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Sprengel Museum eröffnet Ausstellung „Figuren“ von Rineke Dijkstra

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Idylle vor Spitzengardinen: „Marianna and Sasha“ im November 2014 im russischen Kingisepp aufgenommen. - Foto: Galerie Max Hetzler, Berlin
Idylle vor Spitzengardinen: „Marianna and Sasha“ im November 2014 im russischen Kingisepp aufgenommen. © Galerie Max Hetzler, Berlin

Hannover - Von Jörg Worat. Eine hochkarätige Auszeichnung geht an eine hochkarätige Künstlerin: Im Sprengel Museum ist die Ausstellung „Figuren“ von Rineke Dijkstra eröffnet worden. Die 58-jährige Niederländerin hat den Internationalen „Spectrum“-Preis für Fotografie der Stiftung Niedersachsen bekommen. Er ist mit 15 000 Euro, der Produktion eines Künstlerbuchs und eben der Ausrichtung einer großen Schau dotiert.

Die Menschendarstellung ist das Metier von Rineke Dijkstra, die mittlerweile zu den renommiertesten Persönlichkeiten in der internationalen Fotokunst-Szene gehört und kürzlich auch den Hasselblad Foundation Award abgeräumt hat, gleichsam der Oscar unter den Auszeichnungen für Fotografie. 

Ein allseits bekanntes Phänomen webt sie auf einzigartige Weise in ihre Aufnahmen ein: Das Bewusstsein, abgelichtet zu werden, hat Auswirkungen auf die Pose. Und wer besonders ungezwungen wirken will, erreicht gerade dadurch oft das Gegenteil – Dijkstras Bilder zeigen zuweilen eine sehr delikate Balance zwischen dem Natürlichen und dem Künstlichen.

Die Sprengel-Ausstellung ist thematisch gegliedert. Eine Abteilung handelt etwa von Körpern im Raum. Dijkstra setzt neben der Großbild- auch die Videokamera ein und hat damit Kinder beim anstrengenden Sportgymnastik-Training gefilmt: „Sie formen menschliche Skulpturen“, beschreibt‘s die Künstlerin – die übrigens selbst auf keinen Fall fotografiert werden will. 

Arbeiten in Beziehung zur Museumssammlung gesetzt

In umittelbarer Nachbarschaft befinden sich zudem Gemälde und Skulpturen, denn Dijkstra hat ihre Arbeiten in Beziehung zu Werken aus der hauseigenen Museumssammlung gesetzt. Und natürlich thematisieren ein Bild von Fernand Léger oder Germaine Richiers Bronzeplastik „Fourmi“ ebenfalls das Verhältnis von Figur zu Raum: „Mich interessiert“, sagt Rineke Dijkstra, „wie man etwas von allen Seiten betrachten kann. Äußerlich genauso wie inhaltlich.“

Eine Serie mit Bildern von Jugendlichen im Amsterdamer Vondelpark weckt unmittelbar Assoziationen an Manets berühmtes „Frühstück im Grünen“ von 1863. Dieses Bild besitzt das Sprengel Museum leider nicht, wohl aber eine von Picassos Paraphrasen, die prompt dazugehängt wurde. Ein Mädchen aus Dijkstras Park-Serie taucht in einem anderen Zusammenhang wieder auf, nämlich bei Aufnahmen, die über einen Zeitraum von sieben Jahren von drei Schwestern gemacht wurden.

Kluge, facettenreiche und sehr sinnliche Ausstellung

Wie üblich verzichtet die Fotografin auf Requisiten und stellt allein den Menschen in den Mittelpunkt. Das Konzept erinnert an die „Brown Sisters“ von Nicholas Nixon – das bestätigt Dijkstra, hebt gleichzeitig aber auch Unterschiede hervor: „Bei mir geht es ja vor allem um die Adoleszenz. Ich finde es zum Beispiel interessant, dass es auf den Bildern so wirkt, als habe sich die mittlere der drei Schwestern in dieser Zeit am meisten verändert.“ Aus der Sprengel-Sammlung ergänzt dazu Hans Arps verspielt-ironische „Familie“ das Ensemble, vier abstrakte Glaskörper, denen man je nach Größe und Form die Rollen von Vater, Mutter, Tochter und Sohn zuordnen kann.

Es ist eine kluge, facettenreiche und vor allem sehr sinnliche Ausstellung geworden – wer immer noch der Meinung ist, Fotografie tauge in erster Linie zur reinen Dokumentation, kann sich auf angenehmste Weise eines Besseren belehren lassen. Die Schau läuft bis zum 6. Mai.

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