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Am offenen Herzen

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Nora Bossong Foto: Suhrkamp Verlag
Nora Bossong © Suhrkamp Verlag

Bremen - Beispiele für die Relevanz der Liebe als Thema für aktuelle Kunst jedweder Art zu finden, fällt leicht. Und würde wohl auch zu jeder anderen Zeit leichtfallen. Etwas spezifischer klingt das Motto der diesjährigen, bereits 44. Literarischen Woche dann aber doch: Es geht in Bremen ab dem 16. Januar nämlich um „Liebe in unübersichtlichen Zeiten“, Untertitel: „Lebens- und Liebesstile im Sog der Veränderung“. Wobei die Frage erlaubt sei, ob – und wenn ja wann – es denn eigentlich jemals wirklich übersichtliche Zeiten gegeben hat.

Dass Liebesgeschichten allerdings keineswegs immer nur einlullende, den Tränendrüsen schmeichelnde Erwachsenenmärchen sein müssen, in die man sich aus dem grauen bis grausigen Alltag flüchtet, darf als einigermaßen gesichert gelten. Weit überwiegend beispielsweise wird in der Oper das hohe Lied auf die romantische Liebe gesungen, die sich eben nicht strategischen Überlegungen verdanken soll, sondern allein dem Herzen. Was lange Zeit alles andere als selbstverständlich war. Oder man denke an Erich Mühsams fast vergessenes Theaterstück „Die Freivermählten“, in dem der Autor das bürgerliche Liebesideal beherzt zerpflückt.

Dass Barbara Honigmann, die am 20. Januar den Bremer Literaturpreis erhält, wie Mühsam jüdischer Abstammung ist, ist natürlich reiner Zufall. Dass ihr Buch „Georg“ zum einen als durchaus politische Liebesgeschichte zu lesen ist, wohl weniger. Und auch die anderen Werke, die deren Autoren im Rahmen der Literarischen Woche in Bremen vorstellen, erzählen nicht einfach nur von zwei Herzen, die zueinanderfinden (oder eben nicht), sondern verweben die Schicksale ihrer Liebenden kunstvoll mit gesellschaftlichen Verhältnissen, die nicht unbedingt die unsrigen sein müssen.

Der Roman „Schutzzone“ von der außerordentlich vielseitigen, aus Bremen stammenden Schriftstellerin Nora Bossong operiert allerdings geradezu am offenen Herzen unserer sogenannten Weltgemeinschaft: Protagonistin Mira arbeitet für die Vereinten Nationen, beschäftigt sich mit Krisenregionen und Friedensmaßnahmen, schreibt Berichte, vermittelt zwischen Vertretern verfeindeter Staaten. Und verliebt sich in Milan, woraus sich ein Verhältnis entspinnt, in dem sich die großen Debatten der Zeit auf ihre Weise wiederspiegeln. Bossong liest am 16. Januar in aus ihrem Buch.

Spannend im skizzierten Sinne sicherlich auch der 18. Januar mit Norman Ohler, der sein neues Buch „Harro und Libertas“ vorstellt. Es erzählt die Geschichte zweier Liebender im nationalsozialistischen Deutschland, die sich dem staatlichen Terror zu widersetzen suchen.

Wer sich selbst literarisch mit der Liebe auseinandergesetzt hat, kann sich für die Offene Bühne anmelden, mit der die Literarische Woche traditionell schließt. Unter dem Titel „Liebesflash, Liebestrash“ ist dort formal tendenziell alles möglich, vorausgesetzt, es dauert nicht länger als jeweils sieben Minuten.

Für die übrigen Programmpunkte der liebestollen Literaturwoche, darunter auch eine Ausstellung mit Arbeiten des kubanischen Künstlers Dario Zeruto, finden Sie im Internet alles Entscheidende.

Weitere Informationen

44. Literarische Woche: 16. Januar bis 23. Januar, verschiedene Orte in Bremen; www.literarische-woche.de.

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