Günter Grass ist gestorben in diesem Jahr, ein großer Autor und unbequemer Bürger. Seine Biografie stand wie seine Literatur für die quälenden Selbstzweifel einer ganzen Nation, für ihr Ringen um eine souveräne Haltung zur eigenen Geschichte. In Bremen hatte man das schließlich auch erkannt, die Stadt gründete 2001 unter seinem Namen eine Stiftung und richtete ein Archiv ein, zu zahlreichen Anlässen begrüßte man den Literaturnobelpreisträger als Ehrengast. Das war nicht immer so gewesen. Als Grass 1960 den Bremer Literaturpreis erhalten sollte, hatte der Senat noch sein Veto eingelegt: „Die Blechtrommel“, jenes skandalös unzüchtige Romandebüt schien den feinen Hanseaten ihres Preises unwürdig.
So zeigt sich im Umgang mit Grass ein typisch bremisches Phänomen: Diese Stadt hat eine Begabung dafür, Künstler erst zu unterschätzen, um ihnen dann nach Jahrzehnten reumütig wieder den roten Teppich auszurollen. Das gilt für Günter Grass, das gilt für Kurt Hübner – gilt es auch für die Bremer Weserburg? Es sieht zurzeit danach aus, als kratze die Stadt hier gerade noch mal die Kurve. Doch wer ihre politischen Intrigen und Ränkespiele über Jahre hinweg beobachtet hat, der wird am Ende nur noch eines herbeisehnen: endlich mehr Konstanz.