Gibt es im Schreibprozess einen Unterschied zwischen Raptext und der Strophe für ein gesungenes Lied?
Herre: Rap ist sehr oft narrativ. Es geht darum, eine Geschichte zu erzählen. Die Songtexte meiner neuen CD sind dagegen lyrischer. Es geht darum, eine Metapher für eine Emotion zu finden. Ich möchte eigene, aber auch allgemeine Gefühle ausdrücken. Beim Songwriting muss man im Vergleich zum Hip-Hop ziemlich schnell auf den Punkt kommen, um die grundsätzliche Emotion des Songs formulieren zu können.
Gibst du beim Singen mehr Persönlichkeit von dir preis als beim Rappen?
Herre: Rap ist mehr eine Art Vorlesen. Wenn ich dagegen singe, kann ich Gefühle transportieren. Jedem ist klar, worüber ich singe, ohne dass er die Geschichte sezieren muss, die mit dem Song verbunden ist. Das hilft mir, emotional und bei mir zu sein, ohne das Gefühl zu haben, dass ich den Leuten nicht gerecht werde, denen ich verpflichtet bin: meiner Familie und meinen Kindern. Ich gebe beim Singen meine Intimsphäre nicht preis, bin aber trotzdem persönlich.
In den Medien wird immer von einem gereiften Max Herre gesprochen, der sich neu definiert hat. Dabei waren schon in den Liedern von Freundeskreis Songstrukturen erkennbar. Gab es den Songwriter Max Herre schon länger, als es uns jetzt verkauft werden soll?
Herre: Ich mache seit 20 Jahren Bandmusik. Ein Lied wie „Leg dein Ohr auf die Schiene der Geschichte“ aus der Anfangszeit von Freundeskreis hatte bereits einen gesungenen Refrain. Auch „Anna“ ist für mich - trotz Raptext - klassisches Songwriting. Sie haben gerade deshalb Bestand, weil sie keine losen Texte sind, die auf Beats gesprochen werden. John Lennon hat einmal gesagt: Ein guter Song ist ein guter Song, egal in welchem Gewand man ihn transportiert. Ich wollte auch beim Rap immer nur das machen, was mich interessiert hat: einen Song schreiben.
Ist deine Platte somit ein Schritt zurück zu deinen musikalischen Anfängen?
Herre: Vielleicht. Mein zweieinhalb Jahre jüngerer Bruder hat zum Beispiel gemeint, mein neues Album erinnere ihn an meine erste Band. Für ihn schließt sich der Kreis ganz anders als für jemand, der mit „Esperanto“ von Freundeskreis eingestiegen ist.
Teil zwei auf der nächsten Seite:
Lesen Sie im zweiten Teil des Interviews, wie Max Herre über die derzeitige Entwicklung im deutschen Hip-Hop denkt, und warum die Freundin seiner Mutter jetzt seine Musik mag.