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Morde in heiligem Wahn

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Kunst als bloße Ware: „Cardillac“ in Oldenburg.
Kunst als bloße Ware: „Cardillac“ in Oldenburg. © -

Von Wolfgang DenkerOLDENBURG · Die Oper „Cardillac“ von Paul Hindemith entstand 1926. Ihr liegt die Erzählung „Das Fräulein von Scuderi“ von E. T. A. Hoffmann zu Grunde; Ferdinand Lion schrieb das Libretto. Hindemith hat seine Oper später umgearbeitet und erweitert, aber auf den meisten Bühnen wird die etwa eindreiviertel Stunden dauernde Urfassung von 1926 gespielt. So auch in Oldenburg.

Die Ende des 17. Jahrhunderts in Paris spielende Handlung ist eigentlich eine spannende Kriminalgeschichte. Der Goldschmied Cardillac kann sich nicht von seinen Schöpfungen trennen. Wenn er widerwillig doch mal eine seiner Arbeiten verkauft hat, setzt er alles daran, sie wieder in seinen Besitz zu bringen. Dabei ist Mord seine bevorzugte Methode.

Regisseur Sebastian Ukena hat sich in seiner Inszenierung auf keine Zeit und keinen Ort festgelegt. Der Chor trägt elegante Abendkleidung, das Bühnenbild von Stephan Manteuffel besteht aus Stahlgerüsten und einem großen, würfelförmigen Klotz. Auch die „Schatztruhe“ mit Cardillacs Schmiedearbeiten, die er ständig mit sich herumträgt, weist diese Form auf. Die vom Regisseur gewünschte Assoziation zur Kaaba in Mekka erschließt sich aber nicht unbedingt. Ihm ist auch weniger an der äußeren Handlung gelegen, vielmehr versucht er, das Verhältnis zwischen Künstler und Gesellschaft zu hinterfragen. Er macht es dem Zuschauer dabei nicht unbedingt leicht, arbeitet überwiegend mit einer Vielzahl von Symbolen. Deutlich wird aber, dass der eigentliche Gegner Cardillacs nicht der einzelne Kunde, sondern das Kollektiv, die Gesellschaft ist – repräsentiert durch den Chor, der in dieser Oper besonders umfangreiche Aufgaben hat. Es ist eine Gesellschaft, in der die Kunst zur reinen Ware verkommen ist.

Cardillac wird von seinen Kunden bedrängt, die ihn mit Geldscheinen überhäufen. Der Wert des Schmucks besteht nur noch in seiner praktischen Verwertbarkeit, etwa um eine Dame „herumzukriegen“. In der Oper wird Cardillac eigentlich von der Menge erschlagen, nachdem er sich zu seinen Taten bekannt hat. Nur seine Tochter und ihr Verehrer, der Offizier, hatten vorher eine Ahnung, wer sich hinter den Morden verbirgt. Bei Ukena mündet das Ende in eine Glorifizierung des Künstlers, der nur „Opfer seines heiligen Wahns“ geworden ist, wobei die Betonung auf „heilig“ liegt: Cardillac wird wie eine Statue auf seinen Schmuckkasten gehievt und verehrt, wenn auch nicht unbedingt verstanden.

Die musikalische Umsetzung war sehr gelungen. Eindrucksvoll, was der von Thomas Bönisch einstudierte Chor leistete. Und das Oldenburgische Staatsorchester steigerte sich unter Johannes Stert zu eruptivem Klangrausch, bewahrte aber die strengen Formen (Fuge und Passacaglia) der als neobarock bezeichneten Musik von Hindemith.

In der Titelpartie konnte Peter Felix Bauer mit etwas kantigem, aber recht ausdrucksstarkem Bariton überzeugen. Mareke Freudenberg sang die Tochter mit gut ansprechendem Sopranglanz, Vincent Wolfsteiner führte als Offizier seinen gleißenden Tenor mit expressiver Schärfe und wurde der Partie damit sehr gerecht. Auch die weiteren Rollen waren mit Andres Valiguras als Goldhändler, Daniel Ohlmann als Kavalier, Valérie Suty als Dame und Paul Brady als Führer der Prévote gut besetzt.

Weitere Vorstellungen: am 28. Januar sowie am 10. Februar, jeweils um 19.30 Uhr im Fliegerhorst.

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