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Sebastian Kreyer inszeniert in Bremen „Endstation Sehnsucht“

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Betty Freudenberg als Blanche.
Betty Freudenberg als Blanche. © Jörg Landsberg

Bremen - Von Rolf Stein. Das Stück: gehandelt als eines der besten des 20. Jahrhunderts. Der Film: ikonisch, nicht zuletzt wegen Marlon Brando natürlich. „Endstation Sehnsucht“ von Tennessee Williams erzählt vom Aufeinandertreffen des alten Südstaatenadels im Niedergang mit aufstrebenden, anpackenden Einwanderern, die für Befindlichkeiten keine Zeit haben.

Blanche DuBois, aus gutem Hause, verliert nach dem Tod ihres Mannes ihr geliebtes Landgut in Mississippi und sucht bei ihrer Schwester Stella in New Orleans Unterschlupf. Stella ist mit dem polnischstämmigen Arbeiter Stanley Kowalski verheiratet, für den Blanche nur Verachtung übrig hat. Sie träumt von alten Zeiten und wünscht sich kaum etwas sehnlicher als einen wohlhabenden Mann, der ihrem Leben wieder zu alter Grandezza verhelfen kann.

Unspektakuläres Ambiente

Diese von Tennessee Williams präzise gezeichnete Geschichte reizt regelmäßig Regisseure auch an deutschen Bühnen. Dabei ist – abgesehen von der schieren Bekannt- und Beliebtheit des Stoffs – gar nicht so klar, warum. Wären denn die Konflikte und Probleme dieser Figuren sehr heutig – und gar hiesig? Man müsste es als Regisseur drauf ankommen lassen – allerdings ohne dem Stück allzu beherzt zu Leibe zu rücken, denn das wird von Williams’ Nachlasswaltern mindestens so streng behütet wie der Nachlass Bertolt Brechts.

In Bremen hat sich nun der Regisseur Sebastian Kreyer, der hier schon „Im weißen Rössl“ inszenierte, der „Endstation Sehnsucht“ angenommen. Er siedelt das Geschehen in recht unspektakulärem Wohnambiente an, Sofas, Sessel, ein Bett, ein Fernseher, ein Duschvorhang. Naturalismus also? Das wäre immerhin nah am Geist der Vorlage.

Kreyer scheint wenig zum Material eingefallen zu sein

Blanche ist kaum angekommen, da lernen wir Stellas Nachbarin Eunice kennen, eine dauergewellte, laute Person, die zeigt, wo die Straßenbahn in Bremen hinfahren wird. In ein eher grelles dramatisches Zentrum nämlich, in dem Betty Freudenberg als Blanche eine Menge Raum bekommt, zu zeigen, was sie kann. Und das ist eine ganze Menge. Mal trägt sie das ruinierte Nervenkostüm mit erschütternder Porosität, mal umschmeichelt sie virtuos die Männerwelt, mal – und das ist eine der großen Szenen dieses Abends – erzählt sie bei Kerzenschein die Geschichte des einst von ihr leidenschaftlich geliebten jungen Mannes, der sich erschoss, als seine schwulen Neigungen ruchbar wurden – was wieder so ein Detail ist, das zumindest nicht vollends auf der Höhe unserer Zeit scheint. Zu den Kabinettstückchen gehört ferner auch eine virtuose Rollschuh-Nummer von Blanche und Mitch, die allerdings ahnen lässt, wie wenig Kreyer im Grunde zu dem Material eingefallen ist, das Tennessee Williams liefert.

Der soll auf die Frage nach dem Sinn des Stücks gesagt haben: „You better watch out or the apes take over!“ Was sich in etwas übersetzen lässt als: Pass auf vor den Brutalen, vor denen mit den Ressentiments, den allzu einfachen Antworten, denen, die keine Zweifel an sich dulden. Blanche zerbricht am Ende schließlich daran, dass sie keinen Platz in diesen modernen Zeiten findet, aber auch den überkommenen Anstandsregeln nicht entsprechen kann, seien die Gerüchte über sie nun Fake News oder nicht.

Am Ende bleibt Freude am Ensemble

Natürlich kann Kreyer diese Ebene nicht ignorieren – aber eine künstlerische Notwendigkeit, das auf diese Weise noch einmal zu erzählen, ist kaum zu erkennen. Die Schwere des Stoffs will er uns erleichtern, indem er den Proleten zum Zotenreißer verzerrt, die wachsame Nachbarschaft kaum mehr als Karikatur sein lässt.

Und so bleibt am Ende vor allem Freude am Ensemble: Johannes Kühn als Stan Kowalski und Lisa Guth als seine Frau Stella spielen erfreulich differenziert, Mathieu Svetchine ist nuanciert als um Blanche buhlendes, am Ende aber der Familienraison gehorchendes Muttersöhnchen Mitch zu sehen, Gabriele Möller-Lukasz spielt die schrille Nachbarin Eunice genussvoll aus. Und Betty Freudenberg, die hier ihre letzte große Bremer Premiere feiert, bevor sie im Sommer gen Dresden zieht, darf sich als Blanche DuBois, wie angedeutet, mit einem veritablen Parforce-Ritt noch einmal in die Herzen ihres Publikums spielen. Ihretwegen lohnt der Besuch durchaus. Ansonsten leider nicht so sehr.

Die nächsten Vorstellungen: Sonntag, 7. Mai, 18.30 Uhr, Freitag, 12. Mai, 20 Uhr, Kleines Haus, Bremen.

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