstaltungsgeländes ums Leben. Ein Rückblick:

SAMSTAG, 24. JULI 2010

Die zuvor lange in Berlin beheimatete Loveparade macht erstmals in Duisburg Station. Die Technofans strömen in Scharen zum Veranstaltungsgelände am früheren Duisburger Güterbahnhof. Am Nachmittag gibt es auf der Eingangsrampe zum Loveparade-Areal ein tödliches Gedränge. Die meisten der 21 Todesopfer sind zwischen 18 und 25 Jahre alt. Mehr als 650 weitere Menschen werden verletzt.

SONNTAG, 25. JULI 2010

Während einer denkwürdigen Pressekonferenz im Duisburger Ratssaal bestürmen Journalisten die Teilnehmer auf dem Podium, darunter Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU), mit Fragen zu offenkundigen Planungsfehlern im Vorfeld des Musikspektakels.

SAMSTAG, 31. JULI 2010

Zu einer zentralen Trauerfeier für die Opfer in der Duisburger Salvatorkirche reisen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der damalige Bundespräsident Christian Wulff in die Ruhrgebietsstadt. Sauerland bleibt der Gedenkveranstaltung fern - Gegner werfen ihm vor, er wolle keine moralische Mitverantwortung für die Tragödie übernehmen.

SONNTAG, 24. JULI 2011

Duisburg begeht den ersten Jahrestag des Loveparade-Unglücks, während Sauerlands Kritiker Unterschriften für dessen Abwahl sammeln.

SONNTAG, 12. FEBRUAR 2012

Der von den Gegnern Sauerlands durchgesetzte Bürgerentscheid endet mit der Abwahl des Oberbürgermeisters. 129.833 Teilnehmer des Entscheids stimmen gegen Sauerland, 39.000 mehr als erforderlich.

MITTWOCH, 12. FEBRUAR 2014

Mehr als dreieinhalb Jahre nach der Tragödie erhebt die Staatsanwaltschaft Duisburg Anklage gegen sechs Mitarbeiter der Stadt Duisburg und vier des Loveparade-Veranstalters. Sauerland und der Loveparade-Organisator Rainer Schaller zählten von Anfang an nicht zu den Beschuldigten.

FREITAG, 8. DEZEMBER 2017

Nach jahrelangen Ermittlungen und heftigem juristischem Tauziehen um die Zulassung der Anklage beginnt der Strafprozess - aus Platzgründen in einem Kongresszentrum der Düsseldorfer Messe. Die Staatsanwaltschaft wirft den zehn Angeklagten fahrlässige Tötung beziehungsweise fahrlässige Körperverletzung vor.

MITTWOCH, 16. JANUAR 2019

Nach gut einjähriger Beweisaufnahme schlägt das Gericht vor, das Verfahren gegen die zehn Angeklagten wegen geringer Schuld einzustellen - in sieben Fällen ohne und in drei Fällen mit Geldauflagen.

DIENSTAG, 5. FEBRUAR 2019

Am 100. Prozesstag stimmt die Staatsanwaltschaft dem Vorschlag der Verfahrenseinstellung für alle zehn Angeklagten zu. Auch sieben Beschuldigte erklären sich einverstanden. Die drei Angeklagten, denen Geldauflagen drohen, lehnen hingegen ab. Der Prozess geht also weiter - aber nur noch gegen die drei Angeklagten.

DONNERSTAG, 2. APRIL 2020

Wegen der Corona-Krise* unterbricht das Duisburger Landgericht den Prozess auf zunächst unbestimmte Zeit. Zur Begründung heißt es unter anderem, einige Prozessbeteiligte gehörten zu den Coronavirus-Hochrisikogruppen. Damit geht weitere Zeit verloren, denn im bevorstehenden Sommer verjährt zumindest ein Teil der Vorwürfe endgültig.

DIENSTAG, 7. APRIL 2020

Das Landgericht teilt mit, dass die Strafkammer die Einstellung des Verfahrens gegen die noch verbliebenen Angeklagten ohne Geldauflagen vorschlägt. Das "multikausale Geschehen", das der Loveparade-Katastrophe zugrunde liege, sei in dem Prozess gründlich aufgeklärt worden. Eine etwaige Schuld der Angeklagten dürfe wohl als gering angesehen werden.

FREITAG, 17. APRIL 2020

Die endgültige Ende des Prozesses rückt näher: Die Staatsanwaltschaft und die drei Angeklagten erklären ihre Zustimmung zur Verfahrenseinstellung. Anwälte der Nebenkläger wenden sich wenige Tage später gegen einen solchen Schritt zum jetzigen Zeitpunkt. Ihre Zustimmung ist aber für eine Einstellung nicht erforderlich.

MONTAG, 4. MAI 2020

Das Landgericht stellt den Strafprozess endgültig ein. Fast zehn Jahre nach der Tragödie von Duisburg endet deren juristische Aufarbeitung ohne Urteil. (afp/epd/skr)

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Gegen Mehmet Göker (41), den früheren Chef des Versicherungsvermittlers MEG, ist ein Verfahren wegen „Vereitelung der Zwangsvollstreckung“ jetzt vor dem Kasseler Landgericht eingestellt worden. Nur wenige Monate nach seinem Ende wird der Prozess um die Loveparage-Katastrophe in einer Dokumentation bei Arte neu aufgerollt.

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