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Pannen und Ungereimtheiten

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Syke - Von Jan Dirk Wiewelhove. Das Phänomen des Terrors ist auf der weltpolitischen Bühne in aller Munde. Lange meinten wir in Deutschland auf einer Insel zu leben – bis im Dezember in Berlin das Unfassbare passierte: Ein Lastwagen raste auf einem Weihnachtsmarkt in eine Menschenmenge. Doch blieben wir bis dahin wirklich verschont? Nein, natürlich nicht, denken wir nur an das Terror-Jahr 1977. Gerade erst jährte sich der kaltblütige Mord an Generalbundesanwalt Siegfried Buback zum 40. Mal. Passend dazu sind gleich mehrere Bücher veröffentlicht worden, die sich mit der Roten Armee Fraktion (RAF) auseinandersetzen. Auch Butz Peters, Journalist und RAF-Experte, reiht sich mit „1977. RAF gegen Bundesrepublik“ in diese Riege ein. Er will eine Geschichte erzählen, die bis in die Gegenwart hineinreicht.

Bis heute dauert die Aufarbeitung der RAF-Geschichte durch die bundesdeutsche Justiz an. Seit der Erstauflage des Klassikers „Der Baader-Meinhof-Komplex“ (1985) von Ex-Spiegel-Chef Stefan Aust kommen immer wieder neue Erkenntnisse über die Taten der unterschiedlichen RAF-Generationen zum Vorschein. Zuletzt beantragte Michael Buback, Sohn des ermordeten Generalbundesanwalts, die Wiederaufnahme eines Verfahrens gegen den Ex-Terroristen Rolf Heißler. Trotz aller Aufklärungsbemühungen bleiben einige Details, wie die Ermittlung des einen Buback-Todesschützen, wohl für immer ungeklärt – weil sich der RAF-Kern darauf einschwor, zu schweigen.

Die Ereignisse des Jahres 1977 sind der Ausgangspunkt für Peters‘ Betrachtungen. Von dort springt er chronologisch zurück zu den Anfängen von Baader und Meinhof und vor bis zur heutigen Zeit. Die Geschichte ist sowohl äußerst detailliert als auch leicht verständlich erzählt. Die Vielzahl der handelnden Personen bleibt jedoch eine große, möglicherweise überfordernde Aufgabe. Dagegen stellt Peters eine klare, kleinteilige Struktur seiner Abhandlung.

Vom Buback-Mord bis zu einem Resümee der Ereignisse aus heutiger Sicht

Die Gliederung orientiert sich an den Jahreszeiten von Frühling bis Winter 1977/78. Diese sind weiter unterteilt in sieben Abschnitte: vom Buback-Mord über die Prozesse in Stuttgart-Stammheim bis zu einem Resümee der Ereignisse aus heutiger Sicht. Peters nimmt den Leser wird an die Hand, dieser kann immer wieder nach kurzen Zwischentiteln aufhören und das Buch zur Seite legen. Das ist auch dringend nötig, wenn man behutsam Geschichte verstehen will.

Auf 575 Seiten schafft es der Autor, eine Geschichte auszubreiten, die unter dem Motto „Pleiten, Pech und Pannen“ stehen könnte, wäre der Inhalt nicht viel zu ernst. Sowohl auf der RAF- als auch auf staatlicher Seite lief einiges schief. Sei es der missglückte Anschlag auf die Bundesanwaltschaft am 25. August 1977 oder der ausbleibende Zugriff auf das erste RAF-Versteck von Hanns-Martin Schleyer in Erftstadt. Und wie war es eigentlich möglich, dass sich Jan-Carl Raspe und Andreas Baader in der Haft erschießen konnten? Minutiös werden alle verfügbaren Erkenntnisse aufgelistet. Es zeigt sich, wie nah der Staat zahlreichen Akteuren auf den Fersen war – ohne die Organisation in Gänze zu durchdringen. Für Kriminalisten ist dieses Buch ein Gewinn, auch wenn neue Erkenntnisse ausbleiben.

Wer sich in Zeiten des Terrors des Islamischen Staates oder der afrikanischen Terror-Gruppe Boko Haram über die Wurzeln des Terrors gegen die staatliche Ordnung informieren will, sollte sich fragen, wie tief er in die Geschichte eintauchen möchte. Liebhabern detailreicher Schilderungen ist dieses Buch zu empfehlen. Wem aber ein Überblick über das Terror-Jahr 1977 reicht, findet in Peters’ Buch „Hundert Tage: die RAF-Chronik 1977“ mit Sicherheit eine gute Alternative.

Butz Peters: „1977. RAF gegen Bundesrepublik“, 575 Seiten, Droemer, 26,99 Euro.

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