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Männer sind ein Schwein

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Auf zum letzten Gefecht: Der multiple Florent (im Bild: Tilman Strauß (v.l.), Jan-Peter Kampwirth und Samuel Weiss) in „Serotonin“. Fotos: dpa
Auf zum letzten Gefecht: Der multiple Florent (im Bild: Tilman Strauß (v.l.), Jan-Peter Kampwirth und Samuel Weiss) in „Serotonin“. © dpa

Hamburg - Haben Sie den Schock verarbeitet? Die Wahlergebnisse in Sachsen und Brandenburg? Dann können wir ja nun vielleicht zu den wichtigen Fragen kommen. Woher kommen diese Wut, diese Radikalisierung, diese Sehnsucht nach einem Gestern, das es freilich so kaum je gab? Klar, es mag schon auch eine spezifische, ostdeutsche Gemütslage geben. Aber die erklärt ja auch die Rassemblement National nicht, die in Frankreich die Wutbürger einsammelt.

Den Autor Michel Houellebecq in diesem Dunstkreis zu verorten, ist freilich Unfug. Von ihm erfahren lässt sich in der Angelegenheit allerdings einiges. „Serotonin“ zum Beispiel, sein jüngster Roman, erzählt die Geschichte eines, nun ja, zumindest nicht mehr ganz jungen, auf jeden Fall weißen Mannes namens Florent, für den Frauen im wesentlichen Schlampen sind. Und auch wenn er eigentlich finanziell ganz gut dasteht, kommt er aus dem Jammern nicht heraus, was dann auch wieder ein Grund für Gejammer ist. Gegen seine Depression helfen auch keine Pillen, wie sie ein mitfühlender, oder sagen wir: kongenialer, also geistig ebenbürtiger Psychiater unserem Helden verschreibt. Zumal sie ihn auch noch impotent machen.

Im Grunde ebenso hoffnungslos wie Florent ist dessen bester oder vielleicht auch nur einziger Freund Aimeric, der seinen Kampf als Biobauer verloren hat, bevor er ihn recht begann, und mit seinen Mitbauern zum letzten Gefecht bläst. Heldentod. Florent spekuliert da lieber ein letztes Mal auf die Liebe. Folgenlos freilich.

Falk Richter hat diesen Mann in der Krise auf die Bühne des Deutschen Schauspielhauses in Hamburg auf die Bühne gebracht, in vierfacher Ausführung – um Missverständnisse zu vermeiden. Überhaupt ist in Richters „Serotonin“ wenig Raum für Mehrdeutigkeiten. Das ist durchaus auch einmal höchst erfrischend: Sandra Gerling und Josefine Israel grätschen beherzt in die Herrenlarmoyanz (einnehmend dargeboten von Jan-Peter Kampwirth, Carlo Ljubek, Tilman Strauß und Samuel Weiss), wofür sie sich unter anderem den SXTN-Song „Die Ftzn sind wieder da“ ausleihen.

Prima Primaten: Tilman Strauß (l.) und Jan-Peter Kampwirth.
Prima Primaten: Tilman Strauß (l.) und Jan-Peter Kampwirth. © dpa

Das ist eines von vergleichsweise wenigen Bildern, die hängen bleiben. Klar, Aimerics fragmentiertes Landhaus (Bühne: Katrin Hoffmann) ist markant, wo Florent zu Deep Purples „Child in Time“ noch einmal so etwas wie Glück erlebt. Videoprojektionen (Sébastien Dupouey) zeigen immer wieder eine Welt, die offenbar von jungen Frauen gerettet werden muss – vor den alten, weißen Männern.

Falk Richter hat an gleicher Stelle zuletzt David Bowies Musical „Lazarus“ und Elfriede Jelineks „Am Königsweg“ bildgewaltig serviert – zu Florent fällt ihm am Ende nur ein, dessen Verkörperungen in Fell zu kleiden – der Krisenmann als von der Evolution überholtes Modell? Da fällt der Abend hinter die Vorlage zurück, die ungeachtet einer gewissen dramaturgischen Schludrigkeit und trotz pornografischer Schübe den Protagonisten in seiner Läppischkeit ernst nimmt.

Von ganz anderem Schlag die „Unterwerfung“ nach Houellebecq von Karin Beier am gleichen Ort, die immer noch auf dem Spielplan steht. Die läuft allerdings erst wieder im März.

Sehen

Samstag, 21. September, 20 Uhr, Sonntag, 22. September, 16 Uhr, Mittwoch, 23. Oktober, 19.30 Uhr, Deutsches Schauspielhaus, Hamburg.

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