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Er nimmt es mit Humor

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Stoppok Foto: Screenshot
Stoppok Foto: Screenshot © -

Bremen - Von York Schaefer. Gähnende Leere in der Kesselhalle des Bremer Schlachthofs, bis auf wenige Ausnahmen bleiben die Plätze unbesetzt, kein Mensch steht am Tresen. Liedermacher Stefan Stoppok fühlt sich an den Beginn seiner Karriere Anfang der Achtziger-Jahre erinnert und nimmt die Situation mit Humor. „Damals gab es schon ein paar Auftritte, wo auch keine Sau da war“, sagt er schmunzelnd zu Beginn seines Konzerts ohne Publikum – zumindest nicht hier im Saal. Im Livestream auf der Website von Radio Bremen und bei Facebook dürften es dagegen deutlich mehr sein als sonst – was natürlich nur ein schwacher Trost ist in Zeiten der Corona-Pandemie. Denn wann wieder „echte“ Konzerte stattfinden können, steht in den Sternen.

Ein seltsames, völlig neues Gefühl auch für den Rezensenten. Man setzt sich an den Schreibtisch und klappt den Laptop auf, statt am Eingang seine Karte abzugeben, die Platzsuche entfällt, kein Gedränge, kein Stimmengewirr. Kontaktlose Zeiten eben. Das frischgezapfte Bier am Tresen entfällt ebenso, stattdessen wird zu Hause das Flaschenbier geköpft. Zu Beginn ist kein Ton da, das regelt sich aber schnell.

Stefan Stoppok, Mitte 60, grau meliert an Kopf und Kinn und im grellen Anzug, setzt in Anbetracht der besonderen Situation auf eine Art Selbstsuggestion. „Ich habe ja schon einige Male im Schlachthof gespielt und versuche, mir die Stimmung hier vorzustellen. Das rufe ich dann zwischendurch immer mal wieder ab“, erzählt der gebürtige Hamburger, der nach Jahren der Wanderschaft wieder dort lebt, mit der ihm eigenen Selbstironie.

Auch als eine Art Back-up hat er seinen langjährigen Begleiter dabei, den Bassisten Reggie Worthy, dunkler Anzug, Sonnenbrille, Bowler-Hut. Der erste Song des Duos heißt „Wie schnell ist nix passiert“. Ein Stück mit schrabbelnder Westerngitarre, textlich passend zur aktuellen globalen Lage. Es geht um das Gefühl einer trügerischen Sicherheit, um ein Leben ohne vermeintliches Risiko. Auch für den „Schieber-Blues“ hat Stoppok den Text angepasst und aktualisiert, er besingt Verschwörungstheorien und den Shutdown, ein Leben in Eintönigkeit. „Ihr könnt zu Hause mitschieben, aber immer schön mit Abstand“, unkt der Liedermacher, dessen Art zu singen ein klein wenig an Udo Lindenberg erinnert.

Ein bisschen strahlt ein solches Konzert die Atmosphäre einer Proberaum-Session aus, nach den Songs herrscht naturgemäß Stille. Zumindest symbolisch wird stattdessen auf Facebook geklatscht. Es wird fleißig geliked, geteilt und kommentiert, berichtet auch Bremen-Zwei-Moderator Arne Schumacher in einer von zwei kurzen Interviewrunden. Mehr als 17 000 Aufrufe des Videos sind später zu verzeichnen.

Man merkt, dass es Stoppok nicht leicht fällt, ohne das direkte Feedback des Publikums zu spielen. Trotzdem bedankt er sich bei den Fans dafür, dass sie zumindest virtuell dabei sind, und dafür, dass viele ihre Karten nicht zurückgegeben haben. Eigentlich wollte Stoppok bereits im März mit kompletter Band im Schlachthof sein aktuelles Album „Jubel“ vorstellen. Das soll nun am 10. September nachgeholt werden.

Klar, dass das Duo dann auch Songs vom neuen Album spielt. In „Verjubeln“ zum Beispiel hat sich die Menschheit auf dem Planeten Erde selber abgeschafft, was ja auch wieder irgendwie zur aktuellen Lage passt – und was Songschreiber Stoppok auch gar nicht so traurig findet.

Manche seiner Lieder wie „Pack mit an“ über Gemeinsinn und die Kraft der Liebe wirken dann doch etwas naiv und rührselig. Auch „Lasst sie rein“ über das Schicksal von Geflüchteten ist trotz der lobenswerten Haltung dahinter doch arg vereinfachend. Dass ihm der Song einen reellen Shitstorm im Internet eingebracht hat, verrät allerdings etwas über die traurige Einstellung leider doch sehr vieler Menschen zu dem Thema.

Zum Ende des Livestreams sind Bild und Ton kurz weg, zur Zugabenrunde läuft es wieder. Den Song „Wetterprophet“ wünschen sich einige aus dem virtuellen Publikum. Noch so ein Lied über Unwägbarkeiten und zweifelhafte Vorhersagen, das gut passt als Abschluss dieser speziellen Konzerterfahrung, die man so nicht mehr wirklich allzu oft braucht.

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