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Im Schnelldurchlauf gescheitert

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Bremen - Von Mareike Bannasch. Unter einem Busch im Schatten liegen, im See schwimmen oder stundenlang im Garten toben: Idyllischer geht‘s kaum noch. Erinnerungen an schönere Zeiten, fest umklammert und ins Gedächtnis eingebrannt. Und doch bleiben sie ein Trugbild, eines, in dem nur die schönen Momente Platz finden, alles andere verschwindet im nebulösen Grau.

Idylle und Harmonie als Rettungsanker in einer Welt, die nichts Einladendes mehr an sich hat. Wo der Mensch mehr hoffnungslose Kreatur denn lebensfroher Entdecker ist.

Keine Gedichte für graue depressive Wintertage sind es, die Nadja Küchenmeister in ihrem neuen Buch „Unter dem Wacholder“ veröffentlicht hat. Nach ihrem vielfach ausgezeichneten Debüt „Alles Licht“ verspricht auch dieser Band, für den sie sich von Rainer Maria Rilke, Tom Waits, und der Bibel inspirieren ließ, Leser und Jurys der Republik gleichermaßen zu überzeugen. In Bremen hat das zumindest schon mal geklappt, heute Abend erhält Küchenmeister den mit 6000 Euro dotieren Förderpreis des Bremer Literaturpreises. Eine Entscheidung, die ohne jeden Zweifel berechtigt ist.

Obwohl sich Wehmut und manchmal überbordene Trauer zu einem melancholischen Geflecht verdichten, beeinträchtigt das nicht die Schönheit der Gedichte. Sprachlich prägnant, ungeheuer melodisch und mitunter überraschenden Drehungen navigiert sich die Berlinerin durch die Höhen und Tiefen des Lebens. Genaugenommen sind es mehr die Tiefen, die sich in Form von Tod, Erschöpfung und Traum in den Versen wiederspiegeln. So hadert das Lyrische Ich beständig mit dem Hier und Jetzt, sehnt sich nach einer längst vergangenen Zeit zurück, die irgendwie besser war. Damals, als die Temperaturen noch wärmer, die Sonne öfter zu sehen und die Freunde niemals fern waren. Ganz im Gegensatz zu heute, wo irgendwie immer alles dunkel ist – abgesehen von einem hellen Licht, das für einen kurzen Moment Hoffnung versprüht, aber eigentlich doch nur ein Trick der Sonne ist.

Die eigene Vergangenheit, wie ein Fixpunkt taucht sie immer wieder in den Werken der Berliner Autorin auf, zum Beispiel in „der tod im traum“. Ein vierteiliges Werk, unterteilt in die Jahrezeiten des Lebens, durchdrungen von Erinnerungsfetzen und düsteren Ahnungen. Ein harter, klarer Schnelldurchlauf durch ein exemplarisch anmutendes Leben, der manchmal fast schon schmerzhaft intensiv daherkommt und jeglichen Hauch von Unbeschwertheit verloren hat.

Ein Gefühl, das es zumindest irgendwann einmal gegeben haben muss, wie „das amerikanische licht“ suggeriert. Hier beschreibt Küchenmeister eine Gruppe Kinder mit Dreck auf den Hosen und in den Haaren, versunken in ihrer eigenen Welt, während am Horizont schon die Zeichen der Veränderung leuchten. Der Lauf mehrerer Jahre findet sich auf vier Seiten wieder und zeichnet das Bild einer Kindheit im totalitären Staat. Abgeschottet und zugleich behütet, die Gedanken drehen sich um das Lieblingsspiel – nichts wird infrage gestellt, erst recht nicht das System. Doch mit dem Alter gewinnt auch das amerikanische Licht an Bedeutung, und mit ihm der Wunsch nach Veränderung. Allerdings bleibt er unausgesprochen, findet nur in Pfützen oder im Schatten verharrend seinen Platz. Trotz Aufbruchstimmung und Euphorie am Küchentisch mischen sich erste Zweifel in den immer lauter werdenden Abgesang auf die alte Welt. Und Angst, Angst vor dem Abschied von der Kindheit und der ungewissen neuen Zeit. Während in den Straßen das strahlende Leuchten unaufhaltsam näherkommt, und vom sicheren Netz nicht mehr als ein schmerzender Fetzen übrig bleibt.

Mit „Unter dem Wacholder“ ist Nadja Küchenmeister ein stilles und zugleich schonungsloses Werk gelungen, das von einer tiefen Traurigkeit durchdrungen ist und zugleich eine starke Botschaft in sich trägt: Steh auf und mach weiter. Und wenn es nur in Erinnerung an das tobende Kind ist.

Nadja Küchenmeister, Unter dem Wacholder, Schöffling Verlag.: Frankfurt am Main 2014; 109 Seiten; 18,95 Euro.

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